„Sie hat sich verändert!" sagte meine Mutter neben mir. „Beschreiben Sie mal die Veränderung, die Sie an Ihrer Tochter bemerkt haben." ,, Sie wirkt oft genervt, geht Gesprächen aus dem Weg, geht nicht mehr zur Schule und versteckt sich in ihrem Zimmer wie in einer Höhle oder Gruft!". In der Stimme meiner Mutter lag pure Verzweiflung. Es kam oft vor, das Sie mit so einer Stimme redet. Selbst mein Vater weis nicht mehr, was er mit mir und meiner Krankheit anfangen soll. „Nun Amy, wie siehst du das?" „Wie ich es sehe? Keine Ahnung. Ist mir auch egal!" „hm." nachdenklich schwenkte er den Stift leicht hin und her. Mein Therapeut war Mitte Dreißig. Hatte dunkle Braune Haare und an den Seiten konnte man leicht graue Haare erkennen. Er hatte eine beeindruckende Größe von fast zwei Metern. ,, Frau Mirsten, bei Ihrer Tochter liegt eindeutig eine Psychische Erkrankung vor. Auf dem Überweisungsschein steht „Depressive Störung und Depressive Erschöpfung". Es war eine Gute Idee gleich hier her zu fahren und von einer stationärer Behandlung würde ich erstmal abraten. Am besten ist es, wenn sie in einer Gruppentherapie teilnimmt und wir dann gucken, ob dann doch eine Stationäre Behandlung von Nöten sei." „Meinen Sie, das ist besser? Ich bestehe darauf, dass Sie lieber doch hier bleibt! Sie hat auch Wunden am linken Arm." „Ist das so? Wann hat sie es das letzte Mal gemacht?" „Gestern! Ich bitte Sie! Sie ist meine einzige Tochter! Ich will sie nicht dadurch verlieren und ich kann nicht in ihren Kopf rein gucken! Ich weiß nicht, was in Ihr vorgeht!". Etwas glitzerndes lief die Wange meiner Mutter runter. Es waren Tränen. Tränen der Verzweiflung und tiefer Angst. „In einem Zustand der Depressionen ist es schwer vorstellbar, das man sich jemals anders fühlen wird, als man es jetzt tut, sodass die Vorstellung auf eine glückliche Zukunft unmöglich ist." und es stimmte, was der Therapeut sagt. Egal, wie sehr man sich bemüht die Dinge anders zu sehen, durch die Gefühle die man jetzt gerade fühlt, kann man unmöglich an glückliche Zeiten zurückdenken. „Ich finde, das Blatt hat sich leider gewendet. Amy? Darf ich deine Wunden mal sehen?" Ohne was zu sagen, krämpelte ich mein Ärmel hoch und offenbarte die darunter liegenden Wunden. Es waren tiefe und große, aber auch kleine. Anfangs habe ich nur kleine Schnitte gezogen, aber nach der Zeit wurden sie immer größer und tiefer. „Es sieht schon sehr besorgniserregend aus." „Verstehen Sie jetzt meine starke Verzweiflung und die Angst?". Mit einem Nicken gab er meiner Mutter die Bestätigung. „Wir werden ihre Tochter hier aufnehmen, da ich eine Gefahr für sie selber sehe!". Es war mir egal, ob ich jetzt in eine Psychiatrie komme oder erst nach der Gruppentherapie. Er stand auf und ging zu seinem Schreibtisch rüber. Da schob er eine Schublade auf und holte ein Zettel raus, dann kam er wieder zu uns. „Wann ist Ihre Tochter geboren?" „ Am 26.10.2001!" „Und hat sie Allergien, auf die wir achten müssen?" „Nein." „Gut! Dann brauche ich noch eine Unterschrift zur Datenerklärung und eine Unterschrift, dass Sie, wenn Sie zurechnungsfähig nach draußen gehen darf." Sie nahm den Stift und unterschrieb beides.
„Und hast du dich ein wenig eingelebt?" Es ist jetzt genau Zwei Tage her seid ich hier in der Maxfield-Klinik eingewiesen worden bin. Die Klinik ist sehr steril gehalten. Nur der Eingangsbereich zeigte verschiedene Dekorationssachen und eine Wand voll mit Selbstgemalten Bilder von früheren Patienten. „Es geht schon." „Wenn sie möchten, können Sie mir ein Teil Ihrer Vergangenheit verraten. Alles was hier erzählt wird, bleibt unter uns und gelangt nicht an die Außenwelt." Mein Blick war gedankenlos nach draußen gerichtet. „Ich wurde gemobbt, als ich noch in der Grundschule war. Es hielte bis zur Achten Klasse an. Als ich noch ein Kind war wurde ich sexuell misshandelt von meinem Vater." „Und wann haben Sie angefangen, sich selber zu verletzen?" „Als ich Vierzehn war fing es langsam an und nach und nach wurde es immer schlimmer. So schlimm, das ich meine Mutter damit zum weinen brachte." „Ich kann die Sorge deiner Mutter verstehen und ich sehe eine schwere Belastung, die du seid dem Kindesalter auf deinen Schultern trägst." Ich sah ihn an und er sah mich an. Es kam mir vor, als wolle er versuchen zu verstehen, was in mir grad vor ging. „Was glauben Sie zu sehen, was in mir vorgeht?" „Die Frage ist eher, was Sie in ihrem Inneres sehen.". Was sehen in meinem Inneren? Was sehe ich da eigentlich? Dunkelheit und kalte Leere, die meine starke Seele vergraben haben oder doch eher eine Einbildung? Aber eigentlich bin ich Müde, kann aber nicht schlafen. Ich will auch nicht mehr. Ich kann auch nicht mehr. „Ich sehe in mir ein Mensch der verzweifelt versucht zu leben, schätze ich mal!" „Denken Sie, Ihre Wunden sind der Beweis dafür, dass Sie existieren?" „Nein... ja, ich glaube schon." nachdenklich über seine Worte, sprach er weiter. „Sich zu Ritzen ist kein Beweis für Ihre Existenz, sondern wer Sie sind ist schon Beweis genug, finden Sie nicht auch?". Er lächelte mich leicht an. Was will er damit sagen? „Kann sein." „ Vielleicht sehen Sie selbst nicht, was für ein Toller Mensch sie sind, aber Ihre Familie und Freunde, sehen in dir noch viel mehr." „Sagen Sie mal.." kurz zögerte ich „ Wie viel Trauer und Schmerz erträgt ein Herz, ohne Eiskalt zu werden?". Überrascht von der Aussage, sah mich mein Therapeut an. „ Man kann viel Schmerz ertragen, ohne dass das Herz eiskalt wird. Das wichtige ist, das man es gut verarbeitet und dazu bist du hier. Du bist hier und deine Vergangenheit zu verarbeiten." Das stimmt. Ich bin hier her gekommen, um meine Erlebnisse zu verarbeiten, damit ich ein halbwegs normales Leben führen kann. „Was ist eigentlich eine Depression?" „Eine Depression ist eine schwere seelische Erkrankung. Die Betroffenen fühlen sich sehr niedergeschlagen, verlieren ihre Interessen und sind oft müde, antriebslos und erschöpft. Die Krankheit besteht über längere Zeit und bessert sich ohne Behandlung meist nicht von alleine. Die Ursachen können jedoch verschieden sein und jeder kann an Depressionen erkranken."
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Entzündete Seele
RandomEin Mensch, der mit einer Volkskrankheit kämpft. Ein Leben ohne eine Sicht lebt. Eine Seele hat, die entzündet ist. „Der Moment, wenn sich die dunkle Wolke der Depression mal wieder vor den letzten Funken Hoffnung schiebt."