What happens, when nothing happens...

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Tag 1


Der Weg zum Campingplatz ist lang, wie übergroße Glühwürmchen beleuchten dicke Lichterketten, die im lauen Sommerwind der Nacht hin und her tanzen, den hölzernen Weg. Unsere Füße sind müde und die Beine träge. Die Arme schützend um den eigenen Körper geschlungen, suchen wir im Gleichschritt unsere Zelte auf. Die Gruppe hat sich in eine lange Kette aus Paaren mit großen Lücken zwischen ihren Gliedern geteilt, wir sind eines davon.
Größtenteils schweigend, gleiten unsere beiden Füße, wie von selbst in eine Richtung. Seine Begleitung ist angenehm, ein lockerer Spruch, ein kleines Lächeln. Er ist unkompliziert und die vergangenen Stunden haben gezeigt, dass wir den gleichen Humor teilen. In der großen Runde hat er tagsüber bewiesen, dass er eine große Klappe hat, gerne den Clown spielt, Sprüche austeilt, aber auch einstecken kann. Sobald wir allein sind, niemand in Hörweite ist, wirkt er jedoch viel ausgeglichener. Nur mit Bedacht wählt er seine Worte, denen die Spitzfindigkeit vom Tag fehlt. Auf mich macht er den Eindruck, als wäre er jemand, mit dem man Spaß haben kann und dennoch in einer ruhigen Minute in der Lage ist ein ernstes Gespräch zu führen. Genau der Typ Mensch, mit dem ich mich gerne umgebe.


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Tag 2


„Verdammter Mist!", fluche ich und halte mein glühendes Handy in der Hand. Der Akku ist fast leer und die verdammte Powerbank bringt das Gerät eher dazu zu überhitzen, als es aufzuladen.Mit einem Campingstuhl rückt er zu mir heran, lässt sich hinein sinken und betrachtet mich von der Seite.„Wem schreibst du da überhaupt die ganze Zeit?" „Ich versuche meinem Mann eine Nachricht zu schicken."Seine Augenbrauen schnellen nach oben. „Du bist verheiratet?"Irritiert blicke ich auf meine Finger. Verlobungsring und Ehering sitzen noch genau da, wo sie sein sollten. Ein klares Zeichen dafür, dass ich es bin oder?„Ehm ja ich bin verheiratet." Mit einem Ruck erhebt er sich, greift den Campingstuhl, entfernt sich ein paar Schritte von mir und platziert ihn so, das er als er sich darauf setzt, mir den Rücken zukehrt.Ich pruste los. Ist das sein Ernst?Die angespannten Muskeln in seinem Nacken und die Hand, die er zu seiner Schläfe gehoben hat, signalisieren, dass seine Entrüstung echt ist und mir bleibt mein Lachen im Hals stecken. Er muss geglaubt haben, dass ich mit ihm geflirtet habe. Als er sich zu mir gesetzt hat, wollte er an der Annäherung von gestern Abend anknüpfen, erst jetzt begreife ich sein Verhalten des gestrigen Tages. Befindet man sich lang genug in einer Beziehung, verliert man jegliche Art von Radar, der einen warnt, wenn der Gegenüber einem offensichtlich Avancen macht. Dass wir auf einer Wellenlänge sind, kann ich nicht bestreiten und genau deshalb wäre ich ebenfalls diejenige gewesen, die den Kontakt zu ihm gesucht hätte. Allerdings ohne Hintergedanken, lediglich mit der Absicht einen Freund dazu zu gewinnen. Der Zug ist in diesem Moment abgefahren. Seine Hand umfasst meine Schulter. Frustriert fragt er erneut: „Was ist denn nun der Plan?" Seit zwanzig Minuten reden acht Menschen unkoordiniert durcheinander, stapeln ihre Wünsche zu einem wackeligen Turm und sortieren sie nach Dringlichkeit.Ohne darüber nachzudenken lege ich meine Hand auf seine. „Keine Ahnung, die einen haben Hunger, die anderen wollen noch Bons kaufen, dann geht es zur Mainstage, soweit ich das verstanden habe." Als ich bemerke, was ich da gerade tue, hebe ich die Hand von seiner, die noch immer warm und schwer auf meiner Schulter ruht. Merkwürdigerweise hat das Gewicht eine beruhigende Wirkung auf mich. Weitere fünf Sekunden spüre ich die Berührung und seine Musterung, dann löst er sich von mir.Bevor wir erneut auf das Festivalgelände losgezogen sind, hatte ich gehofft wir könnten die merkwürdige Situation von heute Morgen hinter uns lassen. Nun gesellt sich Verhaltensweise Nummer zwei zu seinesgleichen und bringt mich aus dem Konzept.


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What happens when nothing happensWhere stories live. Discover now