Prolog

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Krieg bleibt Krieg, Egal warum, egalwo, egal wie und egal wann. Egal wie gut deine Intentionen sind, egalwas für ein Tyrann du bist, immer werden Menschen daran zu Grundegehen. Dem Krieg folgen immer Rachsucht und Schmerz. Dem Krieg folgtder Tod.


Seine schneeweißen Hände umfasstenkrampfhaft das rostige Schwert zwischen seine Fingern. Die Wälderwaren dicht und unübersichtlich und doch kämpften sich die Männerimmer weiter voran. Irgendwo war ein leises Jaulen zu hören undaugenblicklich stellten sich ihm die Nackenhaare auf. Die restlichenMänner schienen dies gar nicht zu bemerken, doch nun zitterte derJunge wie Espenlaub, während er immer schneller ging und versuchteniemandem die Angst zu zeigen, die er verspürte. Ganz Vorne, an derSpitze des Menschenzuges ritt er. Der Prinz der sie heute in eineruhmreiche Schlacht führen sollte. Man erkannte ihn sofort an derdunkelblauen Robe und den goldenen Verzierungen an seiner Rüstung,die sicherlich ein Vermögen gekostet hatte. Er selbst hingegen trugkaum mehr als ein löchriges Kettenhemd und die Lederhose, die ihmVater zur Abreise geschenkt hatte. Vater, wie es ihm wohl erging?Würde er den Hof ohne ihn gut versorgen können? Er mit seinemlahmen Arm und den zerstörten Knochen. Niemals hätte er sich dieseZukunft für seinen Sohn gewünscht, doch so war das eben in Teberia.Jeder Sohn kämpfte eines Tages für das Land, nein, kämpfte fürmehr Land, denn der König bekam davon niemals genug. Jedes Jahrwurden zahlreiche Jungen eingezogen, die alt genug waren oderzumindest schon aussahen wie junge Männer. Die meisten von ihnenerhielten weder eine Ausbildung, noch kehrten sie je aus denFeldzügen aus den fremden Ländern zurück.


Heute Nacht allerdings sollte das ganzanders sein. Heute Nacht würden sie die Silua angreifen. Die dummenBarbaren, die sich in ihren dichten Urwäldern verschanzen wie dieRehe. Man sagte, sie würden ihre eigenen Kinder auf den Altärenihren grässlichen Göttern opfern und dann das frische Fleischselbst verspeisen.

Eine Gänsehaut erfasste ihn undbeinahe wäre er über eine der dicken Wurzeln am Waldbodengestolpert, als vor ihm plötzlich die gesamte Kompanie, sicherlich500 Mann, zum stehen kam. Rau und tief klang die Stimme des jungenPrinzen durch die dichten Wälder. Er sprach leise, damit in derFeind nicht hören konnte, aber seine Worte wurden wie eine Woge vonseinen Männern zu jedem weitergetragen. „Ihr erstes Lager liegtdirekt vor uns", flüsterte ein Mann direkt neben dem jungenSoldaten. „Höchstens 50 dieser Wilden, wir fallen von allen Seitenüber sie ein. Niemand wird verschont", erklärte dieser weiter undgrinste dabei hämisch. Dem Jungen wurde übel. Niemand wirdverschont. Das hieß, das hier würde ein reines Massaker werden undder Prinz von Teberia würde sicher nicht vor Frauen und Kindern haltmachen.


Schnell war das Dorf eingekreist undjeder einzelne der Bewohner wurde nieder geschlachtet, wie ein StückVieh. Und so ging es weiter. Die ganze Nacht. Dorf für Dorf wurdeabgemetzelt. Die ganze Nacht hörte man die Schreie, das Kreischen,das Sterben. Ganz genau wusste der Prinz wo er zuschlagen konnte undwas die beste Strategie war. Manchmal schlichen sie sich an undtöteten Mütter im Schlaf, manchmal traten sie mit lautem Gebrüllin die Dörfer und schnappten sich die panisch fliehenden Silua wieentlaufene Hühner. Der Morgen graute bereits, als der Prinzankündigte, dass sie das letzte Lager der Wilden erreicht hätten.Seine Hände zitterten, diesmal allerdings vor Müdigkeit. Es wareine lange und anstrengende Nacht gewesen und jeder hier sehnte sichnach etwas Ruhe. Hoffentlich würden sie diese nun bald endlichbekommen.


In diesem Lager schienen die Barbarenselbst Krieger zu sein, denn der Prinz ordnete an die Formationen undTechniken zu nutzen, die sie für Feldzüge in größeren Ländernerlernt hatten. Noch einmal atmete er tief durch, dann hob er seinrundes Schild an und nahm seinen Platz in dem Pulk ein, der in derForm einem spitzen Keil ähnelte. Schritt für Schritt drangen sie indas Dorf vor. Noch immer schienen alle zu schlafen. Zumindest dachtensie das. Dann plötzlich erklang ein lautes Dröhnen, sodass er sichzurückhalten musste, um seine Ohren nicht mit seinen schneeweißenHänden zu bedecken. Im nächsten Moment waren da überall Menschen.Sie trugen Waffen die er nicht kannte und Rüstungen aus Material,dass er in Teberia noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Dennoch hattensie keine Chance. Ohne Probleme mähte der Keil aus Soldaten jedender Krieger nieder, bevor diese überhaupt wirklichen Schaden an dieMänner aus Teberia weitergeben konnten. Nun kam der unangenehmerePart. Die einfachen Zelte der Silua wurden in Brand gesteckt undjeder, der aus dieser feurigen Hölle fliehen wollte, fand sich miteinem Schwert in der Brust wieder. Der junge Prinz selbst schienkeinerlei Problem mit diesem Gemetzel zu haben, denn er stach aufFrauen wie auf Kinder ein, beinahe als würde es ihm Freude bereiten.Der junge Soldat allerdings hatte keine Freude daran. Zwar waren diesalles Wilde, ohne jede Menschlichkeit oder Recht zum Leben, aber dochwaren es einfach nur Kindern – unschuldige Wesen. Sein Arme wurdemüde und er blieb einen Moment still neben einem der Zelte etwasabseits stehen, wo er sein letztes Feuer für diese Nacht entzündete.Das Zelt aus dunkelgrünem Stoff rauchte und er vernahm von drinnenein angestrengtes Husten. Herausgetorkelt kamen eine alte Frau mitwirrem rotem Haar und ein junges Mädchen von vielleicht 12 Jahren.Sofort stellte sich das Mädchen vor die Ältere und hielt demfremden Soldaten eine rund geformte Klinge entgegen. Sie schrie ihmirgendetwas in einer Sprache zu, die er kein bisschen verstand. Inihren dunklen braunen Augen schienen Flammen zu lodern und sie zeigtekeinerlei Angst. Stattdessen war der junge Soldat es, der einenSchritt zurückwich. Bevor er reagieren konnte, war das Mädchen anihm vorbeigehuscht. Die alte Frau hielt sie an der Hand und zog siehinter sich hier.


In diesem Moment verspürte er einenspitzen Schmerz an seinem Arm und er wandte sich mit vor Schreckgeweiteten Augen um. Hinter ihm stand er. Die wütenden grauen Augenmusterten ihn voller Abscheu, dass Schwert hielt er fest in beidenHänden. Von der Scheide tropfte Blut, das Blut des Soldaten. Es warder Prinz, dieser hatte perfekt eines der Löcher in seinemKettenhemd genutzt und ihm das Schwert über die verletzliche weißeHaut gezogen. Das Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor, währender versuchte die Blutung zu stillen. „Was schaust du so bescheuertSoldat?! Geh ihnen nach. Keiner dieser Missgeburten soll überleben",schrie der Prinz ihm entgegen und der Junge konnte nicht anders, ergehorchte.


Wie ein Verrückter kämpfte er sichdurch die verwilderten Pfade des Dschungels und versuchte das Mädcheneinzuholen. Die Kleine schien sich in dem Wald unglaublich gutauszukennen, denn als er endlich den typischen roten Zopf der Siluazwischen den Ästen entdeckte, merkte er, dass sie Schleichwegenutzte, auf denen die Blätter der Bäume besonders tief hingen undihm das vorankommen erschwerten. Sie währenddessen, huschtegeschwind unter den Ästen hindurch und schien nicht einmal wirklichSpuren im feuchten Boden zu hinterlassen. Irgendwann allerdingsschaffte er es das Mädchen einzuholen. Mit beiden Armen packte er zuund hielt das strampelnde und um sich schlagende Kind fest. Sein Armschmerzte dabei wie Feuer, aber das war ihm egal. Er würde daswiderspenstige Ding töten, er hatte keine Wahl.


In diesem Augenblick erschlaffte derKörper in seinen Armen plötzlich und ein leises Wimmern war zuhören. „Uma", schluchzte das Mädchen in herzzerreißendem Tonund der junge Soldat konnte nicht anders, er ließ sie zurück aufden Boden gleiten. Dennoch rührte sich das Mädchen nicht von derStelle, sie zitterte und schluchzte, sagte Dinge die er einfach nichtverstehen konnte. In diesem Moment traf er eine Entscheidung. EineSilua sollte verschont werden. Nur ein Leben von tausenden, wen würdedas schon interessieren? „Lauf weg", sagte er nun in flehendenTon und stieß das Kind von sich fort. „Verschwinde", setzte erlauter nach und deutete tiefer in den Wald. „Versteck dich und kommnie mehr hierhin zurück!".

Nun schien das Mädchen verstanden zuhaben. Mit großen rehbraunen Augen starrte sie ihn an und dann warsie verschwinden. Einfach verschluckt vom Wald, so als wäre sie niehier gewesen.


Mit zitternden Knien und von einembeunruhigenden Schwindelgefühl befallen wanderte der Soldat zurückzu seinen Kameraden. Ein plötzlicher Schrei ließ ihn allerdingsaufhorchen. Waren nicht längst alle Silua beseitigt? Es war einemännliche Stimme, die da schrie, wie konnte das sein? Bald lichtetesich das dichte Blätterdach vor ihm und der Junge blickte auf dasLager der Silua. Überall verteilt lagen Tote, Blut hatte dengesamten Platz in rote Farbe getaucht. Überall standen Soldaten undrührten sich nicht.

Mitten in diesem Chaos, alle Blicke aufsie gezogen, stand die alte Frau, die mit dem Silua Mädchen aus demZelt getreten war. Sie stand dort gekrümmt und die Augen geschlossenund fiel in genau diesem Moment vornüber. Der junge Soldat erkannteBlut, dass aus irgendeiner Wunde ausströmte wie ein Wasserfall.

In diesem Moment erkannte er auch, werwohl geschrien haben musste. Vor der alten Frau, in einer Lache ausBlut und Leichen kniete gebückt der Prinz selbst. Das sonst soentschlossene Gesicht war zu einer stummen Grimasse verzogen. Mitzitternden Händen umfasste er etwas kleines, rundliches. Als derjunge Soldat genauer hinsah erkannte er es.


Der junge Prinz wog ein Herz in seinenHänden.


Ein Herz aus Stein.

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⏰ Last updated: Feb 07, 2020 ⏰

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Heart of Stone - das steinerne HerzWhere stories live. Discover now