12 Jahre später
Sachte legte Lucy ihre eiskalten Finger an den Schaft ihres Dolches. Ohne einen einzigen Laut von sich zu geben, zog sie es aus dem Lederriemen an ihrer Hose und erhob es. Man hätte meinen können, der Hinterkopf des Infizierten bestünde aus Butter, so leicht glitt die Klinge hinein. Mit einem dumpfen Knall sank er zu Boden, das Messer immer noch im Kopf. Lucy atmete aus und bildete dabei eine kleine weiße Wolke, die sich sogleich verflüchtigte. Mittlerweile hatte es zu schneien begonnen, es war der erste Schnee den Lucy dieses Jahr zu Gesicht bekam. Der Winter brach über sie herein wie eine unbarmherzige Mauer des Todes. Letztes Jahr waren drei ihrer Gruppenmitglieder während einer Expedition erfroren, und der jetzige Winter begann schon viel zu früh. Edmund machte große Augen. 'Woooow', stieß er flüsternd hervor. 'Versuch es', sagte Lucy, lächelte ihn an und drückt ihm ein kleineres Messer in die Hand. 'Du musst darauf achten, dass dein Gewicht auf deinem hinten stehenden Bein liegt. Deine Füße müssen einen 45° Winkel bilden', erklärte Lucy und fummelte ein wenig an seiner Haltung herum. 'Genau so. Und jetzt legst du den Griff auf deine offene Handfläche. Ja, genau. Jetzt musst du die Finger von unten um den Griff legen und deinen Daumen nach oben. Perfekt. Und jetzt wirf es da auf den Baumstumpf'.
Die Klinge verfehlte ihr Ziel nur knapp und Edmund stöhnte genervt auf. 'Versuchs direkt nochmal, der Ansatz war super. Ich hab das ja auch nicht direkt beim ersten mal hinbekommen'. Edmund trottete dem Messer hinterher und wühlte in dem trockenen Laub herum. Als er sich aufrichtete, wippten seine dunklen Locken und er wischte sie sich aus dem Gesicht. Er zielte erneut, und diesbal blieb das Messer tatsächlich in der knorrigen Rinde stecken. 'Wow Ed, das war echt gut!' stolz wuschelte Lucy ihrem Bruder durchs Haar. Dieser hatte überrascht die Augen aufgerissen. 'Hast du das gesehen Lu? Ich hab echt getroffen! Ich bin ein Naturtalent!', aufgeregt lief er los um das Messer zu holen, nur um es wieder in dem Stamm zu versenken. Diesmal traf er schon fast die Mitte des Stumpfes. 'Was macht ihr hier draußen in der Eiseskälte, ihr holt euch noch den Tod!' Freds zotteliger, weißer Bart fing die dicken Schneeflocken auf. Die Krempe seines alten Hutes war bereits vollends mit Schnee bedeckt, als er bei ihnen ankam. 'Ich bringe Ed nur Messerwerfen bei', sagte Lucy und hielt Fred eine Hand hin. Dieser ergriff sie sofort und die Wärme flutete durch ihre Finger. 'Sieh mal Grandpa, ich hab's schon echt oft hingekriegt!' Mit diesen Worten schleuderte Edmund das Messer erneut, es blieb zitternd stecken. Stolz grinste er Fred an. 'Toll mein Junge, ich bin beeindruckt! Jetzt lasst uns aber rein gehen, es ist für diese Jahreszeit verdammt kalt'. 'Warte einen Moment, schau dir den Infizierten an, ich glaube der ist noch nicht lange verwandelt', sagte Lucy. Prüfend drehte Fred den Toten auf den Rücken und musterte ihn. Die Haut war zwar bleich und faltig, jedoch noch vollkommen intakt. Nur einige Blutergüsse zierten sowohl seine Arme als auch Beine. Außerdem hatte er eine klaffende Bisswunde am Hals. Das war es aber auch schon. 'Das ist nicht gut. Der ist wirklich erst ein paar Stunden alt, wir sollten aufmerksam sein. Neue Infizierte kommen selten alleine'.
Fröstelnt und sich wachsam umschauend liefen die drei zurück zum Bunker. Die Gemeinschaft war seit Lucys Aufnahme erheblich geschrumpft. Außer Fred, Edmund und Lucy gab es nur noch Dijego, Clair, Tylo und sechs andere.
DU LIEST GERADE
Das letzte Erbe der Menschheit
HorrorDie Welt steht kurz vor ihrem Untergang. Die wenigen übrig gebliebenen Menschen fürchten sich vor einer scheußlichen Krankheit, die überall ihr Unwesen treibt. Wer von ihr heimgesucht wird, verwandelt sich zu einem Ungeheuer, welches seine eigene Mu...