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Die Gabe der Zeit

Ein Mann zieht die Frau mittleren Alters mit sich in eine dunkle Gasse. Sie lässt es geschehen, immerhin ist sie eine attraktive Frau und dies ist nicht das erste Mal, dass sie jemand zu einem Schäferstündchen an einen verlassenen Ort brachte, auch gefragt haben nicht alle. Außerdem ist sie nicht in Eile und der Mann sieht auch nicht gerade schlecht aus, eher das Gegenteil. Sie wehrt sich nicht, als der Mann sie gegen eine Wand drückt und seine Lippen auf ihre drückt. Warum auch? Sie denkt nicht, dass er ihr etwas tun will. Bis sie dann bemerkt, dass sie immer schwächer wird. Ihre Beine halten sie nicht mehr, aber das tut der Mann für sie. Aber sie hat auch das Gefühl, kurz vor einer Ohnmacht zu stehen, und ihr wird schwindelig. Sie versucht, den Mann wegzudrücken, um es ihm zu sagen, aber er ist stärker und rührt sich nicht einen Zentimeter. Um seine Nahrung kämpft der Mann. Er kann es überhaupt nicht leiden, wenn jemand versucht, sie ihm wegzunehmen, wie es die Frau grade tut. Zu seinem Glück dauert es nicht lange, bis sie stirbt. Er lässt ihre Leiche fallen und geht wieder in die Öffentlichkeit. Nach ein paar Schritten auf der Straße hört er eine Stimme aus den Lautsprechern, die überall in der Stadt befestigt sind. Und er will nicht glauben, was er da hört. Die Zeitdiebe sollen von den Inseln verbannt werden?! Alle um ihn herum jubeln bei dieser Neuigkeit, nur er, der selbst ein Zeitdieb ist, bleibt still. Dies bemerkt eine alte Frau neben ihm.
„Du solltest jubeln, Junge, wie wir anderen es tun. Freust du dich denn nicht?" Sie hat ihn wohl nicht als Zeitdieb erkannt. Leider wechselt er immer, wenn er wütend oder gestresst ist, aus Versehen in seine wahre Gestalt. So ist es auch jetzt und als die Wandlung beendet ist, ruft die Frau laut: „Zeitdieb!" Und alle Anwesenden drängen sich um ihn und drängen ihn zum Rand der Insel. Er versucht, sich zu wehren, ihnen die Lebenszeit zu stehlen, wie zuvor bei der Frau in der Gasse. Und jetzt findet er heraus, wie sie sich gefühlt haben muss. Er rast genauso auf sein Verderben zu, wie sie zuvor, denn er ist zwar mächtig, aber die Masse ist ihm körperlich überlegen und er kann zwar einigen die Kraft stehlen, aber das sind längst nicht genug, um ihm auch nur eine geringe Chance zu verschaffen. Er nähert sich dem Rand der Insel wie die Frau dem Rand des Todes. Und genau wie er kann er irgendwann nicht mehr verhindern, diese Grenze zu überschreiten. Er fällt in den Abgrund wie die Frau in den Tod. Nach und nach werden auch die anderen Zeitdiebe ausfindig gemacht und auf die gleiche Weise vertrieben. Was aber niemand weiß, ist, dass einer von ihnen einen noch ungeborenen Sohn mit einer Werwölfin hat, ein ganz besonderes Kind, das zu großem bestimmt ist.

Mein Beitrag zum Ideenzauber 2020Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt