Kapitel 3

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„Was immer ihr verlangt, Meister." Damian kamen diese Worte schwer von den Lippen und es kostete ihn alle Kraft, dass es nicht seine so wichtige Maske zerstörte. Es fiel ihm so unendlich schwer dem Mann vor ihm diese Ehre zu erweisen. „Du kannst jetzt gehen, Damian." die Worte des Großmeisters rissen den Angesprochenen aus seinen dunklen Gedanken. Er nickte knapp und schritt eilig aus dem Raum. Er hasste es. Er hasste jede einzelne Sekunde, die er mit diesem Monster verbringen musste. Nachdem er die eisenbeschlagene Tür leise hinter sich zugezogen hatte, ging er den dunklen Gang entlang, bis er in eine große Halle kam, in der reger Betrieb herrschte. Die jungen Schüler und die alten Gelehrten, alle kamen sie hier zusammen, um in der Verlassenheit des Untergrunds nicht in Einsamkeit zu versinken. Aber sie alle wirkten so glücklich und es versetzte Damian jedes Mal einen Stich ins Herzen, wenn er betrachtete, was der Großmeister getan hatte: Menschen, die in der Welt der Sterblichen keine Zukunft gehabt hätten, hatte er einen Zufluchtsort geschenkt, Waisen eine Familie und Obdachlosen ein Haus. Aber dennoch konnte Damian nichts anderes als ihn hassen, für das Unrecht, welches er begangen hatte.

Geschickt schlängelte er sich durch die Menschenmenge um an die andere Seite des Gewölbes zu gelangen, wo er bereits einen Diener erblickte, der ihn mit ängstlichem Blick musterte. Als er vor dem untersetzen Mann stand, reichte dieser ihm mit gesenktem Blick und zitternder Hand ein edles Pergament. „Sind das die Unterlagen?" Damian sah den Boten von oben herab an. „Ja...ja mein Herr. Es geht um den Fall Wesney." Damian konnte nicht verstehen, warum der Mann vor ihm so ängstlich war. Vielleicht war er ja furchteinflößend, aber jeder würde es an seiner Stelle sein. Jeder, der die gleiche Erziehung über sich hätte ergehen lassen müssen. „Sind das alle Informationen?" Damian nahm das Pergament dem Diener aus der Hand und flog eilig darüber. Als er den Diener wieder ansah, schienen seine Augen Funken zu sprühen und er stieß aus zusammen gepressten Zähnen hervor: „Was bitte soll das? Wer hat Ihnen das gegeben? Reden sie!" Die letzten Worte schrie er fasst schon und plötzlich wurde es ganz still in der Halle. Die Leute drehten sich zu ihnen um und in ihren Gesichtern stand die bloße Furcht. Damian hatte die Eigenschaft aus dem Nichts aufzutauchen und so schienen ihn auch die anderen Bewohner dieser unterirdischen Stadt vorher nicht bemerkt zu haben.

Damian sah dem, mittlerweile wimmernden Boten, mit, vor Zorn sprühenden Augen an und hob ihn am Kragen hoch und drückte ihn gegen die Wand. Mit einem Mal legte sich eine bedrückende Dunkelheit über den Raum und erfüllte ihn mit emotionaler Kälte. „Ich wiederhole mich nicht, also sprich!" Damian spürte wie die Kraft immer weiter aus seinem Körper wich und er begann zu zittern. Er musste weg von hier! Er ließ den Diener ruckartig los, sodass dieser keuchend auf den Boden fiel und begann vor Schmerz und Panik zu schluchzen. Damian versuchte die Dunkelheit wieder aufzunehmen und das Licht kehrte zurück in den Raum. Die Menschen, die sich um sie versammelt hatten, sahen ihn voll Schrecken und Ungläubigkeit an. Was er soeben getan hatte war schlichtweg unmöglich, so wurde es zumindest berichtet. Niemand konnte mit seiner eigenen Dunkelheit einen solch großen Raum ausfüllen. Der Großmeister wäre wahrscheinlich dazu im Stande gewesen, doch nie hätte jemand erwartet, dass ein so junger Mann, wie Damian es war, zu einer so immensen Macht im Stande gewesen wäre. Wenn sie doch nur wüssten, wie teuer er dafür hatte zahlen müssen. Niemand sollte jemals einen so hohen Preis zahlen müssen. Damian sah zu dem Diener zu seinen Füßen. Dieser hielt sich mit bleichen Fingern den Hals und wimmerte mit erstickter Stimme: "Euer Vater, Herr. Euer Vater gab mir diesen Brief." Damian schenkte ihm ein kaltes Lächeln und beugte spottend den Kopf vor ihm, ehe er in einer pechschwarzen Rauchsäule verschwand.

Damians kalte Finger strichen über den kalten Marmor und er spürte, wie die Energie langsam in ihn zurückkroch. Was hatte er getan? Er hatte immer versucht sich zu kontrollieren und nun hatte er wieder versagt. Sein müder Blick schweifte über die Landschaft vor ihm. Überall ragten die dunklen Grabsteine aus der Erde. Das braune Gras war nur noch an wenigen Stellen vorhanden und die Krähen klagten über die Trostlosigkeit dieses Ortes. Damian konnte diese Welt nicht mehr verstehen. Bereits früher hatte er sich immer wieder gefragt, gegen was sie eigentlich zu kämpften versuchten. Niemand hatte ihm je eine Antwort geben wollen und so war es an ihm gelegen es selbst herauszufinden. Er erinnerte sich an die langen Nächte, die er ihn der Bibliothek der Katakomben verbracht hatte, nur um mehr über ihre Feinde herauszufinden, wer sie waren, welches Ziel sie verfolgten. In seinem Kopf tauchten wieder die Bilder jenes Tages auf, die er vergeblich versuchte zu vergessen. Seine Hände fingen an zu zittern, als er wieder den kalten, leblosen Körper in seinen Armen spürte. Und wieder hörte er die Worte des Großmeisters in seinem Kopf wiederhallen: „Es war unausweichlich, Damian. In einem solchen Kampf sind Verluste unausweichlich. Wir würden diesen Krieg nicht gewinnen ohne sie, denn jedes Opfer, das wir bringen, ist ein weiteres Gewicht auf der Waage dieser Welt, das die Menschheit wieder ins Lot bringt. Das sind wir dieser Welt schuldig!" Er war aber nicht bereit gewesen. Er wäre es nie gewesen. Nie wäre er bereit gewesen, in einem Krieg, in dem es keinen Sieger gab, einen so hohen Preis zu bezahlen. Sie befanden sich jetzt bereits schon seit knapp 3000 Jahren im Krieg mit dem Wesen des Lichts und noch immer schien niemand begriffen zu haben, worum es eigentlich ging.

Ein Geräusch ließ Damian hochfahren und riss ihn aus seinen Gedanken. Eine Gruppe, in schwarze Kutten gekleideter Gestalten, standen in der ferne um ein frisches Grab herum und begannen mit ihrem Trauergesang. Die Lichtwesen hatten einen weiteren Kampf gewonnen, ein weiteres Gewicht war hinzugekommen, doch die Waage der Welt kam immer mehr ins Ungleichgewicht. Damian hörte die Schreie und Klagerufe, die den Schmerz der Trauernden in die Welt hinaustrugen. Er versuchte seinen Blick abzuwenden und sein Blick fiel auf das Grab, vor dem er noch immer kniete. Die Schmerz vergrößerte die Kluft in seinem Herzen und ein Gefühl des Versagens und der Hilfslosigkeit breiteten sich in ihm aus: „Verzeih mir, Bruder! Ich habe dich im Stich gelassen."

~Liam~

Liam hatte das Gefühl zu fliegen. Seine Schlittschuhe führten ihn wie von selbst über das Eis und er konnte endlich wieder frei atmen. Der ganze Stress der Uni ließ von ihm ab und er genoss das Gefühl einfach nur über das Eis zu gleiten, während er mit seinem Schläger den Puck vor sich her führte. Er konzentrierte sich einzig auf die Scheibe vor ihm und blendete alles andere einfach aus. Als er sich der Bande näherte, holte er aus und leitete seine ganze Kraft in seinen erhobenen rechten Arm, um ihn dann in einem schnellen Bogen nach unten in einen Schlagschuss zu führen. Er spürte die Dynamik dieser Bewegung und genoss das laute Knallen, als der Puck in voller Geschwindigkeit gegen die Bande schlug. Er bemerkte, dass Brad hinter ihm stand und ratlos den Kopf schüttelte: „Ich frage mich immer noch, wie du das schaffst! Bei mir sieht das mehr so aus, als wollte ich eine Fliege verscheuchen!" Liam zog belustigt eine Augenbraue hoch und munterte seinen Freund auf: „Du machst das doch richtig gut. Das einzige, auf das du noch achten musst, ist, dass du deine Füße parallel zur Bande stellst." „Danke. Ich versuch's wann anders mal. Um ehrlich zu sein ist es schon spät und die Eishalle macht gleich zu. Ich weiß zwar, dass du nichts gegen eine Nacht in der Eishalle hättest, aber ich schon, denn ich friere!" Und damit drehte er sich auch schon um und fuhr zur Bandentür. Liam sah ihm lächelnd hinterher. So liebenswert sein Freund auch war, von seinen Launen konnte einem schwindelig werden!

Als sie eine halbe Stunde später aus der Eishalle in die kalte Nacht traten, kamen ihnen bereits kleine weiße Flocken entgegen, die im Licht der Straßenlaternen einen Walzer tanzten. Liam sah sich seufzend um und genoss den kalten Wind, der seine Haare zerzauste. Er war froh, dass es bis zum Sommer noch lange dauern würde. Bis dahin konnte er sein Leben in vollen Zügen genießen. „Ich werde dann mal heimgehen. Bis morgen Liam!" Brad wollte sich schon umdrehen, als sich plötzlich sein Blick verdunkelte, als er an der Straßenecke eine dunkle Gestallt entdeckte. „Brad, ist irgendetwas?" Liam sah seinen Freund besorgt an. Dieses Verhalten kannte er nicht von ihm. Plötzlich spürte Liam wie ihn jemand von hinten grob anrempelte. Ein vollkommen in Schwarz gekleideter Mann stürmte an ihm vorbei. Liam versuchte ihn festzuhalten, als plötzlich seine Beine unter ihm nachgaben. In der Ferne konnte er hören, wie jemand seinen Namen rief, bevor er in unendlicher Dunkelheit zu ertrinken drohte.

The Lord of the NightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt