Etwas Böses

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Für alle, die „Das Licht In Ihr" bis zum Schluss gelesen haben: der versprochene, erschreckend bitter geratene Oneshot.
Weil ich ein passendes Bild gefunden habe, musste das natürlich direkt bearbeitet und als Mini-Cover gestaltet werden. Warum der Schriftzug auf Englisch ist? Fragt mich nicht.

Ein frohes neues Jahr wünscht euch
Eure Merope
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Die Schritte der Rothaarigen waren entspannt, aber energisch, als sie im Dunkeln die Hauptstraße Storybrookes herunterging. Kurz vorm Waldrand lag ein kleines Geschäft, das als Mr. Golds Pfandleihe gekennzeichnet war. Sie summte leise vor sich hin. Hierauf hatte sie schon lange gewartet.
Durch das Fenster sah sie ihn hinter der Theke hantieren. Er platzierte neue Ware in einer Vitrine. Sein hellbraunes Haar trug er länger als damals und er war deutlich dünner geworden. Der Kleidungsstil war aber nach wie vor derselbe: lange dunkle Umhänge, ein Frack oder ein Hemd und die obligatorische Fliege in rot oder violett. Sie hasste diesen Mann mit jeder Faser ihres Daseins. Ebenso wie seinen Sohn, also würde ihr das Theater, das sie plante, keineswegs leidtun.
Sie wischte sich die Hände sauber, an denen noch Blut klebte. Dann machte sie sich einen Pferdeschwanz, eine Frisur, die sie für gewöhnlich mied. Sie hatte keinen blassen Schimmer, ob er sie wiedererkennen würde, also versuchte sie, ein bisschen anders auszusehen als er sie in Erinnerung habe dürfte.
Die Glocke über der Tür erklang, als sie die Klinke herunterdrückte und den Laden betrat. „Hallo", sagte Zelena und friemelte betont hilflos an ihrem grünen Samtmantel herum. Diese Täuschung ging ihr jetzt schon gewaltig auf den Keks. Sie wollte ihn tot sehen – oder dass er seine Meinung änderte. Aber das würde er ohnehin nicht, da war alle Mühe vergebens. Und tot würde er Regina nichts nützen.
„Einen wunderschönen Abend, Teuerste", erklang es vom Verkaufstresen her. „Sie kommen mir bekannt vor. Sind wir uns schon mal begegnet?"
Ihr wurde sehr warm. Das musste sie schnell überspielen. Einen Moment sah sie ihn an, als erinnere sie sich nicht, dann schlug sie sich gegen die Stirn als wäre ihr ein Licht aufgegangen. „Sie sind der ehemalige Direktor der Storybrooke High, richtig? Ich bin hier in Storybrooke auf die Schule gegangen." Das stimmte nicht. Ihr Lehrer gewesen war er trotzdem, damals in Boston.
„Dann werden wir uns daher kennen. Wie kann ich Ihnen nun helfen?" Dieses. Abscheuliche. Schmunzeln.
„Ich suche ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk für meine Schwester", log sie, ein liebliches Lächeln auf dem Gesicht. Tatsächlich konnte Regina lange warten, bevor sie irgendetwas in der Art von ihr bekam. Schließlich hatte sie Zelena ebenfalls noch nie etwas geschenkt.
Gold legte den Kopf leicht schief. „Womit kann ich dienen? Eine..." – unnötige Kunstpause – „... Uhr vielleicht?"
Zelena riss die Augen in falscher Begeisterung auf. „Eine Uhr? Natürlich, das passt wunderbar!" Sie machte ein paar Schritte auf ihn zu und lehnte sich an den Tresen. Oh Gott, der Babybauch war im Weg. Den wollte sie nicht gerade zur Schau stellen, also ließ sie die Pose sein. Stattdessen füllte sie die entstehende Stille, in der er einige Modelle heraussuchte, mit losem Geplauder: „Bisher habe ich meiner Schwester noch nicht oft etwas geschenkt, und mit einer Uhr kann man doch nicht viel falsch machen, nicht?"
„Da liegen Sie vollkommen richtig." Er lachte, so als sei es tatsächlich ihre Idee gewesen, eine Uhr zu kaufen. Wäre Zelena nicht Zelena, dann wäre sie mit Sicherheit darauf hereingefallen. Ein interessanter Trick, um das schlechte Gewissen von jemandem, der ein unpersönliches Geschenk aus der Pfandleihe erwarb, zu lindern.
Er mochte ein guter Verkäufer sein, aber sie war eine gute Schauspielerin. Kurz sah sie nach oben ins Licht der Lampe über ihrem Kopf, ohne zu blinzeln, verzog den Mund leicht, legte die Stirn in Falten und kniff die Augen dann mehrmals übertrieben heftig zusammen. Das trieb ihr die Tränenflüssigkeit in die Augen. Selbstzufrieden stellte sie fest, dass er noch beschäftigt war. Sie schniefte theatralisch.
Verdutzt sah er auf. „Teuerste, ist Ihnen nicht gut?"
Sie versteckte ihr Gesicht hinter der rechten Hand, sodass sie es sich erlauben konnte, die Performance ein wenig herunterzuschrauben. „Es ist nichts."
Er nickte diskret und machte sich daran, die fünf verschiedenen Modelle vor ihr zu deponieren. So leicht konnte man ihn abwimmeln? Nun gut, dann musste sie dem Ganzen noch ein wenig nachhelfen.
„Warten Sie..." Ihre Hand schnellte vor und legte sich auf seine. Er erstarrte. Sie rang sich ein von Tränen durchdrungenes Lächeln ab: „Ich muss mit irgendwem darüber reden."
„Ich bin ganz für Sie da."
Alter Charmeur, dachte sie sich verächtlich, sagte aber mit zerbrechender Stimme: „Danke Ihnen." Durchatmen, mehr Tränen. „Mein Freund hat mich sitzen lassen. Wie Sie sehen, bin ich schwanger. Ich kann ohne ihn die Miete nicht bezahlen." Sie wurde von schweren Schluchzern geschüttelt. Das fiel ihr nicht sonderlich schwer, immerhin hatte sie dieses Problem tatsächlich.
„Sie Ärmste." Er kam um den Tresen herum.
Je näher er ihr war, desto stärker wurde das Verlangen, ihn entweder zu küssen oder ihm die Augen mit den bloßen Fingern herauszukratzen. Sie kaschierte ihre wahren Gefühle unter Verzweiflung, die sie tief aus ihrem Inneren hervorkramte. „Würden Sie... bei einer Tasse Tee mit mir darüber reden?", flüsterte sie erstickt. Gut, das war plump gewesen, aber sie hatte nicht ewig Zeit.
„Sicher doch." Er führte sie ins Hinterzimmer. Die Stelle auf ihrem Rücken, an der seine Hand lag, brannte wie Feuer.
Geduld, Geduld, ermahnte sie sich. Auf seine Anweisung hin nahm sie an einem runden Kaffeetisch Platz.
„Einen Moment, ich koche schnell zwei Tassen für uns-"
Sie fiel ihm ins Wort. „Nicht nötig, ich habe Tee dabei." Mit einem schiefen Lächeln hob sie die Thermoskanne hoch, die sie die ganze Zeit unauffällig bei sich getragen hatte. Er stellte zwei Tassen hin und sie goss ihnen ein. „Könnte ich ein Taschentuch haben?", bat sie.
„Selbstverständlich." Er stand auf und suchte ihr eines.
Währenddessen nahm sie ein Tütchen aus ihrer Manteltasche und schüttete es vollständig in den schwarzen Tee ihres Gastgebers. Maximal zwei Tassen durfte sie trinken, also würde ein Schluck nicht schaden. Blieb nur zu hoffen, dass Gold nicht auffiel, dass sie definitiv mehr als das Volumen von zwei Tassen bei sich trug. Wobei er vielleicht auch nicht besonders viel über Schwangerschaften wusste.
„Danke." Sie tupfte sich die Tränen weg, ebenso wie die verlaufene Wimperntusche. „Sie haben gar keine Ahnung, wie viel mir das bedeutet."
Und dann trank er. Sie wartete, bis er seine Tasse geleert hatte, dann breitete sich ein boshaftes Grinsen auf ihrem Gesicht aus, als sie beobachtete, wie sich seine Miene entspannte. „Ich muss gestehen, dass ich ein bisschen geflunkert habe, mein Lieber."
Seitens Gold wurde ihr ein verständnisloses Stirnrunzeln zuteil. „Wovon um alles in der Welt sprechen Sie?"
Langsamer Wimpernschlag, stechender, unangenehmer Blick aus hellblauen Iriden. „Davon, dass ich keine Geschenke verteile. Und zwar Tee mag, aber dich von Herzen hasse." Sie lachte grell auf. „Du erkennst mich nicht." Sie löste ihr Haarband. Die roten Locken quollen hervor. „Wie sieht's jetzt aus?"
Seine Augen weiteten sich entsetzt. „Zelena!"
Goldrichtig!" Sie kicherte verhalten. „Und jetzt kommen wir zum Geschäftlichen!" Sie nahm ein gefaltetes Papier aus ihrer Mantelinnentasche. „Du wirst das jetzt unterschreiben."
Er bemühte sich sichtbar darum, seine Sinne beisammen zu halten. Die Drogen setzten ihm zu. „Warum... sollte ich... das tun?"
„Meine kleine Schwester steckt in Schwierigkeiten und das hilft ihr", erklärte Zelena genervt. Vielleicht war Regina schon von der Polizei gefunden worden! Möglicherweise sogar schon auf dem Revier. In dem Fall wäre es deutlich schwieriger, sie da herauszumanövrieren. Die Ungeduld ließ sie vorschnell handeln: „Nebenbei gesagt, wenn du es nicht tust, dann töte ich deinen Sohn."
Seine Brauen schnellten in die Höhe. „Bitte was?"
„Ach ja, das habe ich vergessen zu erwähnen." Zelena gab vor, erschrocken zu sein. Dann jedoch konnte sie sich einem Grinsen nicht mehr erwehren und zauberte einen leicht zerfledderten Traumfänger hervor. Er stammte aus Neals Wohnung. Den hatte sie damals mitgehen lassen, sobald sie seine Schlüssel in die Finger bekommen hatte. Der kam ihr nun zugute. „Ich habe so einiges dabei", meinte sie, bescheiden zwinkernd. „Den habe ich von Neal. Du weißt, dass ich nicht lüge, was das angeht, du kennst seine Hirngespinste. Und wenn du nicht unterschreibst, dann..."
„Du bist verrückt." Der drohende Zeigefinger verlieh ihm nur geringfügig mehr Autorität in dieser Situation.
„Das ist nicht von Relevanz, Gold", meinte Zelena amüsiert. „Was zählt ist, dass ich dich in der Hand habe. Du musst tun, was ich von dir verlange. Eine kleine Unterschrift gegen die Freiheit deines Sohnes. Was sagst du?"
„Das ist kein fairer Handel", widersprach Gold, ganz der Sturkopf, der er in all der Zeit, seit sie ihm das erste Mal begegnet war, gewesen war.
„Tatsächlich?" Zelena tippte sich mit dem Zeigefinger gegen ihr Kinn. „Ich finde schon, dass das fair ist. Die Freiheit deines Sohnes ist also nicht mit der Freiheit meiner Schwester aufzuwiegen? Zu schade." Sie stand auf. Regina blieb nicht mehr viel Zeit. Sie musste das ganze beschleunigen. „Dann gehe ich jetzt und-"
Gold schnappte sich erschreckend zielsicher seinen Stock, den er ans Tischbein gelehnt hatte, und holte aus. Zelena zuckte schon zusammen und drehte sich weg, da verfehlte er sie nur um einige Zentimeter.
„Bist du komplett irre?!", schrie sie und riss ihm den Stock aus der Hand. „Wärst du nicht high, hättest du mich oder mein Baby ernsthaft verletzen können!" Sie knallte ihm das bedruckte Blatt Papier aggressiv vor die Nase. „Unterschreiben."
Er tat, was sie wollte. Ohne zu wissen, dass er sein Geständnis unterschrieb, das ihn letztendlich sein eigenes Leben kosten würde. Kaum, dass er fertig unterzeichnet hatte, schnappte sie ihm das Papier weg und packte es ein. „Und jetzt, wo das geklärt ist, die böse Wende: Neal ist bereits tot."
Gold sah drein, als hätte sie ihm die Luft abgeschnitten. „Was hat er dir getan?" Seine Stimme war dünn, dass er weinte, versuchte er gar nicht erst zu verstecken.
„Sagen wir es so, er und ich sind nicht immer so gut klargekommen. Es hat sich hochgeschaukelt", meinte Zelena vage. „Aber sein Tod war ja nicht unbedingt meine Schuld. Der arme Knirps ist ganz ohne mein Zutun eine Treppe heruntergestürzt. Zu dumm, dass er noch nie ein besonders großer Glückspilz war... Er hat sich das Genick gebrochen. Tödlich."
„Du hast ihn umgebracht", wimmerte Gold.
„Und du hast mir damals das Herz gebrochen!", keifte Zelena. „Jetzt bezahlst du dafür!" Sie packte ihn am Kragen und zerrte ihn hinaus. Erst wehrte er sich kaum, zu sehr hatte ihn die Nachricht über den Tod seines verschollenen Sohnes getroffen. Je mehr des Weges sie aber im Eilschritt zurücklegten, desto mehr wehrte er sich. Er wollte wissen, wo sie ihn hinbrachte. „In dein Verderben, mein Lieber", war ihre Antwort.
Zelena West war skrupellos, die größte Zeit ihres Lebens über gewesen. Das würde sie auch einiges kosten. Doch am Ende war sie immer noch die Klügste, die immer ein Ass im Ärmel hatte. Nur als sie nicht beweisen konnte, dass sie ihre Mutter nicht ermordet hatte, konnte ihr nichts und niemand mehr helfen. Doch drei Jahre im Gefängnis waren wohl ein ganz akzeptabler Preis für ihre Taten. Auch wenn die meisten davon niemals offengelegt werden würden.

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⏰ Last updated: Jan 01, 2020 ⏰

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