Maskenbildner

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Bum. Bum. Bum. Die Traurigkeit schlug auf sie ein. Immer und immer wieder. Bum. Bum. Bum.Sie konnte nichts dagegen tun. Hilflos kauerte sie sich weiter in die Ecke; krallte sich an ihr Kissen wie eine Ertrinkende an einen Rettungsring. Bum. Bum. Bum. Hilfe. Das einzige Wort das in ihrem Kopf vorhanden war. Sie wollte es schreien- aus sich herausbrüllen so laut sie konnte. Stille. Sie konnte es nicht. Wie eine Blockade; wie ein schmerzhafter Knebel aus Angst der tief in ihrer Kehle lag.Bum. Bum.Bum. Immer lauter dröhnte es in ihrem Kopf. Panik wurde mit jedem Schlag größer. Immer lauter, immer schneller. Endlich. Endlich kam die Ohnmacht und erlöste sie. Erlöste sie von all den Gedanken, der Angst und der Traurigkeit. Dumpf fiel ihr Körper zur Seite und für einen Moment durfte sie sich erholen, bevor sie alles wieder einholen würde.

Lächeln. Einfach weiter Lächeln. Nicht Nachdenken. Denn die Gedanken bringen die Angst mit sich. Und die Traurigkeit. Und Traurigkeit bringt Tränen. Und Tränen kann man sehen. Einfach weiter Lächeln. Niemand darf sie sehen- die Traurigkeit. Die Tränen, die wie Worte sind die ihr Herz nicht sagen kann. Aufhören. Nicht so viel denken. Stopp! Weitergehen. Alles ist gut. Niemand sieht es. Lächeln.

„Hey,wie geht's dir?" Nein. Was tust du? Weißt du nicht was du damit anrichtest? Weiter Lächeln. Antworten.„Ganz gut, denke ich."

Sie bröckelt. Die Maske bekommt Risse. Kleine feine Linien die immer größer und größer werden, bis sie bricht. Und sie wird brechen. Die Frage ist, ob es jemand sieht.

Lauf. Lauf und versteck dich. Wohin? Die Schultoilette. Die Rettung. Lauf.

Endlich. Geschafft. Keine Sekunde zu spät, denn die Maske ist zerbrochen. Liegt in Scherben auf dem Boden. Und die Tränen kommen. Sie kommen und laufen, laufen über die Wangen und das Gesicht.Stumm und ohne Ton, denn Töne könnte jemand hören. Sie sind verräterisch, schleichen sich aus dem Körper und lassen sich nicht mehr einfangen. Nicht mehr zurücknehmen. Nein! Sie muss die Kontrolle behalten. Nur ein paar Minuten, dann ist es besser. Dann muss es besser sein.

Sie wartet bis die Tränen versiegen. Bis sich der Schmerz zurückzieht. Nicht weil er verloren hat. Nein, er zieht sich zurück und wartet, wartet darauf dass sie allein und unvorsichtig ist um dann mit doppelter Kraft zurückzuschlagen. Wie eine riesige Welle über sie hereinzubrechen und sie unter sich zu begraben. Aber sie darf nicht ertrinken. Sie muss schwimmen.Sie muss kämpfen. Vielleicht kann sie den Krieg nicht gewinnen, aber diese Schlacht muss sie gewinnen. Sie bückt sich hebt die Scherben wieder auf und setzt sie zusammen bis man nichts mehr sieht. Bis niemand mehr erahnen könnte, dass sie kaputt war. Sie setzt sie auf und geht. Geht, in der Hoffnung dass niemand Maskenbildner ist und sieht, dass sie eine trägt.

Massen von Menschen. Menschenmassen um sie herum. Sie reden, sie stehen in Gruppen zusammen, sie scherzen und sie lachen. Wie ging das nochmal? Sie kann sich kaum noch erinnern. Sorglos und frei. Die Welt so bunt und warm. Jetzt ist alles grau. So grau und kalt. Alles schmerzt, sogar die Erinnerung an die guten Tage. Sie wecken eine Sehnsucht. Eine Sehnsucht die sich nicht erfüllen wird. Die immer so weit weg und so unerreichbar bleiben wird. Die Menschen um sie herum, sind hibbelig, aufgedreht, können sich nicht konzentrieren. Ihre Blicke schweifen in der Gegend umher, streifen auch sie. Aber die Leute können sie nicht sehen. Sie können sie nicht hören. Die Dämonen in ihrem Kopf, die die Welt durch ihre Augen beobachten. Die ihr Angst und Lügen erzählen und ihren Blick verschleiern. Der einzige Teil, den ihre Maske nicht abdeckt. Aber niemand sieht solche kleinen Details. Niemand sieht ihr lange genug in die Augen um all das zu entdecken, was sie hinter der Maske versteckt und von dem sie dennoch so sehr hofft, dass es jemand entdeckt. Jemand, der ihr hilft. Der die Dämonen vertreibt, der ihre Sicht wieder klärt,der ihr das falsche Lächeln abnimmt und wieder durch ein echtes Ersetzt. Jemand, der ihren Rettungsring an Land zieht, der sie festhält und die Maske abnimmt und zerstört. Aber so jemanden gibt es nicht. Nicht mehr.

Sie stand da. Stand da und konnte nichts gegen die Gedanken unternehmen, die immer immer wieder in ihrem Kopf kreisten. Unaufhörlich. Ein Strudel, der sie abermals nach unten zu ziehen drohte. Sie bemerkte auch nicht die Person, die sich ihr näherte. Die sich nicht abschrecken ließ. Die ihr die Hand reichte, ihren Kopf anhob und in ihre Augen sah. Die erkannte. Und dann war er da. Der Maskenbildner.

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