Kapitel 24

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Nervös stand ich vor der Tür zu Nicholas' Wohnblock. Über zwei Stunden lang hatte ich die verschiedensten Outfits angezogen und wieder ausgezogen, meine Haare frisiert und wieder durcheinandergebracht, hatte überlegt, ob ich Blumen mitbringen sollte oder nicht. Es kam mir so unglaublich bescheuert vor, einfach alles an meinem Verhalten. Es war nicht mein erstes Date. Nicht generell und auch nicht mit Nicholas. Wobei es irgendwie das erste Date-Date mit ihm war. Trotzdem. Wir waren zusammen. Ich sollte mich entspannen. Ein Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus. Wir waren zusammen.

Das Summen der Tür riss mich aus meinen Gedanken. Ich atmete tief durch, dann ging ich hoch. Nicholas wartete im Eingang seiner Wohnung auf mich. Vielleicht war es Wunschdenken, aber er wirkte ebenfalls nervös.

„Hey", krächzte ich. Verdammt. Ich räusperte mich und versuchte es nochmal: „Hey."

„Hi", sagte Nicholas leise. Okay, er war nervös. Er wirkte beinahe so schüchtern wie auf Nickys Geburtstagsfeier.

Wir standen voreinander und wussten nicht, was wir tun sollten. Gestern fühlte sich weit entfernt an. Wir lagen nicht mehr entspannt auf dem Sofa, schwer atmend und mit geschwollenen Lippen. Hoffentlich kamen wir noch zu diesem Punkt.

Weil Nicholas offensichtlich nichts machen würde, umarmte ich ihn kurzerhand. Immerhin kamen wir uns dabei nicht mehr mit den Armen in die Quere. Als ich nah genug war, drückte ich einen Kuss auf seinen Kiefer, der nach Aftershave roch. Frisch rasiert. Ich lächelte.

Wir versuchten bemüht Konversation zu betreiben, während ich Jacke und Schuhe auszog.
Mein Gehirn hatte Probleme, zusammenhängende Sätze zu bilden und Nicholas schien es ähnlich zu gehen. Ich fragte mich, ob es an mir lag, oder ob er bei anderen Leuten auch immer etwas brauchte, bis er sich in ihrer Gegenwart entspannen konnte. In meinem Fall lag es an ihm. Ich konnte nur hoffen, dass sich das irgendwann geben würde. Wir könnten theoretisch auch einfach durchgängig zusammen sein, dann gäbe es keine Möglichkeit, sich voneinander zu entfremden. Der Gedanke gefiel mir.

Das Licht im Wohnzimmer war gedimmt und im Hintergrund lief leise Musik. Nicholas hatte gekocht. Ich konnte das Gericht zwar nicht benennen, aber ich erkannte Fleisch und Gemüse. Der Tisch sah aus, als hätte sich Nicholas Mühe gegeben, aber nur so viel, dass es nicht übertrieben wirkte. Das Geschirr passte zueinander (ich versuchte meine Mom schon seit Jahren davon zu überzeugen, Sets zu kaufen) und er hatte Kerzen hingestellt. Aber es gab keine Rosenblätter, Tischdecke oder ähnliches.

Lächelnd sah ich zu ihm. „Sieht gut aus." Er sah auch gut aus. Mir fiel auf, dass er ausnahmsweise kein Flanellhemd, sondern einen weißen Strickpullover trug.

Nicholas rieb sich über den Nacken. „Falls du keine Kerzen magst, können wir sie auch ausmachen..."

Die Absurdität der Situation brachte mich zum Lachen. Nicholas schien verwirrt. Er sah so verloren aus, dass es in mir den Wunsch weckte, ihn zu küssen.

„Ich habe vorhin bestimmt 20 Minuten lang überlegt, ob ich dir Blumen mitbringen soll oder nicht", erklärte ich mein Lachen, „wieso ist das so schwer?"

Nicholas zuckte mit den Achseln. „Ich... möchte alles richtig machen."

Ein Teil meiner Anspannung fiel spürbar ab. Bevor ich zu viel drüber nachdenken konnte, schloss ich den Abstand zwischen uns und zog Nicholas zu mir herunter, um ihn küssen zu können.

„Ich auch", wisperte ich an seinen Lippen.

Nicholas legte seine Arme um mich und erwiderte den Kuss. Ich konnte mich nicht daran erinnern, so schon mal von jemand anderem als ihm geküsst worden zu sein. So sanft und gleichzeitig eindringlich. Als wir uns wieder voneinander lösten, sah Nicholas mit einem liebevollen Blick zu mir herunter. Irgendwann würde ich noch Herzprobleme bekommen, so viele Aussetzer konnten doch nicht gut für die Gesundheit sein.

Never enoughWo Geschichten leben. Entdecke jetzt