Neues Leben

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„Also darf ich das jetzt richtig verstehen… wir fahren zu meinem Onkel, um ihn zu fragen, wo mein biologischer Vater wohnt…?“
Susie, meine Tante, das heißt die Schwester meiner Mutter, schaute mir durch den Rückspiegel  in die Augen, weil ich ja noch so klein bin, musste ich unbedingt auf dem Rücksitzt sitzen, dabei bin ich 10 Jahre alt.
„Wenn du es so sehen willst, dann ja. Immerhin hab ich die beiden eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen.“
„Kann ich nicht einfach mit dir mitkommen? Was ist das Problem? Dann wäre ich halt mal öfters abends alleine…“
„Nein, du fährst schön zu deinem Vater. Und ich will dich nicht alleine lassen, du bist ein Kind. Du brauchst Leute um dich herum, die auf dich aufpassen können und sich um dich kümmern.“
Sie schaute abermals in den Rückspiegel und lächelte leicht.
„Ach komm, du kannst ja auch mal in den Ferien zu mir kommen, dann werde ich mir frei nehmen und wir unternehmen dann was Schönes, ok?“
Ich schaute leicht verträumt aus dem Fenster des Autos.
„Ja ok….“


Es war einige Zeit ruhig gewesen, eine Stille, die ich nicht aushalten konnte.
„Haben sich nicht Mama und mein biologischer Vater sich nicht durch dich und meinen Onkel kennen gelernt?“
Tante Susie lachte kurz auf.
„Ja, da hast du recht. Aber kannst du bitte mit diesem biologischen Vaterzeugs aufhören? Es ist dein Vater und nicht irgendein fremder oder sowas.“
Ja, es ist nicht irgendein Fremder, jemand, den ich bisher noch nie gesehen hab oder mal seine Stimme gehört habe, soll mein Vater sein. Ich weiß weder, wie er aussieht noch wo er wohnt, wie er sich anhört, was seine Gewohnheiten oder Hobbies sind oder ob ich ihm überhaupt ähnel geschweige denn weiß ich seinen Namen.
Also wieso soll ich dann zu jemandem Dad oder so sagen, wenn ich denjenigen nicht kenne?
Wir bogen in eine Straße, wo nur Häuser standen mit Familien mit Hunden und 2 Kindern, wo alles immer perfekt aussah.
Tante Susie hielt vor einem dieser Häuser an.
„Wir sind da.“


„Wo da? Bei meinem Vater oder wem?“
„Nein bei deinem Onkel, er kann uns sagen wo dein Vater sich rum treibt.“
„Rumtreibt? Nomade? Gangster?“
„Das wirst du noch heraus finden. Komm mit, dann lernst du deinen Onkel mal kennen.“
Ich stieg aus, aber ich sah keine Kinder, zumindest nichts, was drauf hinwies, dass hier Kinder in diesem Haus wohnen. Der Vorgarten ist gepflegt, keine Fahrräder oder sonstige Geräte die man erwarten würde… gut vielleicht sind sie schon erwachsen, aber das bezweifle ich. Tante Susie ist ja auch noch nicht so alt, dass sie erwachsene Kinder hätte.
Wir standen vor der Haustür und Tante Susie klingelte.
Ein höchstens 1,80  großer weißer erwachsener Mann im Anzug öffnete die Tür.
„Susie? Was machst du denn hier?“
„Ja, Mycroft, es ist auch schön dich zu sehen.“
„Kommt erst mal rein. Was machst du hier eigentlich an diesem Sommertag?“
Wir gingen rein und setzten uns ins Wohnzimmer.
„Ich bin wegen deiner Nichte hier.“
Mycroft, mein Onkel, verschluckte sich anscheinend.
„Nichte? Hab ich noch einen Bruder, von dem ich nichts weiß?“
„Nicht das ich wüsste. Aber Nicole ist deine Nichte.“
Er amüsierte sich anscheinend.
„Sie ist? Nein… das ist ein Witz komm, sag mir, das du mal wieder Witze machst.“
„Mycroft, das ist kein Witz. Ich muss sie zu ihm bringen, ich werde von meiner Arbeit versetzt und da kann ich sie nicht mit nehmen, ich kann sie nicht tagtäglich alleine lassen. Also muss sie zu ihrem Vater. Sie hätte sowieso irgendwann raus bekommen, wer ihr Vater ist.“
Also ist es wohl anscheinend schlecht, dass ich meinen Vater kennen lernen werde.
„Ja gut. Aber du hältst es wirklich für eine gute Idee, sie zu ihm zu bringen? Weil ich meine, du kennst ihn von früher noch und da hat sich nicht wirklich viel geändert.“
„Ja,  aber sie sollte bei ihrer Familie aufwachsen und… da sie jetzt ja ihre Mutter nicht mehr hat, muss sich einer um sie kümmern. Und da er nun mal ihr Vater ist, kann sie auch zu ihm.“
„Es ist schon verwunderlich, dass er bei seinem Tun noch nicht ums Leben gekommen ist und da soll er dann noch ein Kind erziehen? Was soll denn aus ihr werden? Willst du sie mit 16 schon beerdigen?“
„Mycroft, ich wette, es ist doch nicht so schlimm, wie du es grade schilderst und wenn, kannst du dich ja um sie kümmern“


Sagte Tante Susie mit einem leichten Lächeln.
„Ich? Ich hab andere Dinge zu tun, als ein Kind zu erziehen.“
„Kannst du mir denn dann wenigstens sagen, wo  er sich zurzeit aufhält?“
„Ja, in der 221 B Baker Street“
„Gut, dann bring ich Nicole jetzt da hin. Ich muss nämlich auch bald los. Komm Nicole, wir gehen.“
Wir verabschiedeten uns und gingen wieder zum Auto und stiegen ein.
„So, dann fahren wir mal zu deinem Vater, ne?“
„Anscheinend. Aber er ist doch wohl nett, oder …?“
„Ja, er ist nett. Er ist halt nur ein bisschen eigen…“
Ich steckte mir ein Bonbon in den Mund.
„Wie darf ich das verstehen?“
„Du wirst es schon sehen.“
Da hat man ja gar nicht komische Gedanken bei.
Und dieses in Rätseln sprechen… als ob ich nichts mitbekommen dürfte…
Gleich sind wir da.  Wir sind schon in der Baker Street.
Gleich werde ich wissen, wer mein Vater ist.
Irgendwie bin ich doch schon ein bisschen gespannt, hoffentlich ist er nicht so ein Einfallspinsel.

Nachwuchs in der Baker StreetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt