Nackt

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Mein Bauchgefühl hat mich vor dir gewarnt und du wusstest um den Orkan, der in mir tobt und der all die Puzzleteile durcheinander wirbelt. Du hattest nie gute Absichten, wenn du dich mir genähert hast und ich habe gesehen, wie hässlich du bist, wenn du dein Fell abstreifst. Nun sitzt du nackt vor mir und obwohl mich dein Anblick abstößt, ich dich nie wieder ansehen möchte, kann ich mich doch nicht sattsehen an dir.

Ich muss manchmal über dich lachen, wenn ich beobachte, wie du im Kreis läufst und sich alles immer und immer wieder wiederholt. Ich habe die Leine seit Ewigkeiten in der Hand und führe dich Gassi, während du mir hinterher sabberst. Ich warte darauf, dass du endlich stehen bleibst und in den Spiegel blickst. Dass du die Augen öffnest und das Glas zerbrichst, mir das erste Mal begegnest.

Ich müsste auch jetzt über dich lachen, wenn mich dein Blick nicht so sehr einschüchtern würde, dass ich beinahe Angst bekomme. Du brennst dich in mich und zeichnest mich auf deine Weise und ich spüre, was tief in dir ist. Ich spüre die Macht mit der du mein Blut zum Kochen bringst und es für dich beanspruchst. Die Seelen hinter dem Tor schreien schmerzerfüllt, werden unruhig in deiner Gegenwart, wollen raus. Und sie weinen das Blut, welches du mehr begehrst, als alles andere.

Wie sehr Äußerlichkeiten doch täuschen können, nicht wahr, mein Freund? Ich kann deine Rippen durch deine hauchdünne Haut hindurch sehen. Du wirkst abgemagert und hungrig, aber ich habe kein Mitleid mit dir. Schließlich hast du eben erst von mir getrunken. Du bist mein Albtraum und ich weiß, wenn die Uhr voll schlägt, fließt mein Blut erneut die Wände entlang nach unten und nichts wird rein bleiben, wenn du mich nimmst.

Die Uhr schlägt langsam weiter und das Fell auf den Zeigern fühlt sich weich und angenehm an. Du willst mich in deinen Mantel hüllen und es erregt mich, ich kleide mich gerne in deinen Geruch.

Ich mag deine Haltung, deine pechschwarzen Augen, die bei Nacht wie dunkle Onyxperlen auf der Wasseroberfläche funkeln. Du fasziniert mich und obwohl dir durchaus bewusst ist, dass ich all deine dunkelsten Geheimnisse kenne, versuchst du nicht, dich zu erklären. Du sprichst nie mit mir, niemals. Alles was du mir zu sagen hast, lässt du mich fühlen. Und du hast mir eine Menge zu erzählen.

Die bunte Farbe kratzt über meine Fingernägel und malt den Regenbogen an die Wand. Ich vergrabe den Schatz dort, wo er nur schwer zu finden ist und wenn die Farbe ins Innere sickert, ist sie nicht mehr sichtbar für dich.

Schmeckt dir mein Blut noch immer, Vampir? Ist es dir nicht zu dunkel, zu fad und öde?

Du solltest dir mehr Mühe geben, wenn du an mein süßes Blut willst. Ansonsten trink dich weiter satt an dem bitteren, dunklen Geschmack, wenn es das ist wonach du lechzt.

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