Kapitel I

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„Habt ihr alles?", fragte Hermine und sah in die Gesichter ihrer zwei besten Freunde. Harry schulterte seinen Rucksack und nickte. Ron hingegen kramte hektisch in den Tiefen seiner Tasche.

„Wo habe ich denn meinen Zauberstab?", fragte er und sah verzweifelt Hermine an. Diese zuckte nur mit den Schultern. „Ich bin nicht dein Hausmädchen, Ronald. Lern endlich auf deine Sachen Acht zu geben."

„Aber Hermine", jammerte Ron, ihren Einwand vollkommen ignorierend. „Du musst doch etwas gesehen haben, du hast doch sonst auch immer alles im Blick." Sein Blick flatterte zu seinem besten Freund, der sein Lachen zu unterdrücken versuchte.

„Ich sag es dir noch einmal: ich bin nicht dein Hausmädchen!" Damit wandte sich die Brünette ab und steuerte die verrostete Gießkanne an, welche verloren am Rand des Feldwegs lag.

Mit leerem Blick blieb sie davorstehen und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die weiten Felder, die von der untergehenden Sonne in ein feuerrotes Meer verwandelt wurden. Eine leichte Brise strich über ihre blassen, vernarbten Arme. Fahrig band sie ihre Haare zu einem schlampigen Zopf und atmete tief durch. Sie musste versuchen endlich über die Geschehnisse hinwegzukommen und nach vorne zu blicken. Hinter sich hörte sie Ron und Harry reden, aber die Wärme, die sich sonst immer in der Nähe ihres Freundes und ihres besten Freundes eingestellt hatte, blieb aus. Stattdessen lief ihr ein eiskalter Schauer über den Rücken, wenn sie daran dachte, an den Ort des Schreckens zurückzukehren.

Hogwarts war für so viele Jahre ihre Heimat und ihre Zuflucht gewesen, aber das letzte Jahr hatte alles verändert. Es hatte sie alle verändert. Sie hatte Hogwarts vor Jahren als kleines, unschuldiges Mädchen betreten und nun würde sie als gezeichnete Frau an den Ort ihrer Träume und ihrer Albträume zurückkehren. Und Hermine wusste nicht, ob sie dafür bereit war.

„Hab ihn gefunden", riss sie Rons Stimme aus ihren trüben Gedanken. Sie zwang sich zu einem Lächeln, als sie Rons kalte Lippen auf ihrer Wange spürte. Auffordernd hielt er ihr seine Hand hin. Zaghaft griff sie danach und legte ihre andere Hand in Harrys, welcher den Henkel der Gießkanne fest umschlossen hielt.

„Bereit?", fragte er. Doch bevor einer von ihnen die Chance bekam zu antworten, wurden sie von einem wohlbekannten Wirbel erfasst, der sich wie eiserne Schlingen um ihre Arme und Beine schloss und an diesen zerrte, als wären sie sein Eigen. Die Luft wurde Hermine aus der Lunge gepresst. Bittere Galle sammelte sich in ihrem Mund. Sie sah Harry und Ron als verschwommen Schemen durch das weiße Nichts wabern und innerhalb des Bruchteils einer Sekunde war der Spuk schon wieder vorbei und sie spürte festen Boden unter den Füßen.

Keuchend stütze sie sich auf ihren Oberschenkeln ab und schluckte den angesammelten Speichel angeekelt herunter.

„Man sollte meinen, als Kriegshelden sollten wir komfortabler reisen", sagte sie mit einem gequälten Lächeln und klopfte sich imaginären Staub von der Kleidung. Anschließend klatschte sie in die Hände und strich sich eine lose Strähne aus der Stirn. „So, Jungs, seid ihr bereit?"

Auf den Gesichtern der anderen beiden spiegelten sich dieselben Gefühle wieder, die in Hermines Inneren tobten. Es war für sie alle ein befremdliches Gefühl an den Ort heimzukehren, wo sie alle so viele ihrer Freunde und Familie hatten sterben sehen. Und trotzdem war da auch ein unterschwelliges Glücksgefühl. Hermine wusste, dass ihr nichts so sehr helfen würde, als mit ihren bloßen Händen aus den Trümmern der Vergangenheit einen Pfad für die Zukunft zu legen.

„Wir können nicht für immer weglaufen", sprach Harry das aus, was Hermine seit Tagen im Kopf herumschwirrte.

„Harry hat recht", stimmte Ron dem schwarzhaarigen Mann zu und lächelte Hermine schief an. „Wir schaffen das schon. Wir haben doch bislang alles geschafft." Damit trat er zu seiner Freundin, zog sie in seine Arme und küsste sie behutsam auf die Stirn. Anschließend griff er nach ihrer Hand und drehte sich zu Harry um.

Hinter verschlossenen TürenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt