Kapitel 1

27 4 4
                                    

„Ist das dein Ernst?! Was sollte das?" Klatsch nass rannte ich aus dem Schulbus, der gerade an meiner Haltestelle hielt. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie sich Sophia und ihre Freundinnen High-Five gaben. Sophia schmiss ihre langen, blonden Haare zurück und winkte mir mit einem spöttischen Grinsen aus dem wegfahrenden Bus zu. Wütend rief ich meine beste Freundin Carla an, während ich mit Tränen in den Augen den steilen Hügel hinaufstieg. „Hey Franzie, was giebt's?" meldete sie sich mit krächzender Stimme. „Du glaubst nicht was Sophia gemacht hat." flüsterte ich schluchzend. „Oh nein! Was hat diese Zicke jetzt schon wieder getan? Mann sie regt mich echt auf! Wenn ich doch nur nicht krank wäre, dann hätte ich..." Ein Husten unterbrach sie. „Ist ja gut, beruhig dich" meinte ich, aber ich klang nicht gerade überzeugend „Sie hat mich vor dem gesamten Bus angeschrien, ich sei eine Verräterin, weil Tim mir ja geschrieben hatte, und dann hat sie mir einfach ihren klebrigen, nach Gummibärchen riechenden Tee über den Kopf gekippt! Der ganze Bus, inklusive Tim hat mich ausgelacht!" In meinem Kopf spielte sich die Szene wieder und wieder ab. Wie Sophias Freund Tim mir vor 2 Tagen geschrieben hatte, dass er mich mochte und mich gerne mal privat treffen wollte. Ich meine, ich fand ihn ja schon echt nett, aber er war eben mit Sophia zusammen, und dass er mir so etwas schrieb fand ich dann schon ziemlich seltsam. Ich hatte ihn dann gefragt was das soll, aber er hatte mir danach nicht mehr geschrieben. Als Sophia dann anscheinend den Chatverlauf gelesen haben musste, hatte sie sofort Schluss gemacht und war stinksauer. An dem Ganzen gab sie allerdings mir die Schuld und seitdem hasste sie mich, aber was sie da gerade im Bus abgezogen hatte ging definitiv viel zuweit. Ich konnte ja nun wirklich nichts dafür! „Oh Franzie, das tut mir ja soleid für dich! Was kannst du denn dafür, wenn Tim so ein Arschloch ist?!"krächzte Carla. „Aber ganz ehrlich, diese Ziege hatte ihn sowieso nicht verdient." Inzwischen war ich oben auf dem Hügel angekommen. Warum mussten wir auch so weit oben wohnen? Verschwitzt pustete ich mir eine widerspenstige, rote Strähne aus dem Gesicht und verabschiedete mich von Carla. Sie war mit Abstand meine aller beste Freundin und ich kenne sie seitdem ich denken kann. Langsam ging ich die Treppen zu unserem Haus hoch und steckte unseren zwei Kaninchen im Vorbeigehen etwas Löwenzahn, welchen unser Garten reichlich enthielt, zu und beobachtete kurz, wie sie sich gierig darüber her machten. Unwillkürlich musste ich lächeln.

Als ich oben an unserer Haustür angekommen war, steckte ich leise den Schlüssel ins Schlüsselloch und schloss lautlos auf. Ich huschte direkt ins Bad, um mich umzuziehen. Ich hatte nicht sonderlich Lust, meine nassen, klebrigen Sachen und mein verheultes Gesicht vor meiner Mutter erklären zumüssen. Als ich mich gewaschen hatte, in neue Klamotten geschlüpft war und wieder einigermaßen normal aussah, ging ich ins Wohnzimmer. „Franzie, du bist ja schon da! Ich habe dich gar nicht reinkommen hören," sagte meine Mutter in überraschtem Ton und ließ ein blau eingepacktes Päckchen mit grüner Schleife hinter ihrem Rücken verschwinden. Übermorgen war mein 15. Geburtstag und ich freute mich schon riesig darauf. Ein paar meiner Freundinnen und ich wollten zusammen ins Kino gehen und anschließend würden wir noch ein bisschen durch die Fußgängerzone mit einigen Läden bummeln. Ein lautes Bellen riss mich aus meinen Gedanken und ein weißes, flauschiges Fellknäuel schoss um die Ecke. Unser kleiner Hundewelpe Sammy sprang an mir hoch und ich beugte mich zu ihm hinunter, um ihn zu knuddeln. Wie wild begann er, mein Gesicht ab zu schlabbern. „Hör auf das kitzelt!" Kicherte ich. Ich liebte Sammy einfach über alles. Seinem wuscheligen Fell und seinen knuffigen Hundeaugen konnte man einfach nicht wiederstehen. Auch meine Eltern nicht. Früher wollten wir immer einen Hund haben, jedenfalls Josie und ich. Mein großer Bruder Tobi hielt nichts davon, doch jetzt wo wir Mama tatsächlich dazu überredet hatten, doch wenigstens mal die Tiere im Tierheim anzusehen, und selbst Mama Sammys süßen Blicken nicht wiedersehen konnte, hatte er Sammy, als er dann bei uns einzog auch liebgewonnen. Mein Vater war erst nicht so begeistert von dem weiteren Familienmitglied gewesen, doch nach langem überreden und versprechen, wir würden alle Pflichten übernehmen, konnten wir auch ihn überzeugen. Ich liebte die Spaziergänge mit Sammy. Außerdem fand ich es echt niedlich, wenn kleine Kinder kamen und fragten, ob sie Sammy mal streicheln dürften. Natürlich durften sie, ich wollte ihnen das kleine Wollknäuel ja nicht vorenthalten. Das erinnerte mich dann immer daran, wie ich als Kind auch immer alle möglichen Hunde streicheln wollte.

Plötzlich hörte ich Treppenstufen poltern und meine kleine Schwester rannte auf mich zu. „Franzie, schau mal was ich gebastelt habe!" rief sie, und streckte mir eine Dose, die mit vielen Glitzersteinen übersäht war entgegen. „Das ist für dich. Ich wollte es dir eigentlich ja übermorgen schenken, zu deinem Geburtstag, aber ich musste es dir einfach jetzt schon zeigen!" Sie klang richtig aufgeregt, also nahm ich ihr die Dose ab und schaute in ihr sommersprossiges Gesicht. Ihre grünen Augen glitzerten vorlauter Freude und ihre dunkelroten Haare, die sie zu zwei geflochtenen Zöpfenzusammengebunden hatte, hüpften lustig hin und her. „Nun mach sie doch endlich auf!" verlangte sie mit einem breiten Grinsen im Gesicht, während sie sicheinige Ponyfransen aus dem Gesicht pustete. Vorsichtig öffnete ich die Dose, die mir meine 7-jährige Schwester gerade gegeben hatte. Viele Bilder von mir und meiner Familie purzelten mir entgegen. Fotos von gemeinsamen Erlebnissen, Urlauben oder Ausflügen. Auch selbstgemalte Bilder hatte sie dazugelegt. „Die Dose hab ich selbst beklebt und beim Fotos ausdrucken hat Papa mir geholfen. Gefällt es dir?" Sie hüpfte aufgeregt von einem Bein auf's andere. „Klar!"antwortete ich und sie begann noch mehr zu strahlen als ohnehin schon. „Das sind super schöne Erinnerungen. Danke Josie!" Ich sah mir die Fotos genauer an. Auf einem der Fotos war meine Familie und ich abgebildet. Wir alle grinsten in die Kamera, welche ich an dem Tag geschenkt bekommen hatte, während Josephine Sammy auf dem Arm hielt, der die Zunge rausstreckte, um etwas von Tobis Erdbeereis zu stibitzen, welches er jedoch fest umklammert hielt. Allesamt hatten wir rote Haare. Naja, außer mein Vater zumindest. Er hatte braune Haare, die ihm kreuz und quer ins Gesicht hingen. Das Foto war an dem Tag entstanden, als wir Sammy zum ersten Mal mit nach Hause nehmen durften. Es war dieses Jahr an Ostern gewesen. Ich trug auf dem Bild natürlich meine Lieblings Jeansjacke, die ich an besonderenTagen immer trug. An ihr befanden sich viele Aufstickungen, Broschen und Anstecknadeln, die ich Jahr für Jahr sammelte. Ich liebte diese Jacke. Sie passte einfach perfekt zu mir. Doch etwas war an dem Bild, was meinen Blick auf sich zog. Das goldene Amulett, das meine Mutter um ihren Hals trug. Der grüne Stein in der Kette funkelte, das konnte ich sogar schon durch das Foto sehen. Es passte exakt zu ihrer Augenfarbe und stand ihr ausgezeichnet. Ich mochte das Amulett. Es hatte etwas Magisches an sich. Neugierig beschnupperte Sammy die Dose, was mich aus meinen Gedanken über das Amulett riss und mich zurück in die Realität verfrachtete. Ich umarmte Josie und bedankte mich noch einmal bei ihr, bis ich dann in mein Zimmer ging. Es lag ein Stockwerk über unserem Wohnzimmerund aus meinem Fenster hatte ich eine wunderschöne Aussicht auf unseren großen Garten und die Landschaft dahinter. Ich ließ mich auf mein Bett fallen und schnappte mir mein aktuelles Lieblingsbuch, an dem ich gerade las. Nach dem Theater im Bus musste ich erstmal wieder richtig zur Ruhe kommen.


----------------------------------

Ich hätte niemals gedacht, dass ich jemals eine richtige Geschichte auf Wattpad hochladen würde, aber naja, ich weiß auch nicht, was mich heute davon überzeugt hat, diese Geschichte wirklich hochzuladen.

Schreibt mir gerne in die Kommentare, wie euch das erste Kapitel gefallen hat! Würde mich sehr über Feedback freuen! <3

Colourful MemoriesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt