Leicht schlurfend ging ich durch den langen Flur. Wie jeden Morgen war dieser mit haufenweise Fünft- und Sechstklässlern gefüllt, sodass man eigentlich dauerhaft Angst hatte, man würde über sie stolpern. Schnell rettete ich mich in das angepeilte Klassenzimmer und lies mich gleich darauf auf meinen Sitzplatz plumpsen.
„Hi", begrüßte ich meine Sitznachbarin, während ich mir meine Kopfhörer aus den Ohren zog. Sie hob kurz ihren Blick von ihrem kleinen Notizblock und lächelte mich lieb an. Jen war noch nie ein Mensch der großen Worte gewesen, hatte aber trotzdem immer den richtigen Rat für mich. Wir kannten uns schon einige Jahre und mittlerweile schienen wir unsere eigene Art von Freundschaft entwickelt zu haben. Auch wenn wir uns nicht ständig sahen, wussten wir, dass wir uns auf den Anderen verlassen konnten.
Das laute Klingeln riss mich aus meinen Gedanken und gleich darauf betrat auch schon der Lehrer den Raum. Ich hatte nicht mal bemerkt, wie der Rest des Kurses gekommen war. „Schlagt bitte Seite 304 auf, bevor das letzte Halbjahr anfängt, unterhalten wir uns noch ein letztes Mal über Lyrik."
Da ich bereits in der Abschlussklasse war und wir bald unsere Prüfungen schreiben würden, gönnten uns manche Lehrer kaum noch eine freie Minute. Andere hingegen gingen alles total locker an und legten am letzten Tag vor den Zeugnisferien keinen großen Wert mehr auf den Stoff. Außerdem hatten alle heute sowieso nur drei Stunden.
Nachdem Jen und ich diese Doppelstunde überstanden, schlängelten wir uns schnell auf den Schulhof. Ruhig liefen wir in die kleine Gasse hinter den Schulhofsmauern, wo wir uns ungestört aufhalten konnten.
Oft machte ich mir Gedanken über das nächste Jahr. Was würde nach den Prüfungen passieren? Würden Jen und ich uns aus den Augen verlieren? Denn obwohl man denkt, dass die Freundschaften aus der Schulzeit für immer halten würden, war dies nur äußerst selten der Fall. Zumal Jen den Zugang zu den Prüfungen gar nicht sicher hatte. Denn obwohl sie einer der intelligentesten Menschen war, die ich jemals traf, machte sie sich nicht viel aus Schule. Sie war der Meinung, dass das Schulsystem unsere Kreativität und unser selbstständiges Denken einschränken würde und vielleicht war das der Grund, weshalb sie so außergewöhnlich gut zeichnen konnte.
Aber eins war sicher, ihre Vorliebe zu ihren Zeichnungen würde sie vielleicht unsern gemeinsamen Abschluss kosten.
(381 Wörter)
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Zweck meines Lebens
Teen FictionMan sagt, jeder Mensch in deinem Leben hat einen Zweck und gibt dir etwas. Wenn er dies getan hat, verlässt er dich wieder. „Ich habe dir das in dein Leben gebracht, was du gebraucht hast. Schau dich an, du bist wieder glücklich! Du brauchst mich ni...