Actio Est Reactio

Gleichgültig blickte ich hinauf auf den Baum. Niemals hätte ich gedacht, dass er so weit gehen würde. Oder doch? Immerhin überraschte es mich nicht. Er tötet auch Menschen einfach so, wieso also nicht auch eine Kuh? Trotzdem kam es mir surreal vor. Fängt man nicht normalerweise mit Tieren an und macht dann mit Menschen weiter. Ich hatte zumindest noch nie gehört, dass jemand dann wieder zurückgesprungen wäre. Aber wer war ich um das zu beurteilen.

Ich stand nur auf einem Hügel und sah den Kopf einer Kuh am Baum hängen. Leider konnte ich nicht behaupten, dass es mich abschreckte. Im Gegenteil. Ich hatte schon Schlimmeres gesehen.

Die Zigarettenschachtel in meiner Jackentasche fand wie von selbst ihren weg in meine Hand. Ich nahm eine heraus, zündete sie an und nahm einen Zug.

Meine Teleschnecke klingelte. Einmal, dann ein zweites Mal. Nach dem dritten Mal ob ich ab. "Ja?", fragte ich nur und wartete ab,was er sagen würde. "Und? Wie findest du es?", fragte er und ich konnte sein Grinsen durch das Telefon hören. Er hielt sehr viel von meiner Meinung. Kein Wunder. Ich war Doffys Liebling, auch wenn er immer behauptete, dass dies nicht stimmte. Jeder wusste, dass er log. Ich nahm einen weiteren Zug. Vielleicht erinnerte ich ihn ein wenig an Corazon. Keine Ahnung. Das war nicht mein Kaffee.

"Passend", erwiderte ich nur. Ein Lachen drang in mein Ohr. Ich hatte etwas gesagt, was ihm gefiel. Mir soll es recht sein. Ein weiterer Pluspunkt bei ihm.

"Glaubst du es wird ihr gefallen?", drang seine tiefe Stimme erneut in mein Ohr. Auch ich gab ein leises Lachen von mir. "Ich glaube eher weniger, aber wer nicht hören will muss fühlen", gab ich krächzend von mir und legte den Kopf schief. Wer nicht auf uns hören will muss eben fühlen. Es war einfach und doch gab es noch immer welche, die das nicht kapieren wollten. Naja, daran konnte ich auch nichts ändern. Irgendwann kommen sie alle drauf.

Er sagte mir noch schnell, wann wir uns im Schloss mit dem Rest der Familie würden und war schon dabei aufzulegen, als ich ihn noch kurz daran hinderte. "Was ist?", fragte er verwundert. "Alles Gute zum Geburtstag Doffy", erwiderte ich. "Danke", drang es, zusammen mit einem Lachen in mein Ohr, ehe er auflegte und ich meine Teleschnecke wieder verstauen konnte.

Ein weiteres Mal betrachtete ich den Kopf des Tieres, welcher an den Fäden des jungen Meisters mitten am Baumstamm hing. Das Blut rann in langen Strängen den Stamm hinunter und Fliegen hatten schon angefangen sich um den Kadaver zu versammeln. Langsam drehte ich mich um und entfernte mich von dem Baum.Auf dem Weg zu meinem Motorrad rauchte ich meine Zigarette fertig und drückte sie am Boden aus.

Als ich gerade meinen Helm aufsetzten wollte, erklang erneut die Teleschnecke. Ich zog die Augenbrauen hoch und hob ab. "Ja?", fragte ich erneut. "Hey Schwesterherz, ich bins. Sag mal ich bin gerade in unserem Stall und habe gemerkt, dass er Lieblingsochse meiner kleinen weg ist. Weißt du was darüber?", fragte sie und ich konnte deutlich die Panik aus ihrer Stimme hören. Sie hatte es also bemerkt. "Wieso sollte ich etwas darüber wissen?",fragte ich und steckte eine Hand in meine Lederjacke. "Nur so", erwiderte sie.

Die Gute wusste genau, dass ich für ihn arbeitete, sein Liebling war und in alles eingeweiht wurde. Wenn jemand etwas wusste, dann ich. Doch wer war ich um ihr die Überraschung zu verderben. Es war ein Geschäft wie jedes andere, dass ich verrichtet hatte. Ich sah ob alles mit seiner Richtigkeit zuging. Ich sollte mir ansehen ob die kleine Überraschung für ihre Übergabe bereit ist. Doch die Beschenkte mussten ihr Glück eben suchen. So findet der junge Meister es eben lustiger. Ich hinterfragte das erst gar nicht. Mein Schwesterherz wollte anscheinend nicht zugeben, dass sie Mist gebaut hatte.

Ich sah nochmals in die Richtung des Baumes. "Nein Liebes, ich habe keine Ahnung, wo er stecken könnte", meinte ich und legte auf.

Wie heißt es so schön: actio est reactio.