2 Kapitel

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                                      Eliza

Ich lasse das kalte Wasser über meinen Körper rinnen und schreie innerlich auf. Mein scheiss ernst, mein Auftritt war verdammt gut und dann musste ich ihn am Schluss so wie eine verliebte Gans angrinsen. Dumm Eliza, ganz dumm! er ist gerade mal einen Tag hier und mein scheiss verdammtes Herz kann nicht einmal normal sein oder das machen, was ich will. Ich drehe das Wasser ab und trete aus der Dusche. Das Handtuch, das ich mir vorhin bereitgelegt habe, liegt immer noch fein säuberlich zusammen gefaltet da und wartet darauf, dass ich es benutze. Ich wickle es um meinen Körper und wische den beschlagenen Spiegel mit meinem Unterarm ab, so dass ich mich wieder sehen kann. Ich sehe mir selbst in die grauen Augen. Ich hasse das, was ich im Spiegel sehe. Es passt nicht zusammen. Es sieht nicht nach einer echten Latina aus. Ich sehe aus wie eine Scheiss Engländerin. Wutentbrannt stöhne ich auf und wünsche mir, ich hätte den Wasserdampf vom Spiegel nie entfernt. Ich reisse den Spiegelschrank auf, nehme mir Medikamente raus, werfe sie mir ein, nehme einen grossen Schluck Wasser und schlucke sie runter. Ich trete aus dem Bad in das Zimmer, das ich zusammen mit Mona bewohne. Sie sieht mich grinsend an und sagt dann: «der Neue hat dir wohl ganz schön zugesetzt.» Ich sehe sie genervt an und strecke ihr die Zunge raus. Als ich vor meinem Kleiderschrank stehe, ziehe ich meine schwarze Lieblingsjeans heraus, ein T-shirt und einen gelben Pullover. Ich schlüpfe rein und lasse mich auf mein Bett fallen, werfe einen Blick auf die Uhr, nur um festzustellen, dass ich nur noch 25 Minuten habe bis ich unten im Speisesaal sein muss. «Ach scheiss drauf, ich gehe ihn abholen», sag ich zu Mona, stehe auf, schlüpfe in meine Winterstiefel und schlendere nach vorne zum Empfang und begrüsse Eva. «Ola, Eva», sage ich mit einem lieben Lächeln und frage sie: «Podias-me dizer a onde o Jamiro tem o seu quarto?» Sie verdreht grinsend die Augen und sagt dann: «Mas so porque es tu ele està no quarto E13 na parte do cancro.» Ich sehe sie ungläubig an und bedanke mich ruhig bei ihr mit einem Nicken. Schweigend in den tiefen meiner Gedanken versunken, trete ich in den Lift und drücke geistesabwesend den Knopf für den dritten Stock. Krebs, dieses Wort hallt in Dauerschleife durch meinen Kopf und ohne dass es mir bewusst ist, klopfe ich an die Tür an der Jamiros Namen steht und kriege fast einen Herzinfarkt als die Tür mit einem Ruck aufgerissen wird und ein halb nackter Jamiro Santos vor mir steht. Ach du heilige Scheisse!


                                    Jamiro

Ich komme gerade aus der Dusche und habe mir eine Jeans angezogen und überlege mir was ich anziehen soll. Ich habe keine Ahnung was Eliza mit mir vorhat. Ich will gut bei ihr ankommen, aber ich will auch nicht frieren und als es klopfte gehe ich zur Tür und vergesse dabei total, dass ich gar kein T-shirt anhabe. Ich reisse die Tür auf und bin komplett baff, als Eliza vor der Tür steht und mich ziemlich überfordert ansieht. Da wird mir mit einem Mal bewusst, dass ich gerade halbnackt vor ihr stehe. Ich verschränke meine Arme vor meiner Brust und grinse sie keck an. Sie schüttelt ungläubig den Kopf, scheint sich jedoch schnell von ihrem Schrecken zu erholen und sieht mich dann peinlich berührt an. «Hey», sagt sie mit einem heiseren Unterton in ihrer Stimme. Sie räuspert sich und sagt: «eigentlich wollte ich dich gerade abholen kommen, um dir alles zeigen zu können, aber du scheinst noch nicht wirklich bereit zu sein.» Das letzte sagt sie mit einem schwachen Lächeln. Ich sehe an mir herunter und grinse leicht. «Nein, ist schon gut. Willst du reinkommen?» Sie schüttelt leicht den Kopf. «Ist schon in Ordnung. Ich warte sonst hier draussen.» Ich nicke und schliesse verwirrt die Tür, gehe zu meinem Bett, angle nach meinem T-shirt, das ich vorhin so achtlos auf den Boden hab fallen lassen, zieh es mir über und versuche zur gleichen Zeit in meine Schuhe zu steigen, wobei ich fast umfalle. Ein kurzer Blick in den Spiegel zeigt mir, dass ich nicht wie der grösste Streber aussehe, nehme mir mein Hoddie und reisse die Tür wieder auf. Eliza sitzt ein wenig abseits auf den Stühlen im Wartebereich und springt erschrocken auf als ich die Tür ins Schloss fallen lasse. Sie sieht mich empört an und sagt dann: «komm» mit einem mürrischen Unterton. Dann geht sie mit hastigen Schritten auf den Aufzug zu und murmelt leise vor sich hin: « drückt den Knopf.» Sie dreht sich schwungvoll zu mir um und scheint mir irgendetwas sagen zu wollen, doch sie dreht sich wieder um und steigt wortlos in den Aufzug. Wir fahren in den Eingangsbereich runter und kurz bevor die Türen aufgleiten, sieht sie mich an und sagt: «sobald die Aufzugtüren aufgehen, rennst du so schnell wie nur irgendwie möglich auf den Ausgang zu und rennst raus bis an das andere Strassenende. Kriegst du das hin?» fragt sie mich und ich nicke leicht. «Gut, dann lass dich nicht erwischen!» sagt sie frech und rennt los als die Türen aufgehen. Ich tue es ihr gleich und stürme auf den Ausgang zu, immer den roten Lockenkopf im Blick. Ich nehme Rufe hinter mir war und muss anfangen zu lachen als Eliza sich im Rennen umdreht, um den Mittelfinger zu zeigen. Keuchend bleibe ich am Ende der Strasse stehen und sehe zu Eliza rüber. Sie scheint das Ganze nicht so sehr mitgenommen zu haben wie mich.
Seit der Diagnose vor zwei Jahren ist meine Kondition komplett am Arsch.
Eliza sieht mich an, grinst mich an, sagt: «machst du etwa schon schlapp» und sieht mich von unten nach oben an. Erst jetzt fällt mir auf, wie klein sie eigentlich ist und das viele wilde Sommersprossen auf ihrem Gesicht tanzen. Ihre grauen Augen blitzen und sie fragt: «kennst du die Strände von Island?". immer noch gefesselt von ihrem Anblick schüttle ich meinen Kopf.

                                      Eliza

Er sieht mich an, als ob ich gerade zu einem Monster mutieren würde oder ich einen Pickel auf der Stirn habe, der überdimensional rot leuchtet. Als wäre ich Rudolf einfach ohne rote Nase, dafür einer roten Stirn. Ich fasse mir ins Gesicht und frage: «ist alles okey, habe ich etwas im Gesicht?». Er lächelt schief, erhebt seine Hand, streicht mir eine Locke hinters Ohr und sagt dann: «nein du bist einfach nur wunderschön». Völlig perplex sehe ich ihn an. «Meinst du das ernst?», frage ich, als wäre ich schwer von Begriff. Er nickt und ich bin komplett überfordert mit der ganzen Situation. Noch nie hat mir ein Typ gesagt, dass ich hübsch bin. Ruckartig löst er sich von mir. «Na, Eliza, wo geht es jetzt hin?». Immer noch überfordert mit der Situation sehe ich ihn an. «Zum Strand, ich zeige dir meinen Lieblingsplatz». Wir gehen eine Weile schweigend nebeneinander durch die Strassen von Reykjavik und unseren Gedanken nach, bis er das Schweigen unterbricht und mich fragt: «ich weiss, es ist ne echt persönliche Frage und wenn du sie nicht beantworten willst, musst du das auch nicht». Ich nicke und sehe ihn fragend an. «Wieso bist du hier?» Ich atme tief durch. Ich habe mir schon fast gedacht, dass er das fragen würde. «Okey ich erzähle es dir, aber nur wenn du mir danach deine Geschichte erzählst, deal?»
Er nickt und sagt: «deal». Ich nicke langsam und überlege mir dann, wo ich am besten anfangen soll.
«Also ich bin in Brasilien, in Rio geboren und aufgewachsen und habe keine Geschwister. Nach mir waren eigentlich noch mehr Kinder geplant, aber das haben meine Eltern schnell wieder vergessen, als ich meine Diagnose bekam. Ihnen wurde bewusst, dass diese Behandlungen nicht billig werden würden und dass sie noch mehr Kinder nicht ernähren könnten. Sie gingen ganztags arbeiten um die vielen Behandlungen zahlen zu können und ich wurde bei meiner avò gross». Bei den Gedanken an sie wurde es mir schwer ums Herz. «Sie ist vor zwei Jahren gestorben und da waren meine Eltern komplett aufgeschmissen, da sie niemanden mehr hatten, der auf ihre todkranke Tochter aufpasst, als wäre sie ein rohes Ei. Als meine Eltern von dieser Klinik hier erfuhren, waren sie sofort der festen Überzeugung, dass es die Lösung von all unseren Problemen sein würde und da sie hier gerade Laborratten mit Herzfehlern suchten, wurde mein Aufenthalt noch billiger». Ich atme tief durch: «naja jetzt bin ich seit knapp ein eineinhalb Jahren hier und bereite mich auf meinen Tod vor indem ich meine To-do Liste abarbeite». Er sieht mich an, legt den Kopf schief und fragt: «du hast eine To-do Liste?»
„Ja die arbeite ich Schritt für Schritt ab und wenn mir die Ärzte wieder sagen, dass sie mir noch länger Zeit geben, schreibe ich neue Dinge auf». Er grinst mich an, was mich in diesem Moment verdammt verwirrt. «Das klingt jetzt echt schwul, aber um ehrlich zu sein, habe ich auch eine». Ich sah ihn überrascht an. «Ja, du hast recht, das klingt wirklich verdammt schwul», sage ich und lache. Dass er mir seine Geschichte eigentlich noch erzählen muss ist gerade komplett in den Hintergrund getreten.
«Ja, mit 10 Dingen. Ziemlich bescheuert, was?». Ich sehe ihn an. «Nein finde ich nicht. Um ehrlich zu sein finde ich das sogar ziemlich süss!» er errötet leicht und sieht mich verlegen an.

                                    Jamiro

Sie findet es also süss! Ich wollte, dass sie mich heiss oder sexy findet, aber doch nicht SÜSS. Ich sehe sie an: «was steht auf deiner Liste?». Sie sieht mich an und kramt dann in ihrer Manteltasche. Nach kurzer Suche befördert sie einen zerknitterten Zettel ins Freie und faltet ihn auseinander. Mit einer fein säuberlichen Mädchenschrift stehen da zehn Punkte nacheinander aufgelistet.


1: Etwas klauen
2: Einen Hund Adoptieren
3: Teuer essen und danach wegrennen
4: Mir ein Tattoo stechen lassen
5: In ein Freibad einbrechen
6: An ein Konzert gehen
7: Drogen nehmen
8: Einen Orgasmus haben
9: Rauchen& Trinken
10: Ein Auto klauen

Nachdem ich sie durchgelesen habe, sehe ich sie mit grossen Augen an. «Dass du so ein böses Mädchen bist, hätte ich gar nicht gedacht». Sie sieht mich an und grinst frech. «Ohh doch, ich bin ein sehr, sehr böses Mädchen» und dann rennt sie los und schreit über ihre Schulter: «wer zuletzt am Strand ist, muss baden gehen». Noch immer perplex verarbeitete ich das, was sie soeben gesagt hat. Als ich es endlich kapiert habe, renne ich los, damit ich auch sicher vor ihr am Strand bin.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 08, 2019 ⏰

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