Am zweiten Stern rechts

42 2 0
                                    

LONDON

Einige Generationen später im Hause der Familie Darling.

Leise verließ sie das Kinderzimmer und schloss die Türe hinter sich. Er wartete eine Weile, dann öffnete Luke seine Augen. Es war jetzt die dritte Nacht, die er nicht richtig schlafen konnte. Seine Augen gewöhnten sich nur langsam an die Dunkelheit. Er schaute Richtung Tür, dort schimmerte ein Lichtstahl. Neben der Tür stand seine Nachtlampe, die er jetzt wahrnahm.
Aus dem Wohnzimmer hörte er seine Mutter.

„John bitte komm nach Hause, ich habe es doch nicht so gemeint, verdammt noch mal melde dich endlich, langsam mache ich mir Sorgen, bitte Liebling!"

Sie telefoniert wieder, gleich fängt sie an zu weinen, dachte Luke. Am Mittwochabend hatte Vati seine Tasche gepackt, Lukes Jolly Roger unter dem Arm genommen, die er reparieren wollte, weil Sam, sein Freund, am Nachmittag beim Spielen darauf getreten war. Oh, war er wütend, bis Papa ihn beruhigte und versprach das Schiff von Käpt'n Hook wieder in Ordnung zu bringen. Abends dann hatten die Eltern sich gestritten.

Luke bekam nur mit, wie seine Mutter zu seinem Vater sagte: „Werde endlich erwachsen!", danach verließ er das Haus.

Seitdem rief sie ihn fortwährend an, aber er meldete sich nicht. Luke wurde ganz traurig, er hielt Izzy seine Stoffpuppe fest im Arm, die er von seiner Großmutter zum dritten Geburtstag bekam und wünschte sich, dass Mama auch immer so gut gelaunt wäre wie Izzy. Die Puppe liebte er besonders, weil Oma diese selbst gebastelt hatte. Sogar um den Hals trug sie einen Beutel mit Feenglanz, den sie extra in einem Zauberladen kaufte. Damals sagte sie ihm unter vier Augen, dass er den Feenglanz nur im äußersten Notfall benutzen darf, aber wirklich nur im Notfall. Er musste es ihr sogar schwören. Am Mittwoch, nachdem Vater gegangen war, öffnete er ein kleines bisschen den Beutel, nahm eine Fingerspitze Feenstaub heraus. Aber da seine Finger feucht waren, weil er vom Weinen vorher über seine Äuglein gerieben hatte, konnte er den Feenglanz, der aussah, wie Glitzersand nicht über sich streuen. Der Sand fing leicht an zu schimmern, dann verklumpte er in seiner Hand. Dies sollte aber sein Geheimnis bleiben, vielleicht war es kein Notfall.
Mittlerweile hatten seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt, er sah hinüber zum Tisch. Dort stand sein Lieblingsspielzeug Bucky, das Piratenschiff mit seinen Spielfiguren. Die bekam er zu seinem vierten Geburtstag von Papa geschenkt. Er erzählte ihm, dass das die Freunde von Peter Pan wären.
Luke hörte gerne seinem Vater zu, wenn er die Geschichten von Urgroßvater, dessen Bruder Michael und seiner Schwester Wendy erzählte.
Obwohl, er diese nicht so recht glauben konnte und trotzdem wünschte er sich einmal nach Nimmerland zu kommen.
Lukes Augen überflogen noch mal den Tisch. Die Jolly Roger war bei seinem Vater, aber wo war Kaptain Hook und Mr. Smee, er konnte sie nicht erblicken. Er fing wieder an zu weinen, ob sein Papa nächste Woche zu seinem fünften Geburtstag wohl kommt. Dabei drückte er Izzy so stark an sich, dass sich das Band um ihren Hals löste. Der Feenstaub, der im Beutel war, verteilte sich auf dem Bett und vermischte sich mit seinen Tränen. Plötzlich fing der nasse Glitzersand an zu leuchten, aber viel mehr, als es vorher der Fall war. Die Nachtlampe flackerte, sie wurde so hell wie ein Leuchtturmlicht, das er schon mal im Urlaub gesehen hatte. Er kniff seine Augen zusammen, um sie ein wenig vor dem Licht zu schützen. Der Schein erhellte den Tisch, er bestrahlte jetzt das Piratenschiff sowie die Figuren Jake, Cubby, Izzy und den Papagei Skully.
Sah er richtig, bewegte sich wirklich das Schiff? Es hob vom Tisch ab und schwebte tatsächlich auf ihn zu. Mit großen Augen beobachtete er Bucky. Das Piratenschiff kam immer näher, bis es vor ihm auf seinem Bett stehen blieb. Jake stand am Steuerrad, er winkte ihm zu.
Izzy sprang vom Schiff, kletterte auf seine Hand und sprach mit ihm.

„Du hast uns gerufen, wir sind bereit dir zu helfen. Was ist passiert?"

Luke konnte es immer noch nicht glauben. Hatte die Spielfigur gerade mit ihm gesprochen? Sein Schmerz um seinen Vater saß so tief, dass er es nicht zuließ, weiter darüber nachzudenken. So erzählte er einfach drauflos, was geschehen war, danach zeigte er seinen Spielfiguren ein Foto, wo alle noch glücklich waren.
Jake schickte Skully, den Papagei in die Nacht hinaus, er sollte sich umschauen. Unterwegs traf er einige Vögel, die ihm berichteten, dass sie die Jolly Roger vor drei Tagen am Himmel gesehen hätten. Sie flog Richtung Nimmerland. Das konnte nichts Gutes bedeuten, wenn Kaptain Hook in der Nähe gewesen war, dachte Skully. Er flog sofort zurück, um den Freunden dies mitzuteilen. Alle waren darüber entsetzt. Was hatte Hook vor?
Ehe sich Luke versah, stand er auf dem Piratenschiff und flog mit Jake, Izzy, Cubby und Skully Richtung Nimmerland.
Am zweiten Stern rechts vorbei, dann immer geradeaus bis zur Morgendämmerung. Luke war so aufgeregt, er würde dort sein, wo Uropa als Kind oft war. Unter ihnen tauchte das Meer auf, Cubby versuchte Luke die Insel zu zeigen, auf der sie lebten. Einige Minuten später überflogen sie schon die Bucht von Nimmerland. Marina die kleine Meerjungfrau winkte ihnen aufgeregt entgegen. Der Papagei machte sich auf den Weg zu ihr. Voller Besorgnis kam er zurück. Marina hatte Hook gesehen, wie er mit der Jolly Roger zur Totenkopfinsel geflogen war. Dort würde er einen blinden Passagier festhalten, hieß es, der sich auf seinem Schiff versteckt haben soll. Smee hatte nun die Aufgabe heraus zu finden, was er da wollte, aber anscheinend wusste der Fremde selber nicht, wie er auf die Jolly Roger kam. Er erzählte immer nur davon, dass er das Schiff reparieren wollte.
Jake konnte sich nicht vorstellen, das Hook sich auf der Insel befand, weil er sich eigentlich vor ihr fürchtete, seitdem Peter Pan ihn hier, so böse mitgespielt hatte. Aber ein Versuch war es Wert nach zuschauen, so flogen sie zur Totenkopfinsel, diese war umgeben von dichtem Nebel. Mehrmals überflogen sie die Insel, nirgendwo sahen sie die Jolly Roger, weder Kaptain Hook noch Smee. So setzten sie Bucky aufs Meer ab, umkreisten die Insel, der Nebel versperrte ihnen die Sicht, als sie schon aufgeben wollten, hörten sie plötzlich Stimmen.
Luke wurde nervös, er bekam Angst. War das nicht gerade die Stimme von seinem Vater? Sie blieben vor der Nebelwand stehen. Jake sah durch sein Fernrohr, es zeigte ihm den Weg. In dem Moment öffnete sich die Augenklappe am Totenkopf. Er reichte Luke das Fernrohr, dort stand er wirklich, sein Vater, neben ihm Mr. Smee. Sie redeten wie wild aufeinander ein. Was sollten sie nur tun, wie sollten sie ihn von der Insel holen? Der Nebel war zu dicht. In Gedanken versunken, spürten sie auf einmal einen Luftzug. Cubby bemerkte ihn zuerst, Peter Pan flog direkt in den Nebel hinein, der zu einem Schleier wurde. Jetzt sahen die anderen ihn auch, er flog direkt auf die Augenklappe zu und verschwand dahinter. Alle riefen durcheinander, sie freuten sich das Peter ihnen half. Denn in Nimmerland spricht es sich schnell herum, wenn man Hilfe braucht. Einige Minuten später ging die Augenklappe noch einmal auf, heraus kam Peter mit Lukes Vater. Smee lehnte sich verzweifelt aus dem Auge, er rief nach Hook. Der aber schlief fest auf seiner Jolly Roger, wie Peter mit einem Augenzwinkern erklärte. Luke fiel seinem Vater in die Arme, er wollte ihn gar nicht mehr loslassen. Peter freute sich, dass er jemanden von der Familie Darling helfen konnte. Izzy nahm etwas Feenstaub aus ihrem Beutel, pustete ihn über Bucky, sogleich setzte sich das Schiff in Bewegung und hebte vom Nimmermeer ab. Bevor Luke sich bei Peter Pan bedanken konnte, war dieser schon wieder verschwunden.

„Luke, Schatz aufwachen!", hörte er die Stimme seiner Mutter, die nicht mehr so traurig klang. „Du bist ja ganz nass geschwitzt."

Das war ihm aber vollkommen egal, denn hinter seiner Mutter stand sein Vater. Er hielt die Jolly Roger hoch und tippte sich mit dem Zeigefinger auf dem Mund. Luke nickte ihm zu. Das, was sie erlebt hatten, würde für immer ein Geheimnis zwischen ihnen beiden bleiben.

Am zweiten Stern rechts (Kindergeschichte)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt