Kapitel 1

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Nachdem ihm das Gitarrespielen an diesem Sonntag zu einseitig wurde hatte Adam nichts Besseres zu tun als aus seinem Haus zu gehen und durch die Straßen von Detroit zu gehen. Seine blassen Hände waren in seinen Hosentaschen versengt und er hatte seinen Blick starr zu Boden gerichtet. Seine Gedanken schweiften, wie zu jeder freien Sekunde die er hatte, zu seiner Frau Eve, die  wegen geschäftlichen gründen in Tangier, einer Kleinstadt in Morocco lebte. Wie lange war es nun her, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte? Adam konnte sich nicht mehr daran erinnern, es musste wortwörtlich eine halbe Ewigkeit her gewesen sein.

Seufzend hob der junge Mann seinen Kopf und musterte mit seinen stechenden Augen seine Umgebung. Sein Ziel war der nahe gelegene Park, wo er wenigstens ein wenig Ruhe von der Ganzen Aufregung der Stadt und den Menschen dort haben konnte.

Eine junge Frau passierte ihn und selbstverständlich blieb es nicht unbemerkt, wie sie ihn ansah. Ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht, was aber sofort wieder verschwand. Ja, die Frauen starrten ihm hinterher und er könnte jede Wette eingehen, dass auch diese Frau, kaum hatte sie ihn passiert sich umdrehen würde und ihm hinterher starren würde. Es war kein Geheimnis dass er sehr wohl ein attraktiver Mann war. Seine langen, dunklen Haare, die ungekämt in sein Gesicht fielen strahlten doch etwas lässiges und zeitloses daher, wie seine eher düstere, dunkle Kleidung ebenso. Seine hohen Wangenknochen und blasse Haut vermittelten etwas Unheimloches, bedrohliches und doch etwas Mysteriöses, so als ob man von seiner gestalt magisch angezogen wurde. Aber die intensivste Wirkung jedoch hatten noch immer seine so stechenden, undurchdringbaren Augen. Jeder, der einen Blick von ihm erhielt würde diesen nie wieder vergessen. Es brannte sich in seinem Kopf ein, wie ein Brandmal an der Haut eines Sklaven damals.

Seinem Aussehen ist es zu verdanken, dass er auch meistens von den vielen Frauen in Detroit angesprochen wurde, und wenn er dann preisgab, dass er verheiratet war, nur dass seine Frau am anderen Ende der Welt wohnte, so erhielt er  bloß einen mitleidenen Blick, der ihm sagte dass es eine Schande sei einen so einzigartigen Mann allein leben zu lassen.

Wieder senkte Adam seinen Blick und achtete, tief in seinen Gedanken versunken, nicht darauf, dass er auf der Straße ging.

Wild hupend holte ihn ein Lastwagenfahrer dann doch in die so grässliche, moderne Realität zurück und er sprang in letzter Sekunde noch aus dem Weg.

Nachdem der Fahrer ihm in Vorbeifahren den sprichwörtlichen Vogel gezeigt hatte blieb Adam stehen und rieb sich seine Schläfen.
Damals.

Damals wäre alles einfacher gewesen. Damals noch hätte es niemanden gestört, wenn ein Gentleman gedankenverloren über die Pflasterstraßen gehuscht wäre, wo Autos und andere Lebens erleichternden Geräte noch nicht vorhanden waren. Damals war er glücklich gewesen. Damals hatte er seine Eve getroffen, sie geheiratet und sie waren zusammen gewesen.

Damals.

Wieder einmal brachte ein vorbeifahrendes Auto Adam aus seinen Tagträumen und er schüttelte traurig den Kopf.

Damals…

Seine Selbstzweifel über seine Existenz schienen schier größer zu werden, je länger er sich von der Hauptstraße entfernte. Nichts war zu hören, außer den Klang der langsam verstummenden Autos, den Winterwind, der durch die kahlen Bäume huschte und den Klang einer Violine…

Mit einem Ruck blieb Adam stehen. Nein er hatte es sich nicht nur vorgestellt. Tatsächlich konnte man ein Violinenspiel hören. Und es war wunderschön, vielleicht das schönste, was Adam seit langem gehört hatte. Sanft ließ er seine Augen zu gleiten. Es war ein Thema in Moll, dass konnte er raushören doch er kannte sich zu wenig mit klassischer Musik aus, als dass er sagen konnte, wer der Komponist dieser wundervollen Noten gewesen sin musste. Doch dies tat nichts zur Sache. Viel mehr interessierte ihn die Frage, welcher erstaunlicher Mensch wohl hinter diesen lieblichen Klängen steckte?

Ohne seine Augen zu öffnen drehte Adam sich in Richtung, aus der die Musik kam. Er hatte sich schon ganz in der Musik verloren, versuchte Anschluss zu finden und sie zu verstehen, aber zum größten Teil genoss er einfach nur den Wechselklang der aufeinander folgenden Töne. Zum ersten Mal seit einer langen, langen Zeit war sein Kopf klar. Er dachte nicht, er dachte nicht an die schreckliche moderne Realität, er dachte nicht an die gute alte Zeit, nein er dachte noch nicht einmal an Eve.  Das einzige, was sich in seinem Kopf befand war die Musik, die er immer näher kam…

Only Lovers Left AliveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt