Kapitel 4

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Den ganzen Freitag hatte ich mir den Kopf zerbrochen darüber, was ich jetzt tun sollte. Der unbekannte Typ war niemand Anderes als sassy-danny! Das änderte ziemlich viel.

Zum einem war da die Tatsache, dass ich wirklich ein Fan von ihm und seinem Blog war. Und mit so jemandem zu schreiben, hätte ja durchaus was, oder? Vorausgesetzt, er würde mir antworten.

Dann war da diese Songzeilen-Sache, die für mich – so traurig es auch klang – eins der coolsten Dinge war, die mir bisher an der King James passiert waren.

Aber was alles andere überwog, war sassy-dannys vorletzter Post. Diesem Jungen war seine Anonymität wirklich wichtig, wenn er alle Menschen umbenannte, bevor sie in seinem Blog auftauchten. Und damit würde ich nicht versuchen, herauszufinden, wer er war. Alles andere wäre einfach ziemlich mies. So einfach.

Und trotzdem ... irgendwas wollte ich machen, musste ich machen. Ich hatte einfach zum ersten Mal das Gefühl, nicht nur alle anderen Schüler um mich herum zu beobachten, sondern war tatsächlich selbst in irgendwas Aufregendes und Cooles verwickelt.

Und auch wenn deswegen ein schlechtes Gewissen hatte: das konnte ich beim besten Willen nicht einfach so wieder gehen lassen, oder?

Dieses Gegrübel raubte mir den kompletten Freitagabend und ich bekam kaum ein Wort mit von dem, was Mum und meine große Schwester Gemma beim Abendessen von ihrem Tag erzählten. Stattdessen hatte ich mich am Samstagmorgen nach langem Hin- und Herüberlegen dazu entschieden, sassy-danny eine Mail zu schicken.

Und stand damit direkt vor dem nächsten Problem – die Mail dann auch tatsächlich zu schreiben. Verzweifelt stöhnte ich auf und fuhr mir zum mindestens zehnten Mal mit beiden Händen durch meine Locken. Egal, was ich schrieb – irgendwie hörte sich alles entweder total nach Schleimer, grenzdebil oder wie eine komische Mischung von beidem an.

Dabei saß ich jetzt schon seit über einer Stunde vor dem PC. Und das Einzige, was ich bisher geschafft hatte, war, den Computer hochzufahren. Frustriert starrte ich auf den blinkenden Cursor. Das konnte doch nicht so schwer sein!

Unruhig trommelte ich mit meinen Fingern auf der Schreibtischoberfläche herum. Und gab mir schließlich einen Ruck und begann erneut zu tippen.

Eine halbe Stunde später war ich fast fertig mit der Mail und blickte zögerlich auf die letzte getippte Zeile. Mit freundlichen Grüßen, Harry stand da. Unschlüssig biss ich mir auf die Unterlippe und löschte die letzten fünf Buchstaben wieder.

Dass sassy-danny anonym bleiben wollte, konnte ich komplett verstehen. Irgendwie wollte ich das ja auch. Zumindest hatte ich ein ungutes Gefühl dabei, meinen echten Namen unter die Mail zu setzen und diese dann an jemanden zu schicken, den ich kaum kannte.

Also musste ein anderer Name her, den keiner mit mir in Vebindung bringen würde. Aber welcher? Mein Zweitname Edward? Ich verzog das Gesicht. Ich wusste echt nicht, was Mum sich dabei gedacht hatte. Da dachte ja jeder an Twillight, eine Assoziation, auf die ich nicht unbedingt scharf war.

Aber Sekunde. Twillight. Ich überlegte kurz und tippte dann fünf neue Buchstaben. Mit freundlichen Grüßen, Jacob. Ja, das ging.

Schnell überflog ich die Mail noch mal und hatte schon fast auf Senden geklickt, als mir plötzlich etwas auffiel.

Ich Idiot! Ich konnte ja so oft ich wollte mit falschem Namen unterschreiben, aber das brachte mir doch gar nichts, wenn ich meine eigene E-Mail-Adresse benutzte!

Das Blut rauschte in meinen Ohren, als mir klar wurde, wie schief das hätte gehen können. Schnell öffnete ich ein neues Browserfenster und erstellte mir innerhalb weniger Minuten einen neuen Mail-Account. Mit der von Lehrern so verhassten Tastenkombination Copy & Paste landete der Text in einer neuen E-Mail und bevor ich es mir noch mal anders überlegen konnte, klickte ich auf Senden.

Jetzt hieß es warten.


Den restlichen Tag verbrachte ich hibbelig bis zum Gehtnichtmehr. Alle fünf Minuten aktualisierte ich meinen Posteingang – nichts bis auf Viagra-Spam.

Später, als Gemma mich aus meinen Zimmer gezerrt hatte, um ihr beim Kochen zu helfen, blickte ich sehr zu ihrem Unmut mehr auf mein Handy als in den Topf, den ich umrühren sollte.

Nachdem die Tomatensoße bereits zum zweiten Mal fast überkocht war, riss Gemma mir den Kochlöffel aus der Hand und richtete ihn wie eine Pistole auf mich. „Okay, was ist los, Harry?"

„Nichts ist los", sagte ich so unschuldig wie möglich und hoffte, dass Gemma wenigstens einmal nicht mitbekommen würde, wenn ich log.

„Verarschen kann ich mich alleine, mein Lieber." Oder auch nicht. Gemma zog ihre Augenbrauen hoch und starrte mich auffordernd an, während Tomatensoße vom Kochlöffel auf den Boden tropfte.

„Es ist wirklich nichts los", antwortete ich ausweichend und schnappte mir einen Lappen, um die Schweinerei aufzuwischen. Dass ich mich dadurch Gemmas starrem Blick entziehen konnte, war natürlich nur ein hübscher Nebeneffekt.

Gemma schnaubte nur und wollte gerade mit ihrem Verhör fortfahren, da zischte es – diesmal war die Tomatensoße wirklich übergekocht. Während meine Schwester herumfuhr, fluchte und schnell den Topf vom Herd zog, schlüpfte ich durch die Küchentür und aktualisierte im Flur ein weiteres Mal meinen Posteingang.

Nichts.

Ich seufzte und kehrte zurück in der Küche, wo sich inzwischen ein unangenehmer Geruch nach Verbranntem ausgebreitet hatte. Schnell riss ich das Küchenfenster auf, und starrte dann auf die Bescherung auf dem Herd, die eigentlich unser Mittagessen werden sollte.

Na toll.

Remember the Name || LS (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt