4 - Four

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Avery ist spät, was mich unruhig werden lässt. Vor fünf Minuten wollte sie mich abholen, aber noch stehe ich in der Küche und warte auf ihre Nachricht. Ich kann Dalvin und Wesley im Wohnzimmer hören, die eine ihrer Serien gucken und laut lachen. Sienna ist nicht da. Ich weiß nicht, wohin sie gegangen ist, aber ich froh, dass sie weg ist. Die Aufgaben, die sie mir aufgetischt hat, habe ich lange fertig und das Essen für die Zwillinge steht bereit. Jetzt fehlt nur Avery, die mich abholt, aber sie lässt sich Zeit. Zu viel Zeit. Wenn ich Avery erreichen würde, wäre ich längst losgegangen, aber sie hat keine meiner Nachrichten beantwortet.

Ein Werbejingle ertönt und ich versteife mich. Werbung bedeutet, dass die Zwillinge in die Küche kommen, um Getränke und Snacks aufzufüllen. Ich kann ihre Schritte hören, aber wage es nicht, mich zu bewegen.

„Du bist noch hier", sagt Dalvin. Er geht zum Kühlschrank und zieht eine Dose Limonade raus. „Wurdest du versetzt?"

Wesley grunzt leise. „Wahrscheinlich von seiner Freundin. Wie heißt sie noch?" Er lehnt im Türrahmen, eine leere Limo-Dose in der einen Hand und ein paar zerknitterte Schokoriegelverpackungen in der anderen. Obwohl er sich wahrscheinlich schon den ganzen Tag nur von Junkfood ernährt hat, spannen sich seine muskulösen Oberarme gegen den Stoff seines T-Shirts.

„Avery kommt mich jeden Moment holen, keine Sorge", bringe ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Essen steht im Ofen."

Mich übergehend sagt Wesley zu seinem Bruder: „Dann hat selbst die erkannt, dass es besser ist, einsam zu sein, als was mit dem zu tun zu haben." Er grinst. „Wahrscheinlich lachen sie und ihre Eishockey-Freundin sich gerade über ihn kaputt."

Ich beiße mir auf die Zunge, um nichts zu sagen. Mir schwebt das Wintermaskenballplakat vor Augen, wie es spottend außer Reichweite hängt und mir etwas geben möchte, was ich nicht nehmen kann. Ich will nicht in Unmut versinken, weil ich nicht gehen werde, aber kann nicht anders, als trotzdem eine schmerzende Brust zu bekommen. Als würde ein maskierter Unbekannter auf meinem Herz tanzen. Es ist ein schreckliches Gefühl.

Meine Finger verkrampfen sich um mein Handy in der Hosentasche. Ich gucke zur Uhr an der Wand. Avery ist zehn Minuten zu spät.

„Du hast hier was übersehen", sagt Wesley und deutet auf einen offensichtlich frischen Cola-Fleck auf der Küchenanrichte. Ich habe nicht mitbekommen, wie er weiter in die Küche gegangen ist, oder wann er die neue Dose aus dem Kühlschrank gezogen hat. Er zieht eine Augenbraue hoch, die fast in seinen unordentlichen Haaren versinkt. „Mach es lieber weg, bevor Mum wiederkommt."

Dalvin guckt mich unbeteiligt an. „Du bist ziemlich kindisch", meint er an seinen Zwilling gewandt.

„Schnauze", knirscht Wesley. „Na los. Mach es weg."

Ich weiß, dass er die Dose über den Boden kippen wird, wenn ich nichts tue. Mit langsamen Schritten und ohne den Blick von meinem idiotischen Stiefbruder zu nehmen, gehe ich zur Spüle, die im Tageslicht silbern glänzt. Ich will den Lappen nicht zur Hand nehmen, weil ich ihm damit einen weiteren Sieg schenke, aber tue es trotzdem.

Wesley grinst gewinnend und geht einen Schritt zur Seite. „Schnell", sagt er fordernd, aber leise. „Bevor es klebt."

Wieder antworte ich nicht. Ich wische den Cola-Fleck weg und wende mich von seinem Grinsen ab. Dalvin lächelt nicht, sondern betrachtet mich mit hochgezogenen Augenbrauen, während er langsam seine Hand in der Chipstüte versenkt.

„Es wäre eine Schande, wenn Dalvin die Chips auf dem Teppich fallen lassen würde", sagt Wesley. Seine Stimme ist gefährlich leise. Er hat ein schiefes Grinsen aufgesetzt. „Und hoffentlich stoße ich nicht aus Versehen meine Cola um, damit der teure Holztisch klebrig wird."

A (Gay) Cinderella Story [LESEPROBE]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt