-11- MITTWOCH

199 26 3
                                    

LEONARD

Nach den ersten beiden Stunden lasse ich nicht zu, dass Fritjof sich verkrümelt, sondern bleibe an seiner Seite, als er den Weg Richtung Bibliothek einschlägt. Als uns Marco und seine Kumpels begegnen, können die sich einen dummen Kommentar natürlich nicht verkneifen. „Sag mal, Leonard, was machst du denn immer mit diesem hässlichen Nerd?" „Ich mag Nerds, die sind meist innerlich wie äußerlich sehr viel schöner als Arschlöcher", erwidere ich lächelnd, schnappe mir Fritjofs Hand und ziehe ihn mit mir um die Ecke. Dort bleibe ich wieder stehen und schaue ihn besorgt an. „Alles okay?" Fritjof nickt und lächelt mich dankbar und etwas ungläubig an. Eigentlich wollte ich seine Hand schon loslassen, aber er hat sie einfach festgehalten, weshalb ich jetzt die andere nehme und ihm einmal ganz vorsichtig durch die Haare fahre. Keine Ahnung, woher ich den Mut nehme, aber sie sind unfassbar weich und ich könnte das den ganzen Tag machen. „Ich versteh echt nicht, was deren Problem...", will ich mich aufregen, aber Fritjof legt mir sanft seine Hand auf den Mund und nimmt sie wieder weg, nachdem ich abgebrochen habe. Dann macht er eine wegwerfende Handbewegung und schaut mir tief in die Augen. Ich bekomme Gänsehaut von seinem Blick und stehe wie gelähmt da, nur seine Hand haltend. Schließlich ist die Spannung nicht mehr auszuhalten und gerade, als ich irgendetwas sagen will, kommt uns eine Horde lauter Fünftklässler entgegen, die sich zwischen und neben uns durchquetschen und wir zwangsläufig unsere Hände loslassen müssen.

Nachdem die Kleinen mit ihren riesigen Rucksäcken vorbei ist, traue ich mich nicht, nochmal seine Hand zu nehmen und so gehen wir schweigend nebeneinander zur Bibliothek. Dort angekommen, begrüßt uns die Bibliothekarin mit einem Lächeln. Diesmal schaut sie auch mich an. Und diesmal geht Fritjof auf die Treppen zu und scheint nur einen kurzen Augenblick zu zögern, als sich seine Schritte kurz verlangsamen, doch dann schaut er sich nach mir um und geht die Treppe hoch. Irgendwie süß, dass er sicherstellt, dass ich noch da bin.

Ein paar Treppen und Gänge voll von alten Regalen und Büchern später biegt Fritjof in einen Gang ein, den ich so niemals wiederfinden würde. An seinem Ende ist ein Fenster, und die alte Holzfensterbank ist breit genug, um darauf zu sitzen. Schüchtern lächelnd dreht er sich zu mir um und ihm fällt wieder einmal diese eine störrische Locke ins Gesicht. Intuitiv strecke ich die Hand aus, um sie zurückzustreichen, und will meine Hand dann wieder wegziehen, aber Fritjof schnappt sie sich und beginnt, etwas auf Lorm einzutippen. Das ist mein Lieblingsplatz und Rückzugsort., erzählt er mir und ich schaue ihn gerührt an. „Danke", sage ich einfach nur leise und in seinen Augen sehe ich, dass er verstanden hat, wie viel mir das bedeutet, da ihm der Platz so wichtig ist und er mir genug vertraut, um ihn mir zu zeigen. Und vielleicht, vielleicht vertraut er mir ja auch eines Tages seine Geschichte an.

FRITJOF

Wir sitzen jetzt schon 10min schweigend gegenüber in der Fensterbank und bald ist die Pause zu Ende. Das Schweigen ist jedoch nicht unangenehm, sondern gemütlich. Ab und zu schauen wir und gegenseitig an, manchmal treffen sich unsere Blicke und wir halten sie für einen Moment fest, um dann wieder nach draußen zu schauen. Schließlich spüre ich Leonards Blick wieder auf mir und als ich ebenfalls in sein Gesicht schaue, sehe ich, dass er unsicher auf der Unterlippe kaut. Heiß. Ich werfe ihm ein aufmunterndes Lächeln zu und tatsächlich traut er sich auszusprechen, was er denkt. „Denkst du... also hast du vielleicht Lust... willst du nach der Schule für Mathe mit zu mir nach Hause kommen?", platzt es schließlich aus ihm heraus und ich lächel ihn an, weil es so süß ist, wie aufgeregt er ist. Wie als würde er nach einem Date fragen. Moment, vielleicht hat er das ja grade. Bestimmt nicht. Oder? Keine Ahnung. Wie auch immer, schnell nicke ich und auf seinem Gesicht entsteht ebenfalls ein wunderschönes Lächeln, was seine Augen zum strahlen bringt. Ich könnte ihm den ganzen Tag so in dieses braun schauen, aber leider ist die Pause gleich vorbei und wir müssen uns auf den Weg zurück zu unserem Raum machen.

Lorm, Lächeln, LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt