Zwei Wochen waren seitdem vergangen. Cassandra hatte nie aktiv daran gedacht zu unterrichten. Aber jetzt, da sie Hagrid für dieses Jahr vertreten durfte, freute sie sich darauf. Vielleicht gab es ja wenigstens einen Schüler der sich ernsthaft für die Arbeit mit all diesen schönen und schaurigen Geschöpfen interessierte. Aber bevor das Schuljahr begann, gab es noch eine andere Veranstaltung auf die sie sich freute: Die Quidditch-Weltmeisterschaft. Cassandra hatte nie gespielt, aber die Spiele gerne verfolgt. Und so eine WM war immer eine tolle Möglichkeit, alte Freunde wieder zu sehen.
Schon von weitem hörte sie sie kreischen. „AHHHHHH Cas!!!" Ginny sprintete geradewegs in ihre Arme und die beiden umarmten sich lang und herzlich. „Ich hab dich so vermisst. Du musst mir alles erzählen. Wo warst du zuletzt? Deine letzte Postkarte war der Hammer. Ich muss dich unbedingt mal begl-." „Ginny-Schatz, jetzt lass Cassandra doch erst mal Luft holen und Ankommen", sagte Molly Weasley und umarmte Cassandra. „Schön, dich hier zu haben. Du warst viel zu lange nicht hier. Die anderen sind auch schon da." „Ich habe euch auch vermisst und freue mich sehr, dass wir uns endlich alle wieder sehen". Cassandra klang ruhig, aber innerlich war sie doch etwas nervös. Das ist doch bescheuert. Es ist so viel Zeit vergangen. ‚Alle' bedeutete nämlich, dass auch Charlie schon da war.
Als Cassandra zusammen mit Ginny und Molly das Haus betrat, hätte sie fast geweint. Alles kam ihr so vertraut vor. Nichts hatte sich seit ihrem letzten Besuch geändert. Die Gerüche und Geräusche lösten eine Woge der Erinnerung aus. An schöne, unbeschwerte Zeiten, in denen dieses Haus ihr zweites Zuhause gewesen war. Und dort, an seinem gewohnten Platz zwischen Fred und Bill, saß Charlie und lächelte sie an. „Hi", sagte er einfach. „Hi", erwiderte Cassandra. Einen kurzen Moment herrschte Stille und die beiden schauten sich einfach nur an. Doch dann polterte etwas die Treppe herunter.
„Dein bescheuerter Kater kann nicht mal einen Ball fangen!" „Das kann er sehr wohl. Er kann dich nur nicht leiden!" Drei Gestalten kamen die Treppe herunter, von denen Cassandra bloß eine kannte. Ron kam in Begleitung eines blonden Mädchens und einem Jungen mit dunklen Haaren und Brille. Die beiden stellten sich als Hermine und Harry vor und nachdem auch die anderen Weasleys in der nun recht engen Küche unter großer Wiedersehensfreude Platz genommen hatten und sich Cassandra zwischen Ginny und Ron und genau gegenüber von Charlie wiederfand, wurde gegessen, gelacht und viel erzählt. Es fühlt sich genauso an wie damals. Wie Zuhause. Ein Stich durchfuhr sie. Sie war nicht zu Hause. Sie hatte diese Familie verlassen, als sie ihn verlassen hatte. So viele Jahre später zweifelte sie allerdings an ihrer Entscheidung. Das war nicht das erste Mal, aber es war das erste Mal, dass sie hier war. Und das erste Mal, dass sie fast nicht mehr atmen konnte. Sie musste hier raus.
„Entschuldigt mich kurz." Sie flüsterte fast und wäre auch fast über ihre Füße gestolpert als sie auf die Tür zum Garten zuhielt. Als sie die Tür hinter sich zuzog atmete sie tief und rasselnd ein. Bloß nicht die Nerven verlieren. Sie ging ein paar Schritte ins Feld hinaus und lauschte einen Augenblick dem Roggen im Wind. Leichte Böen wehten über das gesamte Feld und der Mond war hell und stand voll hoch oben am Himmel. Es war so friedlich als würde es nichts Schlimmes auf der Welt geben. Sie hörte die Tür aufgehen und Schritte näherten sich.
Jemand stand direkt hinter ihr, zögerte jedoch einen Moment. Dann umarmten zwei Arme sie von hinten und sie roch Charlies unverkennbaren Geruch nach Natur und seinem Parfum. Er trägt es noch immer. Cassandra ließ sich automatisch leicht nach hinten fallen und lehnte ihren Kopf an. „Schön, dass du hier bist. Es ist lange her", flüsterte Charlie ihr ins Ohr. Beim Klang seiner Stimme so nah bekam Cassandra leichte Gänsehaut. „Ja, wir sind beide lange nicht zusammen hier gewesen. Schau doch nur, wie friedlich alles ist." Eine Weile schauten sie einfach nur aufs Feld hinaus und ließen den Moment auf sich wirken. Charlie drehte sie leicht. „Komm, sag mir mal richtig ‚hallo'." Cassandra lächelte in sich hinein, drehte sich um und legte die Arme um Charlies Hüften. Er war ein ganzes Stück größer als sie. Sie hatte sich immer beschützt in seinen Armen gefühlt. Charlie drückte sie an sich und gab ihr einen leichten Kuss auf die Stirn.
„Erinnerst du dich noch an Nott?" „Den ungarischen Hornschwanz?", fragte Cassandra verwirrt und hob den Kopf um ihn anzublicken. „Wie kommst du denn jetzt auf den?" „Ich habe ihn letztens gesehen und da musste ich an deine Brandverletzung denken als du ihn füttern wolltest." Charlie mühte sich ab, nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. „Hey," sagte Cassandra gespielt wütend „das tat ziemlich weh. Und hätte mir jeeemand –„ dabei stieß sie ihn mit dem Zeigefinger auf die Brust „nicht erzählt, dass Nott sooooo gerne Äpfel isst, wäre meine Hand auch nicht halb abgefallen." „Jetzt übertreibst du aber. Deine Hand ist nicht halb abgefallen. Ich habe sie geheilt und ich glaube, du hast keinen bleibenden Schaden genommen. Zeig mal." Er nahm ihre kleine Hand in seine und inspizierte sie näher. Dann verwob er ihre Finger miteinander.
Beide schauten erst auf ihre Hände. Dann, ganz langsam, wandten sie sich einander zu und sahen sich an. Er ist noch immer so wahnsinnig gutaussehend. Und einfühlsam. Und herzlich. Und witzig. Und er sagt und tut immer das Richtige. Ich bin so ein Idiot. Er hat Besseres verdient. Cassandra löste sich langsam aus der Umarmung und entfernte sich ein paar Zentimeter. Sie brauchte dafür ihre ganze Willenskraft und beinahe wäre sie schwach geworden. „Es tut mir so leid", sagte sie halb zu Charlie und halb zu sich selbst. „Was denn? Es ist doch alles okay." „Einfach... alles. Ach, egal. Komm, lass uns wieder rein gehen. Bestimmt streiten Fred und George wieder mit deiner Mom. Das will ich nicht verpassen." Cassandra machte ein paar Schritte auf das Haus zu und Charlie folgte ihr. Beide schwiegen auf dem kurzen Stück.
Der Abend verlief laut und lustig und irgendwann gingen alle ins Bett. Morgen mussten sie früh aufbrechen, um rechtzeitig zum Turnier zu kommen.
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Nichts verläuft exakt nach Plan
FanfictionNeben der Erweiterung und Weitergabe ihres Wissens in Magizoologie und Verwandlung trifft Cassandra Mariano nicht nur auf eine alte Liebe, sondern findet sich zwischen zwei Männer wieder, die auf unterschiedlichen Seiten kämpfen und auch sonst kaum...