"Jeder Mensch ist seinem Schicksal ergeben. Dein Schicksal bin ich"
Z E R I A
-"Frau Köksalan, ich frage sie ein letztes Mal, möchten sie den Agah als Ehemann nehmen?", ertönte die Stimme des Beamten, die ich die ganze Zeit über zwar wahrnahm, aber versuchte auszublenden. Seine und die Geduld des Agahs, meines zukünftigen Ehemannes, stieß an ihre Fassade. Das erklärte auch warum der Agah, den niemand beim Namen nennen durfte, Familienmitglieder davon ausgeschlossen, mir im nächsten Moment seine goldene Waffe gegen die Schläfe hielt. Ich sollte antworten, sofort. Dass der Beamte dabei nichts unternahm, überraschte mich nicht. Niemand war so mutig, um gegen die Familie Erkuran, die über viele Viertel dieser Stadt regierte, anzutreten. Nicht mal die Justiz legte sich mit dem Agah an, weil sie wussten, wie sehr ihn das Volk begehrte. Die Meisten würden töten für ihn. All seine Feinde waren die Feinde des ganzen Volkes.
Das Ticken der Uhr löste Panik in mir aus. Ich war am Ende. Das wusste ich. Der Druck an meiner Schläfe wurde härter und härter. Ich nahm meinen Blick von der Wanduhr ab und schaute in die Augen des Agahs. Er biss sich auf die Zähne und versuchte Ruhe zu bewahren. Ich sah den Hass in seinen Augen gegenüber der ganzen Situation. Er war wütend, sehr sogar und mein Verstummen machte es nur noch schlimmer. Bei einer Verneinung meinerseits wusste ich allzu gut was auf mich zu kommen würde. Meine Angst versuchte ich beiseite zu legen, obwohl ich wusste, dass dieser Versuch unnötig war.
"Ja", kam es aus meiner Kehle. Die Tränen brannten mir auf den Wangen. Sie taten mir so schmerzhaft weh, dass ich die Platzwunden an meinen Knien ignorierte, die dadurch entstanden waren, weil ich auf den Boden geschmissen wurde.
Der Beamte, der uns zu Frau und Mann erklärt hatte, beugte sich kurz vor dem Agah und verließ den Raum. Dieses leichte Beugen des Kopfes war eine Art des Respektbeweises gegenüber ihm. Er, dessen Namen niemand aussprechen durfte, und ich waren nun alleine in diesem riesigen Raum, dekoriert mit traditionellen orientalischen Gemälden, Decken und Kissen. Es war wie ein riesiges Schlafzimmer eines immens reichen Mannes, nun so war es tatsächlich auch. Mein leises Weinen unterbrach die Stille zwischen uns beiden.
"Weinen hilft dir nicht", ertönte seine Stimme erneut. Sein Ton glich einem düsteren Wind des Winters, so kalt und finster, entfernt von jeglicher Freundlichkeit. Er war ein großer, etwas breiter, dennoch irgendwie schmaler Mann. Den Agah ehrte das Volk wie ein Heiligtum einer Religion. Die Menschen hier legten viel Wert auf sein Wort und er entschied über Leben und Tod. Ihm vertrauten die Menschen blind. Zu ihm gingen sie, wenn es keine Lösungen mehr für jegliche Probleme gab. Er war wie ein Held für die kleinen Kinder, ein Schwarm aller jungen Mädchen. Feinde hatte er viele, doch Freunde um so mehrere. Er war das perfekte Bild eines Agahs. Genau dies bekam jeder eingetrichtert. Sie mussten dem Agah respektvoll gegenübertreten. So war er also, der Agah, Azad Erkuran. Er stand mit Fleisch und Blut vor mir und ich spürte keinerlei die Bewunderung, die es zu spüren geben sollte.
"Auch mir gefällt diese Lage nicht. Welch ein Mann wie ich heiratet schon ein Mädchen wie dich?", erniedrigte er mich mit seinem arroganten Stimmton. Er schaute auf mich herab und schüttelte den Kopf, so als wäre ich nichts auf dieser Welt wert, doch er hatte Recht. Ich war nie eine, für die sich etwas je gelohnt hat oder hätte. Ich, Zeria war wie Abschaum in den Augen des Volkes, denn ich war die Tochter einer Prostituierten namens Zilan.
"Ich habe vieles über dich gehört. Dein Name ist in jeder Munde", er legte eine Pause ein, vergrub seine Hände in seiner Hosentasche und passierte zum Fenster. Ich lauschte. Dass er meine Mutter einbeziehen würde, wusste ich ganz genau. So war es doch immer. Nie nannte man mich beim Namen, ich hieß immer 'Zilans Tochter', so schwer ich es auch innerlich aussprach; Hurentochter.
"Erzähl, wie kam es zu deiner bemitleidenswerten Situation? Ich habe gehört, Frauen hätten dich aus der Stadt vertrieben?", fragte er ganz neugierig und mit heiser Stimme.
Dass er seit Jahren rauchte, war nicht zu überhören. Er setzte sich auf einen Stuhl, den er davor vor mich stellte. Seine Gestalt warf einen großen Schatten auf mich, sodass mein klitzekleines Selbstbewusstsein komplett verschwand. Er zuckte mit den Augenbrauen und befahl mir somit zu reden, doch ich spürte einen Kloß in meinem Rachen, der mir den Atem stockte. Wie sollte ich mit einem Mann reden, der mich mit hasserfüllten Blicken beobachtete?
"Los!", brüllte er, sodass ich Angst bekam.
"Meine Mutter", fing ich an und versuchte meine Tränen aufzuhalten, doch vergeblich. Sie flossen entlang meiner Wangen und fielen auf den dunkelbraunen Holzboden, auf dem ich die ganze Zeit über saß. "Meine Mutter starb als ich dreizehn Jahre alt war, vor fünf Jahren. Nach ihrem Tod wollten die Frauen meines Dorfes, dass ich verschwinde, weil ich meiner Mutter ähnlich sah. Also, drang eine Horde von Menschen am gleichen Tag in unser Haus ein. Mein Vater - Gott sei ihm seiner Seele gnädig - wehrte sich und gab mich nicht weg. Doch er wurde erschossen. Diese hasserfüllten Menschen töteten meinen Vater am Todestag meiner Mutter", erzählte ich mit zittrigen Händen und schwacher Stimme. Tiefer Hass machte sich in meiner Lunge breit. Mein starrer Blick wanderte zu dem Agah, der mich mit strenger Mimik analysierte.
"Und dann?", wollte er wissen ohne jegliche Spur von Mitleid.
"Mein Cousin, Boran, rettete mich aus dieser Situation und versprach den Menschen, dass ich nie wieder dort auftauchen würde"
"Ist Ferhat auch der Sohn deiner Mutter?", fragte er mich. "Nein. Ferhat, Dilan und ich haben nur den gleichen Vater. Unsere Mütter sind verschieden", erklärte ich.
"Ferhat scheint dich nicht sonderlich zu mögen", erwähnte er. "Wer mag mich schon?", flüsterte ich und nahm ein kleines Grinsen des Agahs wahr. Irgendwie wirkte er ganz anders, wenn er ansatzweise freundlich aussah. Es stand ihm, diese gespielte Freundlichkeit.
"Warum hassen dich deine Halbgeschwister?", verschwand sein breites Grinsen bei der Fragestellung. "Mein Vater Ciwan brachte meine Mutter als Zweitfrau in das Haus. Ferhats Mutter starb Jahre später an Herzversagen, aufgrund von Trauer", schilderte ich mit leisem Ton. Ich erinnerte mich an diese Tage. Sie waren geprägt von Schmerz, Leid und Hass.
"Tochter Zilans und ich, Azad Erkuran, Herrscher des größten Stammes der Geschichte.. unglaublich", fügte er hinzu und stampfte dabei im ganzen Raum hin und her. Niemand konnte sich je vorstellen wie mich der Name meiner eigenen leiblichen Mutter verletzte. Sie war wie ein Dorn in meinem Herzen, ein großes Fragezeichen in meinem Kopf, doch auch die größte Sehnsucht meiner Seele. Ich hoffte, dass sie in Frieden ruhte. Jedes Mal, wenn sie jemand erwähnte, bluteten meine Augen.
"Als meine Schwester auf mich zukam und erzählte, sie hätte sich in deinen Halbbruder verliebt, war ich nicht allzu begeistert, doch abschlagen konnte ich ihr diesen Wunsch nicht. Narin ist mir heilig, sehr sogar. So sehr, dass ich es einsehe für sie mit einer Frau zu heiraten, die man als Hurentochter bezeichnet. Es ist wie ein Stich in meinen Ruf", er atmete laut ein und laut wieder aus. Sein Kopf guckte zur Decke, so als würde er Gott um Hilfe bitten, um Kraft bitten.
"Hätte ich verneint, wäre sie mit deinem billigen Bruder durchgebrannt. Sie hätte sich selbst in Gefahr gebracht. Sie hätte unsere Ehre befleckt. Du kennst dich mit den Bräuchen unserer Kultur aus. Wäre sie durchgebrannt, hätte ich sie erschießen müssen. Aus diesem Grund nehme ich dich zu meiner rechtmäßigen Frau. Diese Ehe wird ihren Zweck erfüllen", drang seine Stimme in mein Gehirn. Sein finsterer Blick war nicht ansatzweise auszuhalten. Es war so schwer den Blickkontakt mit ihm beizubehalten, weswegen ich sofort wegschaute."Jeder ist seinem Schicksal ergeben", sagt er und legt eine Pause ein. "Dein Schicksal bin ich", beendete er seinen Satz ehe er hinter der Tür verschwand, die er zuknallte.
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Seine Frau
RomanceZeria muss den Agah, Azad, heiraten, damit ihr egoistischer Halbbruder die Schwester des Agahs heiraten darf. Sie ist wie ein Mittel zum Zweck. Sie wird erniedrigt, gefoltert und gedemütigt. Eines Tages schafft sie es zu fliehen. Azad nimmt sich sei...