Er war monatelang untergetaucht. Das BKA hatte sämtliche Hinweise auf ihn verfolgt und alle liefen ins Leere. Dafür hatte er gesorgt. Er hatte mit ihnen gespielt; gekaufte Zeugen zu Aussagen hingerissen, die so glaubhaft waren, dass die gesamte Belegschaft damit beschäftigt war, ihnen nachzugehen, um dann doch wieder am Anfang zu stehen. Diesen Fehler hatte Oberkommissar Johnny Williams schon einmal gemacht und anscheinend nicht daraus gelernt. Beim Gedanken daran huschte Billy ein Grinsen übers Gesicht.
Was er aber jetzt vorhatte, war ganz neu. Er befand sich in Johnnys Haus. Sie kannten sich schon lange und in Johnnys Zuhause kannte Billy jeden Winkel. Damals war er ihm unterstellt und hatte es in einer rasanten Blitzkarriere bis zum Kommissar geschafft. Auch privat hatten Billy und Johnny einige Gemeinsamkeiten und besuchten sich gegenseitig.
Als er vor einigen Jahren undercover ein Drogen-Kartell zerschlagen wollte, geriet Billy aber zwischen die Fronten. Mehrere Morde seitens der Drogenbosse und der Polizei, die bis heute nicht aufgeklärt wurden, wurden ihm angehängt. Dadurch machte er sich Johnny zum Feind und alles lief unkontrolliert aus dem Ruder. Er wurde verhört, mehrmals gefoltert und verfolgt. Johnys Groll war unermesslich, aber Billys Wille, alles aufzuklären, war ungebrochen.
Heute wollte er das Spiel beenden. Er saß in einem Sessel in Johnnys Wohnzimmer, die Beine übereinandergeschlagen, die Hände lagen verschränkt auf seinem Bauch. Die Alarmanlage hatte er überlistet und er wartete bewegungslos auf seinen ehemaligen Chef. Es war noch hell draußen. Er schaute auf die Uhr. Es war 18:15 Uhr und Johnny müsste jede Sekunde nach Hause kommen. Ein Schlüssel wurde ins Schloß der Hautür gesteckt und herumgedreht. Billy hörte, wie Johnny telefonierend in den Flur kam und die Haustür hinter sich zuwarf. Dass er jetzt telefonierte, war nicht gut. Aufeinanderfolgende Pieptöne entschärften die Alarmanlage. Noch immer telefonierend betrat Johnny sein Wohnzimmer und erstarrte als er Billy erblickte. "Ich rufe zurück!", sagte er schnell ins Handy und legte es auf den Tisch. Mit einer Handbewegung bedeutete Billy ihm, dass er auch auflegen sollte. Johnny seufzte und tippte auf das rote Symbol. "Ich schätze, ich habe jetzt 10 oder 15 Minuten Zeit, bis wir nicht mehr alleine sind?", fragte Billy, stand auf und redete ganz ruhig weiter, "Zieh deinen Mantel aus, Johnny. Ich möchte nur reden. Ich habe keine Waffe dabei, du kannst mich abtasten. Dass Du aber eine Waffe hinter Deinem Rücken hast, das weiß ich sehr wohl. Und den Code deiner Alarmanlage solltest Du mal ändern." Johnny entledigte sich seines Mantels und richtete die Pistole auf Billys Gesicht. Billy kam näher, die Hände gehoben, langsamen Schrittes. Der Lauf der Pistole berührte jetzt seine Stirn. Er drehte sich um. Johnny drückte ihm jetzt die Waffe an den Hinterkopf und begann, Billy abzutasten. Johnny atmete tief ein "Du selbst bist die Waffe, Billy! Sag mir, warum ich dich nicht jetzt sofort erschießen soll! Runter auf die Knie!" Er gab Billy einen Schubser mit der Waffe und Billy ging auf seine Knie, die Hände noch immer auf Höhe seines Kopfes. Langsam ging Johnny vor Billy und schaute von oben auf ihn herab. Billy schätzte, daß er noch 5 Minuten hat, um Johnny auf seine Seite zu ziehen. Er wollte das friedlich regeln, aber mit Zeitdruck hatte er nicht gerechnet. "Ich habe etwas für dich. Ich möchte mit der Vergangenheit aufräumen. Darf ich?" Seine linke Hand sank Richtung seiner Hosentasche. Er blickte Johnny scharf in die Augen. Johnny nickte, denn er war derjenige mit der Pistole in der Hand. Auf die linke Hand fixiert, war Johny nicht auf den Angriff gefasst. Billy schnappte mit der rechten Hand nach Johnnys Fußgelenk und riss das Bein nach vorne. Johnny fiel nach hinten und feuerte die Pistole ab. Der Schuss ging über Billys Kopf hinweg in die Wand. Als Johny auf dem Boden aufschlug, blieb im kurz die Luft weg und als er sich besinnte, kniete Billy auf ihm. Die Waffe war nach dem Aufprall aus seiner Hand und durchs Zimmer gerutscht und jetzt unerreichbar. Die Männer hielten kurz inne. Johnny wusste, dass er keine Chance gegen Billy hatte und je weniger er sich wehrte, umso glimpflicher konnte es für ihn ausgehen. Johnny bemerkte trotz der Differenzen eine große Vertrautheit und erinnerte sich daran, daß er sich immer auf seinen Schützling hatte verlassen können. Billy war ganz ruhig und sagte: "ICH wollte nur reden, Johnny, und das möchte ich immer noch. Doch leider habe ich keine Zeit mehr, das hatte ich so nicht vorausgesehen. Du sollst nur eins wissen: Es wäre besser, jetzt endlich Deinen Stolz abzulegen und wieder mit mir anstatt gegen mich zu arbeiten. Ich bin wieder hier und wir spielen weiter nach meinen Regeln. Das hast Du ja auch schon ganz nett die letzten Monate geschafft." Er grinste breit. Johnny atmete schwer, denn auf ihm kniete ein Mann, den er damals ausgebildet hatte, den er zu dem gemacht hat, was er jetzt war. Bevor Johnny was sagen konnte, ergriff Billy wieder das Wort: "Die Zeit undercover war hart, Johnny. Die letzten Monate waren ein einziger Kampf und Du bist nicht der einzige, der mich aus dem Weg räumen möchte. Ich bin grade wieder in der Verfassung, mich auf den Beinen zu halten und bin deshalb zu Dir gekommen, um dem ganzen Schlamassel ein Ende zu setzen. Du wirst von mir hören ... oder mich sehen ... oder wie auch immer. Unsere Zeit heute ist aber leider schon um." Billy sprang auf und verschwand durch die Haustür. Johnny blieb noch eine Weile liegen. Erst als es an seiner Haustür klopfte, stand er auf. Er glättete seine Kleidung, richtete seine Haare und ging zur Tür. "Hey Boss, ist alles ok? Das war eben so merkwürdig am Telefon.", sagte ein Polizist. "Es ist alles in Ordnung, danke, dass Sie nach mir sehen. Schönen Abend noch", beschwichtigte Johnny und schloss die Tür.