Kapitel 1

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Ich rollte mich herum um eine einigermaßen bequeme Position zu finden.
Langsam nahm ich den Boden unter mir wahr. Warte mal kurz... Boden?
Ich schlug meine Augen auf. Wo war mein Bett? Von der Helligkeit geblendet, blinzelte ich ein paar mal. Nur half das leider auch nicht. Immer noch liegend hob ich langsam die Hand zu meinem Gesicht um meine Augen abzuschirmen und starrte mitten in einen klaren blauen Himmel von dem gnadenlos die Sonne hinunter schien.
Nicht auf meine Zimmerdecke. Nein. Auf einen Himmel. Wie kam ich hierher?

In Gedanken ließ ich den letzten Abend Revue passieren. Nach dem Abendessen mit meiner Familie hatte ich mich in mein Zimmer zurückgezogen  und es mir dort mit einem Buch in der kleinen Sitzecke bequem gemacht.
Ich war mit meinen 18 Jahren das „Sandwich-Kind" in unserer Familie und stach dazu ganz schön heraus mit meinen langen roten Haaren und den grau-blauen Augen.
Jeder bei uns hat glatte braune Haare und braune Augen.
Durchschnittlich halt. Außer ich.

Aber nicht nur das unterscheidet mich von ihnen. Während alle bei uns immer einen genauen Plan vor Augen haben und auch so ziemlich gut durchstrukturiert waren, war ich das genaue Gegenteil.
Ich war diejenige, die träumend in der Ecke saß und ihren Gedanken freien Lauf ließ. Manchmal kam mir der Gedanke, dass man mich nach meiner Geburt im Krankenhaus vielleicht mit irgendeinem anderen Baby vertauscht hatte. So unmöglich war das garnicht. Es gab nämlich keinerlei Fotos von der Zeit in der meine Mutter angeblich mit mir schwanger war. Wirklich stören tat es mich aber nicht. Meine Familie liebte mich und ich liebte meine Familie, das war alles was zählte.

Meine Eltern, Sabrina und Jack, arbeiteten als Lehrer an derselben Grundschule, mein 20 jähriger Bruder Thomas war gerade ausgezogen um sein Studium in Architektur zu starten und meine kleine 13 Jahre alte Schwester Eva war die „Anführerin" der bekanntesten Clique in ihrem Jahrgang. Bekannt und beliebt. Wie auch mein Bruder.

Ich habe an diesem Abend so lange gelesen, bis meine Augen schwer wurden und ich widerwillig mein Buch auf den Tisch neben mein Himmelbett gelegt und dann ins Bett gefallen war. Wenn mich ein Buch fesselte, so wie dieses, konnte ich es normalerweise an einem Stück durchlesen. Doch ich war so müde, dass ich die Wörter teilweise nur noch verschwommen wahrgenommen habe. Dann bin ich eingeschlafen.

Ein Kitzeln an meinem rechten Fuß riss mich aus meinen gedanklichen Nachforschungen. Ich kicherte. Was war das? Ich richtete mich langsam auf und schaute direkt in die Augen eines... Oh mein Gott... Erschrocken kreischte ich auf und krabbelte ein Stück weg von ihm. War das ein Tiger? Da bemerkte ich die Landschaft hinter diesem.
Mir klappt der Mund auf. Ach du heilige Makkaroni.

Ich lag auf einer leicht erhöhten, weiten Wiese, auf der Wildblumen in den unterschiedlichsten Farben wuchsen. Dahinter erstreckte sich, so weit das Auge reichte, ein Wald.
Ungläubig rieb ich mir die Augen. Ich musste wieder einen meiner verrückten Träume haben. Seit ich ein kleines Kind war, wurde ich von diversen Träumen verfolgt.
Ich hatte noch nie so viel grün auf einmal gesehen. In einer Stadt aufzuwachsen hatte auch seine Nachteile.

Langsam konzentrierte ich mich wieder auf die Umgebung vor mir. Oder eher gesagt auf eine Blume, die neben meiner Hand zwischen ein paar anderen hervorschaute. Anderen, die ich noch nie zuvor gesehen habe.
Ich betrachtete die Blume genauer. Sie war wunderschön. In einer Art Sternform überlappten sich Blätter in einem Farbverlauf von hellem Türkis bis zu einem dunklem Königsblau. Ich fühlte mich wie Alice im Wunderland.

Ich wurde schon wieder aus den Gedanken gerissen. Der Tiger, vor dem ich eben noch zurückgescheut bin, schaute mich aus aus großen, rehbraunen Augen an. Ich war wie erstarrt, wagte es nicht, auch nur einen Muskel zu bewegen. Es wurde ihm wohl zu langweilig, denn nun begann er mich anzustupsen.

Verdammt, da saß ein Tiger direkt vor meiner Nase! Anscheinend hattte er im Moment kein Bock auf einen kleinen Snack für zwischendurch, denn sonst hätte er mich wohl schon längst angeknabbert. Saphira reiß dich zusammen! Das... das ist nur einer deiner verrückten Träume.
Ich schluckte. Warum fühlte er sich dann so verdammt real an? Der Tiger stupste mich wieder an. Ich musterte ihn. Also sonderlich gefährlich wirkte er nicht. Eher wie ein zu groß geratenes Plüschtier.

The story of LavandiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt