Natalies Wunsch nach Bier

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"Niici Alter!" - "Was?" - "Wat hier los, wo geht's denn jetzt hin?" - "Jajajaja, ich sag' doch, das wird nichts Leute!" - "Boah ne, ich hab's Bier vergessen!"

Augen verdrehen, Rucksack auf den Boden werfen, ein Machtwort sprechen: "So jetzt ist hier aber mal Ruhe!" Man konnte nicht sagen, dass Alena die Situation unter Kontrolle hatte. Aber sie hat sich immerhin bemüht. "Jetzt gehen wir einfach mal los und gucken wo's hier lang geht!"

Brrt brrt, das Vibrieren eines Smartphones unterbrach den Ordnungsversuch. Niici sah Natalie an, Natalie sah Alena an und die versuchte verzweifelt die Sachen aufzusammeln, die aus ihrem Rucksack gefallen waren, nachdem sie diesen auf den Boden hatte fallen lassen. "Ok wem war das jetzt?", fragte Natalie, während sie in ihrer Tasche, in der man zwei Grundschulklassen hätte unterbringen können, nach ihrem Handy kramte.

"War meins...", nuschelte Niici, als sie bereits eine Antwort eintippte. "Julia steht hier irgendwo rum, die sollten wir mal suchen!"

"Ja hab ich doch gesa-", doch Alena wurde von Natalie unterbrochen: "Aber ich will noch Bier!"

Die Blicke der anderen ließen sie allerdings deutlich spüren, was die von der Idee hielten. "Ooookay - wo ist Julia denn jetzt?", fragend wandte sie sich an Niici, die immer noch auf ihr iPhone starrte. "Ja weiß sie nicht, die war hier noch nie.", kam sofort die Antwort. Voller Tatendrang - oder vielleicht auch etwas genervt, das wusste sie selbst nicht so genau - schritt Alena voran, mit einem klaren Ziel vor Augen: die hilflose Jungfrau Julia aus den Fängen des Flughafengewimmels zu befreien.

"Ey Öko-Babo, and're Richtung", hörte sie nur jemanden hinter sich rufen. Unbeirrt sagte sie nur "Achso" und setzte ihre Mission in die andere Richtung fort.

Julia blickte zum gefühlt tausendsten Mal auf ihre Uhr. Die anderen hatten sie doch schon lange abholen wollen. Tatsächlich wusste sie nicht einmal, wer in diesem Fall 'die anderen' waren. Da sie sich alle in Berlin treffen wollten, um zusammen endlich live bei der Aufzeichnung von Circus HalliGalli dabei zu sein, hatte sich auch jeder für ein anderes Verkehrsmittel entschieden. Und wie man ja weiß, ist in Deutschland nichts riskanter als darauf zu vetrauen, dass man irgendwo pünktlich ankommt. Sie hatte Glück gehabt, ihr Flugzeug war pünktlich - also nur ca. 25 Minuten Verspätung nach offiziellem Stand - am neuen Berliner Flughafen BER angekommen.

Zu Niici hatte sie bereits Kontakt aufgenommen, um ihr zu erklären, wo sie sich ungefähr befand. Anscheinend ohne Erfolg. "Wir sind gleich da!" hatte sie schon vor - erneuter Blick auf die Uhr - 34 Minuten gesagt bekommen.

Also begann sie die anderen Fluggäste zu beobachten, was sollte sie sonst tun? Der Akku ihres Telefons war so gut wie leer und musste für den Fall, dass sie am Ende doch auf sich gestellt war, noch am Leben gehalten werden.

Ein 'very important businessman' nach dem anderen eilte mit genervtem Gesichtsausdruck an ihr vorbei. Eine dünne schwarze Aktentasche unter dem Arm und einen Becher noch schwärzeren und dünneren Flughafen-coffee-to-go in der Hand, zu dessen Preis sich Julias Familie letztes Jahr einen Kleinwagen angeschafft hatte.

Auf jeden Businessman folgte eine genervte Mutter mit ihrem schreienden, klebrigen Kind auf dem Arm, die einen überteuerten Flughafen-coffee-to-go mehr als nötig gehabt hätte. Das dafür nötige Kleingeld hatte sie aber schon in den zweiwöchigen 'Entspannungs-'urlaub mit ihrer besten Freundin Mandy auf Mallorca investiert. Und da die alleinerziehende keine bessere Idee für ihn hatte, musste sich Sohn Kevin eben mit ins Abenteuer stürzen.

'Ok, dass die Sommerpause erst IN den Sommerferien beginnt ist ja schon super, aber warum die ganzen Touris, Alter?', fragte sich Julia innerlich seufzend, während sie Kevins Mutter dabei zusah, wie sie ein Gläschen Babybrei aus der Jackentasche popelte, während Mandy das zugehörige Baby mit bösen Blicken musterte und vergeblich versuchte, vom schreien abzuhalten.

Plötzlich wurde das Familienidyll gewaltsam von drei Teenagern zerstört, die sich eilig an ihnen vorbeizwängten und dazu beitrugen, dass der Babybreilöffel aus den mit pinken French Nails geschmückten Händen von Kevins Mutter glitt und auf den Boden klatschte. (Wie die Besitzerin dieses wunderschönen Nagelschmucks hieß, hatte Julia leider nie erfahren. Bei den anderen beiden "RUHIG JEZ' KEVIN GIB'JA GLEICH WAT'SU ESS'N" und "BOAH MANDY EY" war das nicht allzu schwierig gewesen.)

Diese drei Teenager waren aber nicht irgendwelche drei Teenager, wie Julia erfreut feststellen konnte.

"Sorry Julia, Natalie wollte unbedingt noch Bier kaufen, keine Ahnung, frag nich', ne", wurde sie von Alena begrüßt.

"Ja ich hatte hier doch voll viel Spaß", antwortete Julia und wurde dafür von Alena fragend angestarrt. Sie verdrehte nur die Augen und drückte erstmal jeden an sich.

Nach Bergen an herzlichen Begrüßungen und Umarmungen - Küsschen rechts, Küsschen links - bahnten sich die Vier einen Weg aus dem Gelände des Flughafens hinaus in die Freiheit.

Nicht wenige mürrische Businessmen, genervte alleinerziehende Mütter, brabbelnde Touris und überforderte Air-Berlin-Mitarbeiter warfen ihnen dabei böse Blicke zu. Diese Jugend von heute, keinen Respekt und immer müssen die sich vordrängeln!

Endlich in weniger dicht gedrängten Gegenden angekommen, blieben die fantastischen Vier der Fangirl-Gruppe stehen, da Julia fast am Rande eines Nervenzusammenbruches stand. In gefühlter Überlichtgeschwindigkeit hatte sie ihren Koffer meilenweit umhergeschleppt, dieser hatte nicht einmal Rollen, da sie in den praktischen Rollkoffer einfach nicht alles reinpacken konnte. "Man muss auf alles vorbereitet sein!", hatte sie sich gesagt und kurz darauf die Entscheidung für den unpraktischen, dafür aber großen Koffer getroffen.

"Oah Gott, ich bin so fertig und müde...", brachte sie unter heftigem Atmen gerade noch hervor.

"Ja eigentlich wollten wir noch Jeanne und Vivien vom Bahnhof abholen...", begann Natalie vorsichtig ihren Satz, doch anstatt ihn wie geplant zu beenden, änderte sie ihn nach Julias Basiliskenblick doch zu deren Gunsten: "... aber Niici kann ja schon mal mit dir zum Hotel gehen und ich geh die beiden mit Alena abholen!"

"Hotel?", sagte Alena sarkastisch entsetzt. "Das was wir da haben kommt raus, wenn sich eine siffige Jugendherberge und ein Frauenknast paaren!"

Das große Abenteuer der ShortlegsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt