Kapitel 1

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Als Tims Stiefel in der Dunkelheit der überschaubaren Stallgasse auftraten, ertönte als Reaktion darauf das schnauben und Hufescharen drei verschiedener Pferde. Zielstrebig lief er auf die fünfte Box zu, für die er nur geradeaus durch musste, und schob den schweren Riegel beiseite, um die geräumige Box zu betreten. Die ruhigen Augen der Quarterhorsestute beobachteten seelenruhig, wie Tim den Westernsattel enger schnallte und sie am Zügel hinaus in den Hof führte. Gesattelt hatte Tim die Stute bereits am Abend um sofort aufbrechen zu können. Kaum erstreckte sich der kühle Nachthimmel über ihnen, schwang Tim sich auf den schweren Sattel und trieb sie hinaus in die Nacht. Die erste halbe Stunde lief das Pferd in einem gemächlichen Trab, erst als Tim es für anständig genug hielt, lies er das Pferd angaloppieren. Kaum hatte die Stute das Kommando bekommen, zuckten ihre hübschen fuchsfarbenen Ohren und sie preschte mit einer ausdauernden Kraft durch die Kulisse der zirpenden Grillen und des strahlenden Mondes. Tim ließ sich in dem starken Gallopp fallen; er hatte das Gefühl, jeder seiner Muskeln spürten die geballte Pferdestärke.
Tim besaß Mira schon sehr lange, sie war seine ausdauerndste Stute im Stall. Sie war sein erstes Pferd gewesen und er liebte ihre Art über die weite Steppe zu galoppieren. Sie mochte grobmotorisch wirken, doch für ihr Alter reagierte sie sehr fein und sensibel.
Tim hatte vor am nächsten Morgen in zu sein, ein unscheinbares Dorf mit nichts außer einigen wertlosen Bürgern. Er würde sich die nächsten Stunden ins Zeug legen müssen, um seine Arbeit in den ersten Morgenstunden verrichten zu können. Mit diesem Gedanken lehnte er sich etwas weiter über Miras Hals und preschte nun schneller über die Weiten der Prärie .
Die Umrisse der Häuser verrieten Tim, dass seine Ankunft nicht mehr lange auf sich warten würden liesse. Auch Mira schien zu spüren, dass sie es bald geschafft hatten, denn obwohl sie am Ende ihrer Kräfte sein müsste, beschleunigte sie ihren Trab und sie fanden sich bald umgeben von einigen Häusern.
Instinktiv schwang Tim sich aus dem Sattel und lockerte den Gurt.
Auch eine so ausdauernde Stute wie Mira wurde von einem stundenlangen Galoppieren mit Trabpausen an ihre Grenzen gebracht. Tim sah sich also sofort nach einer Möglichkeit um' das Pferd zu tränken und abzustellen. Er musste nicht lange suchen, keine Straße weiter sah man das Wort « Saloon » in roten Buchstaben auf einem breiten Brett, welches etwas schief über den Schwingtüren des Ladens hing.
Gleich davor stand eine Tränke die Tim nun ansteuerte
Mira trottete brav neben Tim her, der mit langen Schritten das frische Wasser erreichte.
Während Tim das Pferd mit einem Strick an einen Pfosten band, nicht das Mira sich jemals vom Acker machen würde, beobachtete er durch das verstaubte Fenster das langsam erlöschende Treiben an der Bar. Eine Gruppe verantwortungsloser Idioten grölten in einer Ecke besoffen, aus Tim jedoch unerklärlichen Gründen und irgendein Alkoholiker saß noch alleine mit leeren Glässchen auf einem Hocker. Konzentriert musterte Tim den blonden Hinterschopf der Person, die stockbesoffen den Barkeeper anlallte. Dieser hatte schon längst abgeschaltet und hoffte, das der Morgen ihn aus seiner Schicht erlöste. Als die betrunkene Gruppe auf ein weiteres in schallendes Gelächter ausbrach, drehte sich der Blonde um 300 Grad im die falsche Richtung um die Meute kurz beobachten. Tims Augen verformten sich zu Schlitzen, als er die Augenfarbe des Mannes zu erkennen versuchte.
Mit langen Schritten betrat er den Saloon und setzte sich neben den Mann, der alleine schon Probleme damit hatte, nicht vom Hocker zu kippen. Kurz musterte er den Kerl. Beim zweiten Hinsehen sah er viel älter aus, vielleicht um die 40, und trübe blaue Augen blickten aus den verdunkelten Augenhöhlen.
Zu alt, falsche Farbe. Das hier war nicht das Blondchen das er suchte.
Tim hoffte wirklich, dass dieser Mann keine enge Familie hatte, er wusste zu gut wie es war mit einem alkoholkranken Familienmitglied klarzukommen. Und er wünschte es keinem Anderen.
Mit gerunzelter Stirn wendete er sich von dieser gescheiterten Existenz ab und verließ den nach Alkohol stinkenden Ort.
Zu Fuß machte er sich weiter durch die Stadt, er musste sich einige Hundert Meter an den Stadtrand begeben und wollte das lieber unauffällig hinter sich bringen. Zudem war der harte und trockene Boden unter Pferdehufen lauter als man meinen könnte.Das konnte Tim nicht gebrauchen, was seinen Beruf ausmachte war eiskalte Präzision im Schafsfell.
Ein Mensch der auf einmal weg war, tot, fühlte sich für alle Bekannten komisch an. Das wusste Tim.
Er konnte nur schätzen, wie viel Schaden seine Morde jedes Mal hinterließen.
Und wieviel dieser hier mit sich bringen würde.
Er blickte an der düsteren Holzfassade hoch, die mit ihren altmodischen Planken Schatten auf ihre Umgebung warf. Tim Auftraggeber hatte ihn gewarnt.„Heruntergekommenes Haus", „von seiner Tante geerbt" hatte er gesagt und die buschigen Augenbrauen zusammengezogen und dann hatte er hinzugefügt: „Ihn umzubringen wird nicht schwer."
Die Veranda knarzte bei Betreten unter Tims Lederschuhen und dieser runzelte angespannt die Stirn, da er möglichst leise in das Haus hatte gelangen wollen.
Irgendwo in der Nähe schnaubte ein Pferd als Tim die Tür aufdrückte. Sie war nicht abgeschlossen. Ein vernünftiges Schloss würde sich bei dieser Bruchbude nicht lohnen, man könnte problemlos durch jedes Fenster. Systematisch und fokussiert lief Tim das Haus ab, versuchte jegliches Knarzen zu vermeiden, verschwamm mit den Ecken und Kanten des Hauses. Seine Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt, jegliche Faser seines Körpers konzentrierte sich auf den Auftrag. In einigen Stunden würde der Morgen anbrechen, bis dahin müsste er es hinter dich gebracht haben.
Weiterhin durchsuchte er das stockdüstere Haus, keine Öllampe wies auf Anwesenheit hin. Trotzdem setzte er seine Suche fort, sein Auftraggeber war klar gewesen: „Er wird dort sein, alleine, ist erst vor Kurzem dort eingezogen. Kennt niemanden, hat niemanden. "
Langsam stieg Tim die Treppen hoch, vermied jegliches Knarzen
bis auf die letzte Stufe, die ein kaum zu überhörendes lautes Geräusch von sich gab.
Tim bewegte sich keinen Millimeter. Seine stahlharten Nerven ermöglichten ihm rationale Handlungsmöglichkeiten. Er konzentrierte sich auf sein Gehör. Die Zeit schien träge, der, durch das Mondlicht am Fenster, sichtbare Staub fiel wie in Zeitlupe auf den splitternden Holzboden.
Plötzlich nahm Tim im hinteren Teil des Hauses hörte er ein leises Quitschen wahr, als hätte jemand ein Fenster mit rostigen Scharnieren geöffnet. Kurz drauf das dumpfe Geräusch eines Aufpralls.
Wer auch immer das war musste verdammt schnell reagiert haben. Eine Flucht durchs Fenster nach so einer kurzen Zeit hinzulegen war ihm noch nie untergekommen.
Tim drehte sich um und rannte die Treppe herunter. Er wusste, dass es jetzt nur noch um Zeit ging.
Kaum hatte er die Haupttür nach draußen aufgerissen, nahm er seine Finger in den Mund und pfiff das es die Nacht zerschnitt. Mira angebunden zu haben war eine Sache die er bereute, sie würde Zeit brauchen sich die Trense abzuziehen und die war gerade Gold wert.
Hinter dem Haus hörte Tim, wie sich ein galoppierendes Pferd entfernte.
Der Flüchtling versuchte sich jetzt also mit dem Pferd davon zu machen, das konnte ja noch spannend werden. Mira brauchte zwanzig Sekunden, da schoss sie ohne Trense um die Ecke und gallopierte auf die Veranda zu vor der Tim stand. Dieser lief los und das Pferd kam mit großen, kräftigen Galoppsprüngen näher.
„Brrr, mach vorsichtig." , hörte Tim sich leise sagen, behielt sein Tempo jedoch bei, und das Pferd bremste auf das Fuhrkommando hin leicht ab, sodass Tim sich kurz darauf auf den Westernsattel schwang. Er ignorierte, das dieser etwas zu locker saß, da er den Gurt vorhin länger geknotet hatte und spürte dafür die volle Portion Adrenalin, die jetzt in seinen Venen pochte
Tim lehnte sich im Sattel vor und presste die Fersen seitlich in Mira Bauch. Trensenlos fetzten sie am Haus vorbei in die Weite der Prärie.
In der Ferne sah Tim den fremden Reiter und konzentrierte sich darauf den Punkt nicht aus den Augen zu verlieren. Mira schien genau zu wissen worauf es jetzt ankam, sie lehnte die Ohren nach hinten und legte nochmal einen Zahn zu.
Tims Augen verformten sich zu Schlitzen. Der Verfolgte steuerte auf den Wald zu, dort hätte er die Chance Tim zu entwischen. Grob stieß Tim der Stute die Fersen in die Flanke. Er hatte erst gehofft auf Zeit spielen zu und das andere Pferd erschöpfen lassen, doch das hätte nur auf einem übersichtlichen Gelände funktioniert.
Mit einigen geschickten Handgriffen griff er seinen Revolver und lud ihn nach. Trotz halsbrecherischen Jagdgalopps waren seine Händ ruhig, jeder Finger wusste was seine Aufgabe war. Tim war mit solchen Waffen aufgewachsen, er könnte sie im Schlaf zücken, um die Waffe zu spannen. Sein Blickfeld musste sich nur für wenige Millisekunden von dem Doppelpack vorne abwenden. Seine linke Hand fuhr in die Tasche seiner
Tims linke Hand griff auch kurz darauf wieder in Miras fuchsfarbene Mähne während in seiner rechten Hand das kühle Metall ruhte.
Eigentlich hatte Tim vorgehabt diesen Mord möglichst unauffällig hinzulegen, die Leiche hätte man Tage später mit einer klaffenden Winde an der Kehle gefunden. Eiskalte Präzision.
Sollte der Gejagte allerdings in seine Reichweite kommen, würde er nicht zögern den Abzug des geladenen Revolvers zu betätigen.
Tim nahm wahr, dass der Abstand zwischen dem Verfolgten und ihm zwar immer geringer wurde, sich allerdings auch der zum Wald drastisch verkleinerte.
Die ersten Zweige umliegender Bäume peitschten ihm kurz darauf ins Gesicht, er musste die Augen immer wieder von dem blonden Hinterkopf des Reiters abwenden, der anfing in unberechenbaren Mustern durchs Unterholz zu hetzen. So geradlinig wie möglich heftete Tim sich an seine Fersen. Wenn er jetzt richtig reagierte konnte er aus diesem Verhalten Vorteile ziehen. Mit einer Hand verstaute er die Waffe an seinem Gürtel. Er konnte unter diesen Umständen und Lichtverhältnissen nicht versuchen zu schießen.
Stattdessen gab er Mira mit seinem Hacken den Befehl zu Beschleunigung, die Stute atmete inzwischen hörbar und mit Sicherheit lief ihr Schaum aus dem Maul. Mit seinen Beinen lenkte Tim das Pferd nach links und sah wie er dem anderen Reiter von der linken Seite näher kommen konnte. Als dieser seinen Kopf drehte und sein Handeln bemerkte handelte Tim rein primitiv, lenkte das Pferd harsch näher an den Gegner. Die Füße hatte er aus den Steigbügeln gezogen. Ohne länger nachzudenken hockte Tim sich auf seinen Sattel und drückte sich mit aller Kraft ab und stürzte sich auf die hartnäckige Zecke. Der Reiter wurde nach hinten weg vom Pferd gerissen und sowohl Tim, als auch das Blondchen kamen auf harten Waldboden auf. Der Aufprall ging durch Tims gesamten Körper. Er hörte das Geräusch von zerreißender Kleidung.
Sein Schädel fühlte sich auf einmal bleiernd schwer an. Irgendwo in der Ferne hörte Hufe davonlaufen. Er presste sich mit seinem Oberarm von dem erdigen Untergrund der ihm, der Schmerzen nach zu urteilen, das Bein aufgeschürft hatte. Vor sich lag Tims hart erkämpfte Beute. Die ersten Sonnenstrahlen der aufgehenden Sonne bahnten sich durch das dichte Blätterdach und kündigten den Morgen an.
Fuck hatte der es ihm schwer gemacht.
Tim war noch nie auf so erfolgreichen Widerstand gestoßen.
Dann packte Tim mit einer Hand beide Handgelenke des jungen Mannes und pinnte sie über seinen Kopf. Die andere Hand hielt Tims Jagdmesser fest umschlungen.
„Wie heißt du?", fragte Tim mit seiner tiefen Stimme.
Tatsächlich sah der Junge aus wie 20 und hatte helle, blonde Haare.
Die grünen Augen des Angesprochenen öffneten sich langsam und erwiderten Tims Blick standhaft.

1899 // StexpertWhere stories live. Discover now