7 Jahre zuvor
Die letzten Sonnenstrahlen des Tages fielen auf eine kleine Hügelkette hinter dem Wald und zögerten die Nacht ein wenig hinaus.
Nicht weit hinter den Bäumen konnte man eine Mutter mit ihrer Tochter sehen. Das Mädchen saß auf einer roten Schaukel, die in einer älteren Buche hang und schaukelte dem, langsam dunkel werdenden, Himmel entgegen.
Dort waren bereits die ersten Sterne zu sehen.
Das Lachen, dass erklang während sie von ihrer Mutter immer höher geschaukelt wurde, schallte durch den, sich zum Ende neigenden Sommer.
„Höher, Mum! Höher!", rief sie und ihre Mutter schaukelte sie höher.
Das war der Moment, in dem das Mädchen fliegen konnte. Da war nichts, was ihr Sorgen bereiten musste.
Oder?
Der Mutter stockte der Atem.
Sie schaute auf den Rasen unter der Schaukel.
Entsetzt legte sie ihre Hände auf den Mund und unterdrückte einen Schluchzer.
Sie drehte den Kopf, schaute auf die Schatten der umher stehenden Bäume, auf den der Schaukel und dann auf den Punkt, wo eigentlich der ihrer Tochter sein musste.
Doch da war nichts.
Sie fragte sich, warum ihr das nicht schon längst aufgefallen war.
Die Frau schüttelte ungläubig den Kopf.
Das konnte doch nicht wahr sein, oder? Das durfte nicht wahr sein.
Sie wusste was das bedeutete.
Dem Mädchen, das gerade dem Himmel entgegen sah, fliegen konnte und einfach nur glücklich war, würde eine grausame Zukunft bevorstehen.
Denn sie war eine von ihnen.
Ihre Tochter drehte den Kopf nach hinten und ihr Lachen verstummte, als sie ihre Mutter ansah.
„Mum? Ist alles gut?", fragte sie besorgt.
Die Frau wischte sich die Träne weg, die sich lautlos ihre Wange hinunter gebahnt hatte und nickte schnell.
„Ja, es ist alles gut. Mir ist nur gerade aufgefallen, wie spät es schon ist.", schob sie noch hinterher und hoffte, dass es für Willow, ihre Tochter glaubwürdiger klang, als für sie selbst.
„Ich lese dir noch was vor, und dann gehst du schlafen, okay?", fragte sie und das Mädchen sprang von der Schaukel, griff ohne ein weiteres Wort nach ihrer Hand und zog sie zu dem kleinen Haus, dass nicht weit entfernt von ihnen stand.
Die Hand der Mutter zitterte, doch das schien das Kind nicht zu bemerken. Als sie dann im Haus waren, atmete die Frau einmal tief ein und wieder aus, bevor sie zielsicher auf eines der Regale, etwas weiter hinten im Wohnzimmer zuging.
Ihre Hand wanderte zu einem ausgeschnittenen Zeitungsartikel, der zwischen den Buchseiten versteckt war.
Sie strich ihn einmal glatt und drehte sich dann wieder zu ihrer Tochter um, die ihr erwartungsvoll entgegen sah.
„Mum, was ist das?", fragte sie neugierig und trat näher.
„Ein Zeitungsartikel.", antwortete sie und setzte sich auf das Sofa. Das Mädchen tat es ihr nach und die Frau fing an, zu lesen.
„Wir trauern um alle Gefallenen. Es sind zu viele.", fing sie an.
„19. Mai." Die Mutter stockte schon nach den ersten Sätzen.
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Schattenspieler
Fantasy~Wenn die Schatten dunkler sind als jede Nacht~ Dies ist die Geschichte von Willow, die vor sieben Jahren von ihrer Mutter im Stich gelassen wurde, seitdem in einem Heim lebt und merkt, dass sie anders ist als die anderen Bewohner dieser seltsamen S...