Doomstale

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Wie lange sollte das noch so gehen? Wie lange sollte sie noch die Partner wechseln, Sex haben, bis sie schwanger wurde? Wie lange noch? Warum bestrafte Gott sie so sehr? Was hatte sie ihm getan?

Alessia starrte an die Wand. In ihrer Hand lag ein Schwangerschaftstest. Zwei Striche. Schwanger. Sie hatte es geschafft. Sie würde ein Kind bekommen. Tränen der Erleichterung flossen über ihre Wangen.

Ihr derzeitiger Freund, 29 Jahre alt, schien ihr Weinen gehört zu haben, deutete es aber falsch. ,,Schatz?", fragte er sanft, leise. Seine Augen zeigten Mitgefühl, bis sie sich langsam und wackelig erhob, mit einem breiten Lächeln auf ihn zu kam. ,,Schwanger.", hauchte sie strahlend.

Er schüttelte nur ungläubig seinen Kopf, wich zurück. ,,Wir sind jung. Traust du uns wirklich so viel Verantwortung zu? Alessia, wir sind nicht einmal 30! Verdienen wir überhaupt genug um ein Kind großzuziehen? Hast du darüber schon mal nachgedacht? Über unsere Zukunft? Wenn wir ein Kind nicht ernähren können?", schrie er sie an.

"Natürlich habe ich das! Schon oft!", schrie sie zurück, ihre Freudentränen wurden zu Tränen der Verzweiflung, des Trauerns.

Er verließ sie. Zog aus der Wohnung aus. Ein Kind wäre zu viel für ihn, behauptete er.

Sie brauchte nicht lange um sich von der Trennung zu erholen. Es war nichts ungewöhnliches mehr.

Es würde ein Mädchen werden. Sie würde eine kleine Prinzessin bekommen.

Ihr Weg führte in den Baumarkt. Ein sanfter Rosaton für die Wände, ein Babybett in einem weiß-blau.

Mit Liebe gestaltete sie das Zimmer, auch wenn es alleine zwei Monate dauerte, bis es eingeräumt war, bereit bewohnt zu werden. Nur würden bis dahin noch drei Monate vergehen.

Schmerzen. Unerträgliche Schmerzen. Es brannte wie Feuer, oder Säure, die ihre Haut verätzte.

Eine Krankenschwester hielt ihre Hand, ließ sie sich zerquetschen. "Es wird alles gut werden, Frau Lorens. Pressen Sie nur. Ihre Tochter ist bald auf der Welt."

Sie schrie. Vor ihren Augen tanzten schwarze Flecken, Schweiß lief über ihr Gesicht. Warum tat eine Geburt nur so sehr weh?

Ihr Körper bäumte sich ein letztes Mal auf, erwartete ein Schreien ihres Kindes.

Doch dies blieb aus.

Verwirrt blickte sie in die Gesichter der Ärzte und Helfer, suchte nach einem Lächeln, jemandem der ihr ihre Tochter gab.

Nur mitleidige Gesichter, traurige Menschen, entdeckte sie.

"Was ist mit ihr? Wo ist meine Tochter?", fragte sie, ihr Atem schien schneller zu werden. Eine Vorahnung bahnte sich in ihre Gedanken.

"Es tut uns leid, es Ihnen mitteilen zu müs-"

"NEIIIIIN!", ihr Schrei hielt an, bis ihre Stimme versagte. Stumme Tränen rannen über ihr Gesicht, tropften auf das Hemd, was sie trug.

Ihr Körper erzitterte immer und immer wieder, Schluchzer entwichen ihr immer wieder.

Sie wurde entlassen. Eine Woche nach der Geburt. Ohne Kind. Ihren Job brach sie erst ab, bekam sogar Verständnis dafür.

Aber sie alle verstanden es nicht. Sie konnten es nicht verstehen. Sie hatten diese Leiden nicht durchgemacht. Sie hatten diese Verluste nicht erlebt. Sie hatten diese Schmerzen nicht gespürt.

Alessia konnte nicht mehr. In ihrer Wohnung lag sie nur noch auf dem Boden des Kinderzimmers, starrte die Decke an, in ihren Armen ein kleiner Hase aus Plüsch. Ein Stofftier, was ihrer Tochter hatte gehören sollen.

Doomstale [Creepypasta]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt