„Erzähl mir, was passiert ist.", ihre Stimme klang sanft und warm.
„Ich kann nicht."
Der Regen prasselte leise auf das Dach. Ich fröstelte.
Ihr Blick brach mir das Herz. Sie hatte mich immer für einen Helden gehalten.
Ganz zu Anfang meiner Karriere, war sie es, die meine ersten Texte gelesen hatte. Als mich die Kritiker zerrissen, war sie da gewesen.
„Tee?", fragte sie mich, um die Stille zu durchbrechen.
„Ja, bitte."
Am liebsten würde ich nur wegen ihr wieder schreiben, aber es ging nicht. Ich hatte es versucht – wieder und wieder.
Der Wasserkocher brodelte, sie goss das Wasser in eine Kanne. Dann gab sie zwei Teebeutel hinzu und verknotete sie am Henkel der Kanne. Die Sorte war Süßholz.
Dann herrschte wieder eine unangenehme Stille. Ich hatte das Gefühl, ihr eine Antwort schuldig zu sein.
„Ich kann mich nicht mehr konzentrieren kann, wenn ich schreiben will. Mir fällt einfach nichts ein. Ich weiß nicht, warum."
Ich verschwieg etwas und das war ihr vollkommen klar. Sie kannte mich gut. So gut, wie mich sonst niemand kannte.
Sie schaute mir in die Augen. Es lag ein sonderbarer Blick darin, den ich nicht deuten konnte.
„Kann ich etwas tun, um dich zu unterstützen?", fragte sie.
Langsam wurde es mir zu viel, ich wollte ihr alles erzählen. Aber ich konnte nicht. Was, wenn sie mich dann verließ? Ich konnte nicht auch sie noch verlieren.
„Erzähl mir etwas von deinem neuen Job.", wir wussten beide, dass ich vom Thema ablenken wollte.
Sie antwortete nicht.
„Du hast Angst mir zu erzählen, was passiert ist?"
Sie konnte es nicht lassen zu fragen. Dafür lag ich ihr zu sehr am Herzen. Angst war es nicht direkt. So richtig wusste ich es selbst nicht. Angefangen hatte es auf jeden Fall mit dem Telefonat vor etwa einer Woche. Ein Polizeibeamter hatte angerufen.
„Wenn ich es dir erzähle, versprichst du mir dann, trotzdem bei mir zu bleiben? Egal, was es ist?". Sorgen lagen in meiner Stimme.
„Ja, versprochen. Du weißt, dass ich dich nie verlassen würde. Ich liebe dich."
Ich atmete heftig aus und schloss meine Augen. Es kostete mich Überwindung und ich war von mir selbst erstaunt, als ich es erzählte. Wahrscheinlich gab es keine andere Möglichkeit, sonst würde ich innerlich sterben.
„Es gab einen Selbstmord. Die Polizei hat bei dem Toten ein Exemplar meines Romans gefunden. Ich zweifle seitdem an mir, meinem Beruf als Schriftsteller und an meiner Existenz. Ich bin ein Mörder."
Tränen liefen mir das Gesicht herunter. Die Selbstzweifel zernagten mein Gewissen. Wie sollte ich mit dieser Tatsache leben?
Sie antwortete nicht und verließ das Zimmer. Ich hatte es gewusst, das konnte sie mir nicht vergeben. Stöhnend setzte ich mich auf einen Stuhl. Er fühlte sich hart an.
Nach ein paar Minuten kam sie wieder ins Zimmer. In ihrer Hand trug sie ein schwarzes Notizbuch. Sie schlug eine Seite auf, dann sagte Sie:
„Bitte, lies diese Seite. Es ist ein Eintrag von mir, einen Tag bevor ich das erste Buch von dir gelesen habe." Ihre Stimme klang intensiv.
Als ich fertiggelesen hatte, schaute ich sie erstaunt an. Das hatte ich von ihr nicht erwartet, sie machte doch sonst immer einen so lebensfrohen Eindruck auf mich.
Ich wusste, ich würde wieder schreiben können.
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Zweifel
Short StoryErfolgreiche Karriere, gut laufende Beziehung. Aber dann passiert etwas Schreckliches und er stellt alles in Frage. Wird er je wieder schreiben können?