Die erste Entscheidung

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Was ist das denn eigentlich, was wir hier tun? Was ist das Leben und was hat es für einen Sinn? Wir schimpfen uns Optimisten, Pessimisten, Realisten. Wir sind Individualisten, wir verschreiben uns dem Altruismus. Manch einer sagt, da muss man durch bis man stirbt. Und der Andere hat sich in seinem Hamsterrad noch nie Gedanken darüber gemacht. Dann gibt es noch ein Paar, die sagen, da gibt es irgendwas und das muss ich erst noch finden. Wo fängt man denn da jetzt an zu suchen?

Eine Antwort darauf, was das Leben ist, kann einfach und schwierig sein. Was muss man sich denn dafür anschauen? Dich selbst, die Menschen um dich herum, die ganze Welt oder gar das Universum? Falsch davon ist erstmal nichts. Den Fakt ist, du bist hier. Genau zu diesem Zeitpunkt in dieser Welt, in diesem Universum mit dir selbst. Warum das so ist? Das kann ich dir nicht beantworten und mit absoluter Sicherheit wird das auch niemals jemand anders können. Fakt ist: Du bist hier. Und genau da solltest du anfangen und nicht einen Schritt weiter vorne oder weiter hinten. Du bist hier und lebst. Und bevor du an irgendetwas zweifelst oder gar verzweifelst, bevor du dich ärgerst, bevor du irgendetwas in Frage stellst, solltest du dir erstmal eine ganz wichtige Frage stellen: Will ich denn leben? Denn damit fängt ja wohl alles an, der Rest folgt dann erst. Wenn du dir jetzt an dieser Stelle denkst: Nein, das will ich nicht. Ich will nicht leben. Dann stellt sich mir die Frage: Warum? Hast du schon so viel Schmerz gespürt oder findest du den Sinn nicht? Hast du so viele Zweifel? Kannst du dich selbst nicht ertragen? Kannst du die Welt nicht ertragen? Erdrücken dich die Gedanken an Krieg, Tierversuche und verhungernde Kinder? Fehlt dir ein Mensch ohne den du nicht leben kannst? Die Liste könnte ich jetzt noch ewig weiterführen. Wenn du gerade an dem Punkt bist, an dem du dein Leben wirklich nicht als lebenswert empfindest: Was hast du denn dann bitte noch zu verlieren? Es muss ja alles weg sein, denn dich scheint ja nichts mehr zu halten. Wenn du dich an diesem Punkt tatsächlich befindest, dann stell dir dein Leben vor wie ein Bild: Du hast dein Leben lang daran gemalt, nichts an diesem Bild gefällt dir. Es ist dunkel und verschmiert, da ist keine Struktur, da sind nur dunkle Farben. Stell dir vor, wie du dieses Bild gestaltet und vergrößert hast. Jede Handlung war ein Farbstrich. Bevor ich dir jetzt den ersten wichtigen Rat gebe, ist es wichtig, dass du verstehst, dass du dieses Bild gemalt hast. Es lag nicht vorgefertigt vor deiner Geburt in einem Schrank der Schicksale. Niemand hat für dich gemalt. Klar, da gab es die Kindheit, da gibt es die Umstände, da gibt es die Umwelt. Aber bewegt hast du dich darin. Du bist gewandelt und du hast jede Sekunde entschieden, welchen Schritt du als nächstes gehst. Du denkst jetzt bestimmt: Ach Blödsinn, damals mit vier, da hat Mama gesagt, ich darf dies und das nicht. Oder: Ich lieg hier gerade im Krankenhaus und bin schwer am Schnaufen, ich kann hier nicht weggehen. Ja da hast du natürlich recht. Aber deine Schritte passieren ja nicht immer physisch. Dann müssten sich ja alle kranken Menschen gleich verhalten, wenn die Krankheit die Schritte für sie zeichnet. Dann müssten Geschwister ja den gleichen Lebensweg gehen oder? Richtig, das stimmt nicht. Jeder hat eine eigene Art und Weise mit einer Situation umzugehen und hat dementsprechend eigene Entscheidungen getroffen. Und um den Kreis dahingehend wieder zu schließen: Du hast dieses Bild selbst gemalt. Jetzt schauen wir uns nochmal dein Bild an. Du willst es nicht mehr, es macht keinen Sinn. Und ich sag dir jetzt auch noch, dass du das alles selbst gemacht hast. Wenn du dich jetzt noch schlechter fühlst, dann hast du einen ganz wichtigen Schritt verkannt. Das bedeutet im Umkehrschluss: Du malst das Bild. Jetzt gerade malst du! Und du kannst es malen wie du willst. Natürlich kannst du dir jetzt dein altes Gemälde anschauen und daran verzweifeln. Aber jetzt sei doch mal ganz ehrlich: Das ist doch dumm. Da steht eine Farbpalette aus den prächtigsten Tönen vor deiner Nase. Warum malst du dir denn jetzt nicht einfach ein Neues? Ich bitte dich jetzt dein altes Gemälde anzuschauen und dankbar dafür zu sein, dass es dich genau hierhergebracht hat. Stell es zu Seite, wirf es nicht weg. Irgendwann wirst du es mit anderen Augen betrachten können und wirst vielleicht die kleinen hellen Farbkleckse in der dunklen Masse erkennen, die du dort so gut versteckt hast. Aber dazu später. Also erstmal, willst du dieses Leben ja nicht mehr. Also stell dein Bild zu Seite. Das ist ein Kapitel, dass in deine Sammlung kommt, aber jetzt startet ein Neues. Und bitte betitele es nicht mit „Tod". Du willst doch kein Künstler sein, der sein Werk nach der Einleitung schon hinschmeißt oder? Willst du nicht eine ganze Ausstellung haben oder ein ganzes Buch schreiben? Such dir aus welche Metapher dir besser gefällt, aber wir sind uns einig, dass aufhören doch jetzt noch keine Option sein kann? Also setz dich vor dein nächstes Bild, triff diese Entscheidung. Geh in dich, schließe die Augen und stell das alte Bild weg. Und jetzt stell dir vor, wie du vor einer großen weißen Leinwand sitzt. Du besitzt unzählige prachtvolle und wunderschöne Farben. Und du, du allein, kannst jetzt das Bild malen, von dem du immer geträumt hast. Also such dir die schönste Farbe aus, die dir ins Auge fällt, nimm den Pinsel, mal deinen ersten Strich und beschließe zu leben. 

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⏰ Last updated: Jan 06, 2020 ⏰

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Die kleine SouffleuseWhere stories live. Discover now