Arillas 1973, man hatte ihn aus der Großstadt Hamburg in die idyllische Kleinstadt zu seinen Großeltern gebracht. Er saß als gelangweilter fünfjähriger Sohn in diesem Fischerdorf fest.
Er war kein Werwolf, Vampir oder Gespenst. Und er war auch keine namenlose Kreatur, aus dem Hexenwald. Er war nur ein Kind das tödlich gelangweilt war und dem Dorf so viele Albträume mit seinen Streichen verursacht hatte, weil er unfähig war , sich in diesem Fischerdorf anzupassen.
Aber selbst in unserer aufgeklärten Zeit, gab es in Arilla die eine oder andere Mutter – vielleicht auch eine Großmutter –, die ihre Kinder zur Ordnung rief, indem sie ihnen erzählten, dass etwas böses sie holen würde wenn sie nicht gehorchten.
„Da draußen ist er.", höre ich meine Großmutter flüstern, wenn der Wind durch den Schornstein fuhr und pfeifend über den alten Topfdeckel strich, den ich in das Ofenloch geklemmt hatte. „Da draußen ist er und wenn du nicht brav bist, ist es vielleicht sein Gesicht, das durch das Schlafzimmerfenster schaut wenn außer dir, alle im Hause schlafen; vielleicht starrt sein lächelndes Gesicht dich mitten in der Nacht aus dem Schrank an? In der Hand das Rasiermesser ... deshalb seid schön ruhig, Kinder." ...
Aber nicht ich! Kurz nach Mitternacht wachte ich auf und musste auf die Toilette. Ich stand auf und ging im Halbschlaf nach draußen zur Französischen Toilette. Den weißen Lichtstreifen vom Mond folgend, die auf die angelehnte Toilettentür fiel, wobei ich schon die Pyjamahose herunterzog. Ich urinierte eine Ewigkeit und in diesem Augenblick, sah ich die Kreatur in einer Ecke. Sie hockte ganz unten und der Kopf saß zwischen einen fetten Körper. Die Augen waren bernsteinfarbene Höhlen. Mein Highlight des Tages: Eine Fette Rate gefangen zu haben! Aber ganz allmählich, löste sich die Spannung. Ich dachte nach ... Und dann wieder ein Kreischen, das den Wind draußen in der Nacht übertönte. Ein dünnes Geräusch so hoch, dass vielleicht nur Hunde oder kleine Jungen, die nachts nicht schliefen, es hören konnten. Die Ratte war eingewickelt und gefangen, in meinem Pyjama und dann ging's ab in einem Schuhkarton.
Und in dieser Dunkelheit, verbarg sich das kleine Ungeheuer. Die weiße Sichel des Mondes, stieg am Himmel auf. Weit weg bellte irgendwo wütend ein Hund und verstummte wieder.
Am nächsten Abend sah ich am Hügel am Strand, mehrere Leute sitzen. Auch meine Oma und der hundertzweijährige Pitscho Blumis, der noch ein letztes Mal gewaltig furzte, bevor er seine Pfeife in den Mund steckte.
Der Alte war schon so senil gewesen, dass ein Gespräch mit ihm die gleiche intellektuelle Herausforderung bedeutete wie der Versuch, sich mit einer leeren Milchdose zu unterhalten.
Meine Oma war nicht annähernd so senil, wie Pitscho Blumis gewesen war. Und auch nicht annähernd so alt. Aber mit dreiundneunzig, hatte sie immerhin ein beachtliches Alter erreicht und es machte ihr nicht nur Spaß, den resignierten - oft verkaterten - Pitscho Blumis zu necken.
Und mit dem Wetter kannte sie sich aus. Das Dorf war sich darüber einig – jedenfalls die älteren Leute, die sich für diese Dinge interessierten –, dass Oma sich in drei Dingen niemals irrte: Wann im Sommer die erste Touristen kamen, wie gut (oder wie schlecht) die Olivenernte ausfallen würden, und wie das Wetter sein würde.
Sie rauchten alle Pfeife und schauten alle auf das Meer. „ Man müsste Geld haben, dann könnte ich den ganzen Tag hier sitzen und das tun was ich will.", sagte Pitscho Blumis der ein Gesicht hatte, wie ein alter Lederkoffer. Meine Oma drehte sich um und sagte: „Aber das tun wir doch schon alle hier, seit Jahren." , und fing an ein Lied zu singen. „ Tit a thelies ta Lefta." (was willst du mit dem Geld")
Wofür willst du das Geld? Verbrenn es, warum willst du es? Es geht nur von Hand zu Hand, feiern wir das Leben hier. Wir alle werden nur Zwei Meter Boden haben....
Alle schauten auf die alte Dame, die eine geheimnisvolle Verbindung zwischen Sänger und Publikum nun hatte.
Es entstand eine herrlich entspannten Atmosphäre. man hatte das Gefühl, eine Zeitreise hinter sich zu haben. Es gab weder Autos, noch ein aufregendes Nachtleben – stattdessen bestach Arillas, mit einer authentischen Stimmung. Man lies sich von den Einheimischen etwas über die Geschichte des Dorfes erzählen.
Plötzlich rannte eine laut kreisende und brennende Ratte auf die gemütlichen Gruppe zu. Inzwischen hatte das Tier, ein brennendes tiefbraunes Fell, das fürchterlich qualmte und stank. Der ganze Qualm umhüllte die Leute, die nun in Panik gerieten. Voller Angst, sprangen sie auf und stießen zugleich ineinander. Gossen aus Reflex, dass was sie in den Händen hielten (meist Ouzo) , auf das brennende Vieh. Dadurch loderte es aber umso mehr. Viele stolperten und fielen auf dem Boden. Andere traten auf die brennende Ratte ein, um das Feuer zu löschen, was eher noch lauteres Geschrei hervorrief.
Die Ratte stand im Mittelpunkt von Flammen. Lodernd und grässliches Geschrei, ging von ihr aus. Grauen und Schrecken, vereinigten sich zu einer bösen Mischung.
Ein lautes diabolisches Lachen, durchbrach brutal die trügerische Stille des Sommerabends.
Zurück blieb ein hellrotes, feuriges Leuchten, das sich rasend schnell um die eigene Achse drehte.

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Die Ratte
NouvellesEr war kein Werwolf, Vampir oder Gespenst. Und er war auch keine namenlose Kreatur, aus dem Hexenwald. Er war nur ein Kind das tödlich gelangweilt war und dem Dorf so viele Albträume mit seinen Streichen verursacht hatte, weil er unfähig war , sich...