Ragnarök

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Die meisten von euch haben bei dem Namen Loki wahrscheinlich den dunkelhaarigen Gott aus den Marvel-Filmen vor Augen, doch eigentlich steckt viel mehr in dem Sohn des Riesen Jötunn, als diese Filme zeigen. Was wäre zum Beispiel, wenn kurz vor dem Untergang der Götter eine Walküre in Gefahr ist und ausgerechnet Loki ihr helfen soll? Dabei will er die Götter und alle anderen Asen doch eigentlich tot sehen. Mit dieser Frage habe ich mich auseinandergesetzt und das hier ist das Ergebnis.

Die junge Kriegerin Alvit kämpfte sich durch das brennend heiße Muspelheim, wo gerade einer der größten jemals gesehenen Kämpfe vonstattenging. Sie sollte den Krieger Einar, der soeben gefallen war, nach Walhall bringen. Doch sie kam nicht bis zum Schlachtfeld. Durch die dauerhafte Hitze wurde die Walküre unkonzentriert und bemerkte so nicht den Schatten, der hinter ihr auftauchte. Erst als sich um ihren Körper schwarzer Nebel bildete und sie Stück für Stück verschlang wurde Alvit klar, dass eine Hexe ihr gefolgt war und dass sie ihren Auftrag wahrscheinlich nicht mehr ohne fremde Hilfe ausführen könnte.

Doch nicht nur sie spürte dies. Auch Odin, der Göttervater, spürte das Ungleichgewicht, welches immer mehr zunahm. Bereits in fünf der neun Welten herrschte Krieg, sein eigener Sohn Thor, Gott des Donners, war schuld an einem und es würde nicht mehr lange dauern, bis der Kampf auch nach Asgard kam. Für den finalen Krieg würde er alle Streitkräfte Asgards benötigen, jede einzelne Walküre würde wichtig sein. Deshalb musste er der überwältigten Alvit Hilfe schicken. Zu seinem Bedauern waren die meisten der Asen damit beschäftigt die Kriege in anderen Welten zu verhindern oder sich auf den Endkampf vorzubereiten. Nur einen Gott konnte er damit beauftragen, aber darauf würde er am liebsten verzichten.

Trotzdem kam nur wenige Minuten später ein Unsterblicher mit dunklen Haaren, die ihm bis zu den Schultern gingen, und einem Ledergewand in grün und gold in den Palast, wie immer mit einem listigen Lächeln auf den Lippen. Schließlich war er auch der Gott der List und des Schabernacks.

„Loki", begrüßte der Göttervater ihn, „ich habe einen Auftrag für dich." Trotz der autoritären Stimme blieb Loki ganz gelassen vor dem Thron stehen. „Und was lässt dich denken, dass ich ihn auch ausführen werde?" Schon jetzt war Odin innerlich am Brodeln, genau wie von Loki gewollt. „Hör mir jetzt gut zu. Wir wissen beide, dass der Untergang der Götter bevorsteht und dafür brauchen wir jede Streitkraft, jede einzelne Walküre ist wichtig für uns!" Doch auch dieses Mal wurde Odin nur belächelt, allerdings konnte man in den Augen des Dunkelhaarigen auch die Entschlossenheit sehen, Odin zur Weißglut zu bringen. „Schon klar. Jede Walküre ist wichtig. Wir können es nur zusammen schaffen", lachte Loki ironisch, „Ob wir eine Walküre mehr oder weniger haben macht doch keinen Unterschied! Aber es macht einen Unterschied, ob ihr mich habt oder nicht! Ich könnte euch alle vernichten, wenn ich wollte!" Während er sprach, wurde der Gott immer lauter und gestikulierte wild mit seinen Armen, um deutlich zu machen, wie ernst er es meinte. Auch wenn Odin es nicht zugeben wollte, er hatte nicht mit dieser Reaktion seitens Loki gerechnet. Trotzdem versuchte er seine nächsten Worte mit Bedacht zu wählen. „Loki, du weißt ganz genau, dass du nicht der treueste Gott Asgards bist und trotzdem habe ich entschieden dich nach Muspelheim zu schicken. Respektiere mein Vertrauen zu dir und führe meinen Auftrag gefälligst aus! Du weißt, was dich sonst als Strafe erwartet." Ja, Loki wusste genau, was die Konsequenzen für ihn wären, wenn er den Befehlen des Göttervaters nicht folgte. Deshalb beschloss er, Odin vorerst in dem Glauben zu lassen ihn überzeugt zu haben. „Schon gut", beruhigte er seinen Vater, „Ich habe verstanden und werde den Auftrag gewissenhaft ausführen." Mit einer letzten Verbeugung verließ Loki den Thronsaal, wie immer mit einem amüsierten Grinsen auf den Lippen. Odin verfolgte ihn mit seinem Blick, bis er um die nächste Ecke gebogen war. Zwar hatte sein Sohn ihm nachgegeben, doch ihm war klar, dass Loki seinen Anweisungen nicht folgen würde und er hatte recht. Anstatt in Muspelheim der Walküre Alvit zu helfen, wollte Loki nach Jötunheim um sich auf die Schlacht vorzubereiten.

Der schnellste Weg zu seinem Ziel wäre der Bifröst, allerdings gab es keine Möglichkeit damit zu reisen ohne das Wissen von Odin. Somit musste Loki den umständlichen Weg nehmen und die einzelnen Welten zu Fuß durchqueren. Zuerst führte sein Weg ihn durch Ljossalfheim, das Reich der Lichtalben oder auch Elfen, wie die Bewohner Midgards sie nannten. Dort herrschte bereits Krieg und es würde nicht lange dauern bis die Elfen diesen verlieren würden. Obwohl der Gott der List es vermeiden wollte, führte sein Weg nun nach Muspelheim, da dies der schnellste Weg nach Jötunheim war. Loki versuchte das dortige Schlachtfeld weitestgehend zu umgehen, weil er davon ausging, dass die Walküre, die er ursprünglich retten sollte, auf diesem in Schwierigkeiten war. Allerdings befand sich Alvit nur wenige Meter von Loki entfernt hinter einem großen Felsen. Die Hexe hatte sie überraschenderweise gehen lassen und jetzt, wo die Walküre sah, welcher Gott hier war, wurde ihr klar, warum sie freigelassen wurde. Die Hexe wollte Loki.

Dieser hatte die Hitze von Muspelheim schon fast hinter sich gelassen, als die verschwundene Walküre vor ihm auftauchte. „Loki", begrüßte sie ihn. Der Angesprochene versuchte seine Überraschung über das plötzliche Auftauchen der Asin zu verbergen während er im Kopf seinen Plan um einen weiteren Schritt erweiterte. „Alvit, was verschafft mir die Ehre?" „Das solltest du wissen. Schließlich weißt du doch immer alles besser", erwiderte die Walküre in ihrem Leichtsinn. Loki zu unterschätzen und zu provozieren war ein großer Fehler, ein Fehler der soeben begangen wurde. Alvits eigentliches Ziel war es den Gott abzulenken, damit die Hexe freie Bahn hatte, aber ihr Gegner war schneller und vor allem gerissener als sie. Bereits in der nächsten Sekunde spürte sie einen stechenden Schmerz in ihrer Bauchregion. Innerhalb einer Sekunde hatte Loki ihr seinen Dolch in den unteren Bauch gerammt. Zwar hatten Asen die nützliche Fähigkeit der Selbstheilung, allerdings gab es trotzdem einige Möglichkeiten diese zu umgehen. Die von Loki genutzte bestand aus einem Metall von den Dunkelelfen, das sogar für die Bewohner Asgards gefährlich war. Aus Reflex griff die verletzte Walküre nach dem Messer, aber Loki hielt es felsenfest, sodass sie es nicht herausziehen konnte. Sie spürte wie sich der Schmerz ausbreitete, wer weiß wie viele innere Organe ihr Gegner verletzt hatte. Doch trotz der Kraftlosigkeit gab die Walküre nicht auf und wehrte sich gegen die drohende Bewusstlosigkeit, welche ewig andauern würde. Loki bewunderte Alvit für diese Willensstärke, doch Erbarmen zeigte er trotzdem nicht. Mit Genuss beobachtete er, wie die Kriegerin blasser wurde und schließlich auf die Knie fiel. Mit ihrer letzten Kraft wendete sich Alvit noch einmal zu dem dunkelhaarigen Gott. „Du wirst verlieren", murmelte sie, gerade so laut, dass Loki es hören konnte. „Das glaubst auch nur du", erwiderte dieser allerdings selbstbewusst. Er zog seine Waffe aus dem leblosen Körper, nur um sie an den Gewändern der Walküre abzuwischen und dann in seinen Gürtel zu stecken. Entspannt setzte er seinen Weg fort.

Nach wenigen Minuten war er in Jötunheim angelangt und hatte somit auch die Hexe hinter sich gelassen, die Muspelheim nicht verlassen konnte. Der Gott lief durch das Eis, bis er bei dem Lager der Riesen angelangt war. Diese machten sich bereits fertig für ihren nächsten Kampf. Gerade als Loki nach seinem Helm griff, der an der Seite auf einem Eisblock lag, spürte er es. Das Gleichgewicht war vollends aus den Fugen geraten. Auch Odin spürte die Erschütterung, doch seine Reaktion war das genaue Gegenteil zu Lokis. Der Göttervater rief seine übrigen Kämpfer zusammen, mit Angst in den Augen, Loki hingegen grinste nur vor sich hin, während er und die anderen dunklen Wesen und Feinde Asgards sich auf den Weg in die Welt der Asen machten. Und Loki wusste, das Ende war da. Ragnarök war da. Endlich würden die Götter vernichtet werden.

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