Kapitel 1

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Ein weiterer Schuss fiel und zischte links an Ashura vorbei durch die dunkle Gasse. Er blickte sich nicht nach dem Schützen um, wohl wissend, dass ihn dies Zeit und sein Leben kosten würde. Seine Verfolger waren ihm dicht auf den Fersen und ihr Rufen hallte durch die schmalen Gassen Rothenburgs. Ahsura wich nach rechts in eine Gasse, sprang über einen Handkarren, kletterte einen Stapel Kisten hoch, ließ sich dahinter fallen und rollte sich ab, als er wieder auf dem Boden aufkam. Die Jahre an Deck hatten ihn gelenkig gehalten und vom Fliehen hatte er wahrlich viel Ahnung. Seit dem grausamen Tod seiner Familie war er fast immer nur auf der Flucht, doch der Gott der Täuschung stand ihm immer bei und so wurde er noch nie gefasst und kam meistens in einem Stück davon. Doch dies könnte sich schon bald ändern.

König Göran ist echt verdammt hartnäckig und lässt sogar hier in Rothenburg, hunderte verfluchte Seemeilen von seiner Insel, nach mir suchen. Er hatte hier in Rothenburg seine erbeutete Ware verhehlen wollen, doch in einer der Hafenspelunken hing Görans Steckbrief von ihm und er war erkannt worden. Am Ende der Gasse erlaubte es sich Ashura, kurz zu Atem schöpfen und sich umzublicken. Er stand an einer Weggabelung, deren rechter und linker Arm gleichermaßen eintönig aussahen: Kisten und Säcke mit verschiedenem Inhalt, verschlossene Türen, über denen ausgebrannte Laternen hingen und lauter Unrat, wie man ihn in der Gosse einer jeden Stadt finden konnte. Seine Verfolger waren immer noch hinter ihm. Nicht Görans Männer, sonder einfache Halsabschneider, die sich eines schnellen Kopfgeldes bemächtigen wollte. Abschaum, den sicherlich keiner vermissen würde, dachte Ashura und zog zwei der Steinschlosspistolen unter seinem Umhang hervor. Die Gasse, aus der er kam, war schmal und wurde fast vollständig von dem Handkarren und dem Kistenstapel versperrt. Ein passabler Schütze konnte sein Ziel hier kaum verfehlen. Die Rufe kam näher. Ashura ging ein wenig in die Knie, richtete beide Pistolen in Richtung seiner Gegner und wartete bis der erste der Verfolger närrisch genug war, seinen Kopf über die Kisten zu strecken. Der Schuss war gut gezielt und schlug mit einer Blutfontäne oberhalb des Nasenbeins seines Gegners ein. Kein Schrei. Kein zuckender Überlebenskampf. Ein schneller Tod, wie ihn nicht viele bekamen. Der Knall der Feuerwaffe hallte noch durch die Gassen und klingelte Ashura in den Ohren, als das Geschrei der Halunken an Zorn und Beschimpfungen zunahm. Nun warfen sie sich gegen die Kisten und Ashura rannte in den rechten Gang. Seine Pistolen steckte er zurück in seine Holster; er trug immer drei davon bei sich, da es im Kampf viel zu lange dauerte sie nachzuladen. Die Luft war feucht und in der Gasse roch es muffig. Der Hafenbezirk vom an sich recht hübschen Rothenburg war wirklich nicht sehr ansehnlich. Hier wohnten einfache Leute, wie Fischer, Dockarbeiter und Seemänner. Und auf ihren Wegen wurde nun Blut vergossen. Die Gasse wurde nur von einem schmalen Streifen Mittagssonne beleuchtet, welcher zwischen den vorgezogenen Dächern der Häuser hindurchfiel. Weitere Schüsse fielen, doch Loki war mit ihm: Seine Verfolger hatten schlecht gezielt. Ashuras eher kleinerer Wuchs spielte ihm in solchen Situationen oft in die Hände. Schlitternd kam er an einer Kreuzung zum Halt und warf sich in die rechte Gasse, als kurz darauf zwei weitere Kugeln in der Wand hinter ihm einschlugen und faustgroße Steinbrocken aus dem Gemäuer heraussprengten. Wie kommen solche Kerle nur an diese teuren Waffen ran?, dachte er für sich, als er mit flatterndem Umhang und wehendem Haar die etwas breitere Straße hinunterhechtete. Hier war so gut wie niemand anderes zu sehen, da die meisten Bürger zu dieser Zeit ihrer Arbeit am Hafen nachgingen. Diejenigen, die doch dar waren, machten sich schleunigst daran in ihre Häuser zu kommen und die Türen hinter sich zu schließen. Das Leben hier unten war zwar hart, aber immer noch besser, als der bedeutungslose Tod durch die verirrte Kugel einer Schießerei. Bei dem Lärm, den wir verursachen, kann es nicht mehr lange dauern, bis auch die Stadtwache Rothenburgs auf uns aufmerksam wird. Wie um seine Gedanken zu bestätigen, hörte Ashura nun den Klang einer messingen Trompete, wie die Stadtwache sie stets bei sich trug. Bald darauf folgte das Klackern genagelter Stiefelsohlen auf Kopfsteinpflaster und das Scheppern von Metallrüstungen. Aus der Straße weiter vor ihm bogen vier Männer in die Gasse, alle in den rot-gelb-geviertelten Uniformen der Stadtwache. Ashura verlangsamte sein Tempo und warf einen Blick zurück. Auch seine Verfolger hatten die Wächter bereits erspäht, doch ihre Gier nach dem Kopfgeld war zu groß. Es waren noch fünf Männer, allesamt kräftig und groß im Wuchs. Sie trugen schmutzige Hemden und Westen, die die Arme unbedeckt ließen und stellten so ihre vernarbten Muskeln zur Schau. Ihre Hosen reichten nicht ganz bis zu den Knöcheln und ihre Schuhe, wenn sie denn welche hatten, waren abgenutzt und vernachlässigt. Aber sie trugen allesamt Messer, einen Säbel und hier und da noch eine Feuerwaffe, was sie zu sehr gefährlichen Männern machte und sie in einen klaren Kontrast zur sauberen, einheitlich ausgerüsteten Stadtwache stellte, die vor Ashura gerade die Straße versperrte. Hinter den Soldaten konnte er geschäftiges Treiben erkennen. Ashuras Gedanken rasten. Die Stadtwache konnte ihm vielleicht Schutz bieten. Allerdings kannte einer von ihnen vielleicht seinen Steckbrief. Nein, der Stadtwache konnte er sich nicht anvertrauen. Aber mit den Hünen hinter ihm konnte er sich auch nicht alleine messen. Die Zeit rannte ihm davon, während er den Stadtwächtern immer näher kam, bei denen er sich nicht sicher war, ob sie ihn nicht erst erschlagen würde, bevor sie Fragen stellten.

AshuraWhere stories live. Discover now