Summer Dreaming
Genüsslich strecke ich mich auf der weichen Liege aus, die Arme lang hinter den Kopf, das linke Bein scharf angewickelt, dafür das Rechte fast komplett runter von der Liege. Sogar den rechten Fuß dehne ich auf das äußerste – bis in die Zehenspitzen. So intensiv, dass meine Muskeln schon leicht zittern. Ich unterdrücke es gerade noch ein lautes Gähnen von mir zu geben, schließlich bin ich nicht allein an diesem Strand.
Direkt neben meiner Liege steht noch eine zweite. Ich drehe meinen Kopf und schaue rüber. Da hat es sich meine Frau gemütlich gemacht, offensichtlich sehr gemütlich sogar. Den Geräuschen nach zu urteilen ist sie nämlich tief eingeschlafen. Völlig entspannt liegt sie da, nur mit einem schneeweißen Bikinihöschen bekleidet. Obwohl, nicht ganz. Eine große „Puk-die-Stubenfliege“-Brille verdeckt ihre Augen, und als halbherzigen Schutz gegen die Sonne hat sie einen riesengroßen, ebenfalls weißen Strohhut leicht ins Gesicht gezogen.
Ich schaue nach oben. Blinzele in die Sonnenstrahlen die sich ihren Weg durch das Dach aus Palmenblättern bahnen. Immer neue Lichtreflexe ergeben sich durch das Zusammenspiel von Wind und Blättern.
Die Luft ist herrlich warm. Ich genieße es, wie der warme Wind meinen Körper umschmiegt, wie er gleichmäßig über meinen Oberkörper weht, mit den Haaren auf meinen Beinen spielt, als ob ich vor einem überdimensionalen Föhn liegen würde. Dazu die Strahlen der Sonne, die über die nackte Haut tanzen und überall kleine Hitzepunkte setzen. Und obwohl ich auch nur Badeshorts trage ist das Beste was ich tun kann um nicht ins Schwitzen zu geraten – einfach gar nichts tun. Nur da liegen und genießen.
Ich richte mich etwas auf, stütze mich dabei auf meinen Ellenbogen ab und stelle etwas missmutig fest, dass ich mir, bevor sich die Palmen schützend zwischen mich und die Sonne gestellt haben, einen leichten Sonnenbrand geholt habe. Nichts schlimmes, nur eine leichte Rötung die sich von meiner Brust über den Bauch bis zu den Shorts gebildet hat. Macht nichts, denke ich grinsend, Farbe ist Farbe, den Kontrast wird man auf jedenfall gut sehen können, wenn ich meine Shorts ausziehe. Wenn ich sie ausziehe oder du es tust denke ich, und werfe wieder einen Blick zu meiner Frau. Ich begutachte jeden Zentimeter von ihrem Körper ganz genau und stelle dann etwas schmollend fest, dass sie von einem Sonnenbrand verschont geblieben ist. Ich sehe nur Bräune, aber keine Spur von Rot. Naja, was soll´s, denke ich, und schaue wieder nach vorn.
Mein Blick fällt über den weißen Strand auf das azurblaue Wasser des Ozeans. Sehe wie sich im Abstand von nur wenigen Metern die Farbe immer wieder ändert. Hin nach Aquamarin, nach Türkis. Kleine Wellen bahnen sich ihren Weg an den Strand, und kurz bevor sie ihn erreichen brechen sich ihre Kämme zu einem schneeweißen Schaum, der mit leisem Rauschen auf den Strand rollt.
Ich stelle den rechten Fuß in den Sand, Mein Gott hier ist wirklich alles wie aus dem Bilderbuch. Fein sind die Körner die meine Fußsohle umschließen, die ihren Weg zwischen meinen Zehen finden. Ich vergrabe ihn ein wenig, und sofort wird aus dem wärmenden Sand ein kühlender. Ich sehe wie sich die Sonne auf dem unteren Teil meiner Liege einen von Palmenblättern ungestörten Weg bahnt, ein Blick nach oben zeigt mir, dass sie beginnt sich dem Ozean entgegen zu senken. Hier auf dieser Insel wird es nicht lange dauern, bis sie sich zu einem glutroten Feuerball entwickelt, um dann weit draußen am Horizont in den Fluten zu versinken, zu erlöschen und dann ihre wärmenden Strahlen nicht mehr ausschicken kann.
Aber noch ist es nicht so weit. Von der Cabana klingen die typischen Töne karibischer Musik an mein Ohr. Eine Handvoll Touristen tanzt unter den fröhlichen Augen der einheimischen Musiker, obwohl, tanzen kann man das eigentlich nicht nennen. Sie schwanken und verrenken sich mehr als dass sie wirklich tanzen würden. Vielleicht war da doch auch schon der ein oder andere Rum zu viel mit im Spiel gewesen. Aber jedem das Seine. Auf dem kleinen Tisch, der zwischen unseren Liegen aufgebaut ist, stehen zwischen einem Buch, einem I Pad, der Sonnenmilch meiner Frau (ja ja, sie hat es mir ja gesagt), ihrem Bikinioberteil und ihrem Sommerkleid nämlich auch zwei große Cocktailgläser. Natürlich sind sie schon ausgetrunken. Einen Cocktail trinkt man schließlich solange er noch eiskalt ist. Und vor allem hier. Nur in dem Glas von meiner Frau war noch eine kleine Pfütze, aber das sind die geschmolzenen Eiswürfel. Die, die ich aus meinem Glas noch gelutscht hatte, bevor sie sich in ihren ursprünglich Zustand zurück verwandelten.
Neben der Cabana haben zwei Köche schon ihren Grill befeuert. Und wenn ich mich ganz doll anstrenge, dann bilde ich mir ein, das Geräusch von bratendem Fleisch zu hören. Von Fett- und Bratensafttropfen die zischend in der heißen Glut der Kohlen verdampfen. Ganz sicher kann ich aber den Duft wahrnehmen. Es ist wundervoll. Der Wind trägt die unterschiedlichen Gerüche direkt in meine Nase, ich kann und will mich nicht dagegen wehren. Das Wasser läuft mir im Mund zusammen, ich wünsche mir, ein Kellner würde mir jetzt einen Teller bringen, mit braunem, gegrillten Fleisch, auf das der Koch gekonnt ein Branding gezaubert hat. Mit Fisch, zart gegart und mit Zitrone garniert, innen noch leicht glasig, mit gegrilltem Gemüse... Ach Quatsch, das Gemüse können wir streichen, das brauche ich nun wirklich nicht. Dann lieber noch einen Cocktail dazu. Oder ein eiskaltes Green Lemon. Oder noch besser, eine eisgekühlte Fassbrause, und zwar Holundergeschmack. Das würde hervorragend passen.
Aber wie es das Schicksal so will, es kommt kein Kellner. Wenn ich etwas von den Köstlichkeiten haben wollen würde, dann muss ich mich wohl aus meiner Liege erheben und mir was holen. Ich schaue zu meiner Frau, deren Brust sich immer noch ganz gleichmäßig hebt und wieder senkt. Sie schläft noch. Ich überlege. Wenn ich jetzt los gehe und mir etwas hole, und sie wacht auf und sieht das, dann gibt es wieder Mecker. Schließlich haben wir ja in unserem Hotel Halbpension gebucht. Da gibt es was zu essen. Da brauchen wir uns nicht extra was kaufen.
Recht hat sie. Das brauchen wir nicht. Ich schaue wieder zu den Jungs am Grill hinüber. Nein, brauchen tun wir das nicht. Aber wir können! Schnell schnappe ich mir etwas Geld aus meiner Hose, die zusammgeknüllt über meinen Nikes liegt, springe auf und wetze ab in Richtung Cabana. Hungrig, und mit Augen die mindestens zehnmal so groß wie mein Magen sind, schaue ich auf die Köstlichkeiten, die nebeneinander aufgereiht auf dem Rost liegen, von der flimmernden Hitze der glühenden Kohlen umhüllt darauf wartend, einem schmachtenden Gast auf dem Teller serviert zu werden.
Ich bin so hin und her gerissen was ich denn nun nehmen will, dass ich das Hupen erst gar nicht wahrnehme. Ein langgezogenes Hupen ist es, es hört gar nicht auf. Erst als meine Frau nach mir ruft, nehme ich die Bedrohung die von dem Hupen ausgeht wirklich wahr. Ich drehe mich um, und sehe wie ein Auto direkt auf sie zu rast. Herrgott warum steht sie nicht auf denke ich. Aber sie sieht nur in meine Richtung, und scheint auch mein Rufen gar nicht zu hören. Ich renne los in ihre Richtung um sie zu retten, während das Auto immer näher kommt, das Hupen schon fast dem hysterischen Kreischen einer mordenden Bestie gleich. Da stolpere ich über die Wurzel einer Palme, stürze, schaffe es aber gerade noch die Augen zu schließen bevor ich mit dem Gesicht voll in den Sand schlage.
Ich raffe mich hoch, schüttele den Kopf und wische mit den Händen über Augen und Gesicht. Was ich nun sehe gefällt mir überhaupt nicht. Ich schaue in zwei große rote Leuchten. Rückleuchten. Rückleuchten von einem LKW. Schleierhaft sind sie zu erkennen hinter einer Wand aus Regen. Nur kurz werden sie klar, weil da der Wischer meines Autos gerade mal wieder für freie Sicht sorgt. So, ich stehe also immer noch in diesem Stau. Schon seit 2 Stunden geht es kaum vorwärts. Da ertönt wieder das Hupen. Hysterisch? Ja. Aber kreischend nicht. Eine ganz gewöhnliche Hupe. Ich schaue nach links, und sehe neben mir in einem schicken Volvo Kombi einen Typ der wie ein Irrer auf die Hupe drückt. Er sieht aus wie ein Vertreter oder ein Geschäftsmann. Jedenfalls wie jemand der es eilig hat.
„Mann bist du ein Arsch“ sage ich zu ihm. Natürlich hört er es nicht, er hampelt da hinter seinem Steuer wie ein Gummibärchen auf Ecstasy rum. Aber ich muss es ihm trotzdem sagen. „Du bist ein riesengroßes Arschloch. Wegen dir sitze ich jetzt wieder hier im Stau, und bin nicht mehr auf meiner schönen Insel. Vielen Dank Arsch!“. Vielleicht ist das ja nicht nett von mir, aber die Polizei hatte per Lautsprecherdurchsage doch vor einer halben Stunde gesagt, dass es es frühestens in drei Stunden weitergeht. Solange hätte Herr Arsch mich doch wohl noch weiter träumen lassen können, an diesem grauen, kalten, stürmischen, regenreichen Novembertag.
Ich schaue wieder nach vorn, strecke die Hand aus und drehe die Heizung noch etwas höher. Wenigstens so warm wie es in meinem Paradies war will ich es in meinem Auto jetzt haben. Dann mummele ich mich in meinem Sitz ein, stütze mein Kinn in die Hand und lasse meine Augen langsam wieder zu fallen. In meinem Kopf sah ich mich wieder an dem Strand, jetzt menschenleer, nur meine Frau und ich. Mit geschlossenen Augen griff ich zum Radio und drehe es etwas lauter.
Denn gerade spielen sie „Summer Dreaming“ von Kate Yanai. Ihr wisst schon, das Lied aus der Bacardi Werbung....
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Summer Dreaming - Zu schön um wahr zu sein
Short StoryEinfach nur eine kleine Geschichte zum Träumen von karibischen Stränden. Viel Spaß, vielleicht gefällt es ja...