Ich habe mitten in der Dämmerung gestanden. Nach und nach begann die Dunkelheit mich zu umgeben. Plötzlich konnte ich nichts mehr sehen. Der Mond stand zwar schon hoch oben am Himmel, doch hatten sich dichte Wolken davor geschoben.
So stand ich alleine in dem dunkeln Park und wusste nicht mehr, wie ich zurück zu der Party kommen sollte, auf die mich meine Freundin geschleppt hatte. Ich wusste, dass ich nur zurück an den Strand kommen musste, um meine Freunde wieder zu finden. Doch wusste ich nicht einmal in welche Richtung ich gerade lief, als ich plötzlich in einen Lichtkegel blickte.
Somit lief ich darauf zu und stand kurz danach vor einem großen jungen Mann. Er war nicht viel älter als ich. Vielleicht einundzwanzig oder etwas älter. Ich blickte auf, um ihn ansehen zu können und hatte das Meer gefunden. Seine unglaublich blauen Augen wanderten über meinen Körper, bevor sie in meine braunen Augen blickten.
"Was machst du denn hier draußen so alleine?", wollte er wissen und fuhr sich einmal durch seine kurzen blonden Locken. "Ich habe mich verlaufen. Ich war eigentlich auf der Party unten am Strand.", murmelte ich und konnte meinen Blick nicht von diesen meeresblauen Augen abwenden. "Soll ich dich zurück bringen, oder möchtest du lieber nach Hause?", erkundigte er sich freundlich und deutet schmunzelnd auf die Taschenlampe in seiner Hand.
"Naja nach Hause wirst du mich schlecht begleiten können, ich lebe in Barcelona.", meinte ich nur und schaute kurz auf meine Hände. Ich vermisste meine Familie. Hier in Los Angeles fühlte ich mich irgendwie fehl am Platze. So fühlte ich mich zwar auch in Barcelona, aber hier in LA war es noch einmal stärker. Ich gehörte nicht dazu. Ich war einfach zu 'normal'.
"Du willst aber auch nicht zurück zu der Party, habe ich recht?", hackte der Junge nach und blickte immer noch direkt in meine Augen. Ich nickte nur. "Dann komm mal mit, ich kenne einen Platz, der dir bestimmt gefallen wird. Ich bin übrigens Noah.", lachte er und lief los. Ich folgte ihm schnell und holte auf, sodass ich neben ihm lief. "Ich bin Emilia.", erklärte ich leise, ich wusste nicht, ob es ihn überhaupt interessierte. Normalerweise hatten alle meinen Namen schon wieder vergessen, während sie sich noch mit mir unterhielten.
So lief ich den Weg nun schweigend neben Noah her, bis er sich an einer Felsklippe niederließ. Er klopfte auf den Stein neben sich und ich setzte mich ebenfalls. Unsere Füße baumelten über dem ruhigen dunklen Meer. "In Nächten wie diesen, liebe ich diesen Ort. Ich finde es sieht so aus, als würde die Erde hier enden.", unterbrach Noah irgendwann die Stille. Ich konnte nur zustimmend nicken. Es sah wirklich so aus, als würden wir am Abgrund der Erde sitzen.
Plötzlich stand Noah auf, zog sich sein Oberteil aus und sprang nur in seiner Badehose die Klippe hinunter. Ich hielt die Luft an, bis ich sein tiefes Lachen hören konnte. "Komm Emilia!", rief er zu mir hoch. Ohne weiter nachzudenken, zog ich mein Strandkleid aus und sprang dem fremden Jungen in meinem Bikini hinterher. Lachend und blind vertrauend war ich von dem Rand der Erde gesprungen und war kurz darauf im warmen Meer gelandet.
"Barcelona also?", lachte Noah, als ich neben ihm auftauchte. "Ja, ich komme aus Barcelona.", lachte auch ich. "Wie ist es da so?", wollte Noah wissen und hielt sich neben mir über Wasser, in dem er mit seinen Armen durchs Wasser strich. "Eigentlich ziemlich ähnlich wie hier.", meinte ich nur. Ich wusste nicht wirklich, was ich erzählen sollte. "Also magst du LA?", hackte der Junge nach. "Nicht wirklich.", schüttelte ich den Kopf. "Dann magst du auch Barcelona nicht.", schlussfolgerte er und musterte mich mit seinen blauen Augen, in den sich der Mond, der gerade langsam hervor kam, spiegelte
"Das ist etwas Anders. In Barcelona wohnt meine Familie, aber... ach das ist schwer zu erklären." "Nein, ich verstehe schon.", lächelte Noah und schwamm etwas auf mich zu. "Weißt du, ich komme aus London. Was wäre, wenn wir morgen einfach den nächsten Flug buchen und zu mir fliegen? In London ist es egal wer du bist.", schlug er dann vor und ergriff meine Hand. Ohne nachzudenken verschränkte ich meine Finger mit seinen und nickte.
So saßen wir am nächsten Abend in einem Flugzeug nach London und ich hatte das Gefühl, als wäre ich entkommen. All diesen Leuten, für die ich immer zu 'normal' war.
Ich saß neben einem fremden Jungen, der mir die Chance gegeben hatte abzuhauen, ihm zu folgen, zu entkommen. Er hatte mich am tiefsten Punkt gefunden, ich war ihm über den Rand der Erde gefolgt und war nun frei!#AmnesiasContest
amnesiaward