2nd

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,,So, Nummer sechsunddreißig. Hier kannst du schlafen", Jacobs deutet auf ein ein schmales Bett im Schlafsaal. ,,Und dort sind ein paar Klamotten für dich. Größe S, passt das?"
wollte der ältere Mann wissen.
,,Jap", kam knapp von mir. Ich konnte meine Verabscheuung nicht verbergen. Allerdings gab ich mir auch keine Mühe.

Seit ich mich wieder bewegen konnte, hatte man mir erklärt, dass ich mich in der Obhut von Safe the humans, kurz STH befand.
Als ich noch zuhause gelebt hatte, hatte ich nichts von STH gehört, also stand ich ihr misstrauisch gegenüber.
So war ich auch von Natur aus. Misstrauisch und zynisch.

,,Hey, ich bin Gina", stellte sich ein rothaariges Mädchen, ungefähr in meinem Alter vor.
,,James", fügte ein Junge, recht gutausehend und blond, auch ungefähr so alt wie ich, hinzu.

Mit mir waren so ungefähr zehn Leute im Schlafsaal. Alle ungefähr so alt wie ich.

Außer Gina und James waren da noch die blonde Mackenzie, der brünette Zack, Gisell, Umara, Hazel, Tom, Jason und sein Zwillingsbruder Kayle.

Und alle zehn sahen nicht zufrieden aus.
Wer war den bitte auch zufrieden, wenn seine Familie komplett tot war und man bei einer seltsamen Organisation leben musste. In sterilen, weißen Zimmern, mit sterilen, weißen Klamotten, und sterilem, faden Essen.

Doch irgendwie fand ich mich mit diesen Menschen verbunden. Wir hatten diese eine Gemeinsamkeit: Uns wurde unser Grund zum Leben genommen. Unsere Familie.

Jedoch fand ich mich nicht damit ab. Meine Familie durfte, nein, konnte, nicht tot sein.
Ehe ich mich versah, rannten mir schon wieder Tränen die Wangen herunter. Der Schmerz des Verlustes fraß mich von innen auf, entzog mir meine frühere Lebensfreude.
    Die Tränen tropften auf den Boden und langsam bildete sich eine kleine, salzige Pfütze.

Plötzlich spürte ich eine warme Hand auf meinem Rücken.
,,Vivien, hey, alles okay?" fragte Gina besorgt.
    ,,Okay? Nichts ist okay! Meine Familie ist tot, verdammt nochmal tot! Aber alles gut!"
Wütend schlug ich ihre Hand weg.

James und Gina wechselten einen bemitleidenden Blick. ,,Sie muss davon erfahren", wisperte James.
   Trotzig wischte ich meine Tränen am Ärmel meines weißen Langarm-T-Shirt ab.

Hazel, Umara, Jason, Kayle, Zack, Gisell, Mackenzie, Tom, James und Gina traten etwas näher an mich heran. Wieder mit diesem bemitleidenden Blick.

,,Vivien, was wir dir gleich erzählen werden, ist streng geheim. Okay? Versprich mir, dass du weder schreien noch weinen wirst?" Umara machte mir Angst. In ihren großen, braunen Augen bildeten sich Tränen. Schnell trete sie sich weg. Stattdessen ergriff Tom das Wort. Bevor er sprach, fuhr er sich durch seine kastanienbraunen Locken.
Beruhigend tätschelte er meine Schulter.

,,Vivien, weißt du, wo wir uns hier befinden?" fragte Tom schließlich.
Ich schüttelte den Kopf. ,,STH, hat man mir gesagt. Sie sagten, sie würden uns vor dem Krieg, der Seuche und so schützen."

Mackenzies Blick zeigte mir, das dies nicht stimmte. ,,Vivien", hauchte sie verzweifelt.
,,Vivien, sie sind Monster!"
Wieder dieser besorgte Blick.
Mackenzie machte mir Angst. Genauso wie Umara.

Kayle ergriff wieder den Faden.
Im Gegensatz zu seinem Zwillingsbruder Jason war er recht klein und schmal. Doch beide hatten dasselbe Gesicht. Voller Sommersprossen und rundlich. Und diese feuerroten Haare.

,,Kenzie hat recht. Es sind Monster. Sie...", er brach ab. Gina trat an seine Seite.
,,Sie nehmen sich was sie wollen", fügte sie mit ernster Mine hinzu.

,,Und... was ist das?" wollte ich wissen. Oder auch nicht.
   ,,Sie wollen uns. Unseren Körper. Wozu wissen wir nicht. Nur das..." Hazel konnte nicht fertig sprechen. Sie schloss ihre grauen Augen und fuhr sich verzweifelt durch ihren dunkelbraunen Bob. ,,Jason, sag du", bestimmte sie.
Doch Kayles Zwillingsbruder winkte ab.
,,Gisell soll's machen. Die kann sowas."

Die Genannte, die bisher still gewesen war, schaute auf. Jetzt sah ich erst, wie blass sie war. Ihre Haut war fast so weiß wie dieses sterile Zimmer.
,,Vivien. Sie wollen uns nicht retten, so wie sie immer sagen. STH plant etwas, ich glaube, beziehungsweise wir glauben  nicht, dass das etwas Gutes ist. Um auf den Punkt zu kommen, sie", Gisell holte noch einmal tief Luft. ,,Sie holen uns in einen Raum.
Nicht in einen Raum. In den Raum. Wir wissen nicht, was darin geschieht, aber jeden von uns, den sie geholt haben, ist nicht wieder heraus gekommen. Stattdessen hören wir Schreie. Schlimme Schreie aus dem Raum. Vielleicht foltern sie und, vielleicht töten sie uns darin sogar, wir wissen es nicht. Fakt ist aber, das keiner, außer die Obhut wieder aus diesem Raum heraus kam. Blutverschmiert."

the room.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt