Run away
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Wieder einmal kam mir der Gedanke, diesen immer sich wiederholenden Tagesablauf durchzustehen, absurd vor. Wieso war ich hier? Was wollten sie damit bezwecken? Ich wünschte so sehr ich könnte ein normales Leben führen. Ja ihr habt richtig gehört. Ich will ein stink-normales Leben so wie das eines jeden anderen. Aber ich führe kein normales Leben. Keineswegs. Ich hasste die Vorstellung, für immer ein Experiment und immer nur das Versuchsobjekt der Leute zu sein, die mich sozusagen beschützen und "nur mein Bestes" wollten. Hätten sie allerdings nur das Beste für mich gewollt, hätten sie sich ruhig mal Gedanken über mein seelisches Wohl machen können, mich unter Leute bringen, mich nicht hier in dieser Scheiß-Station vergammeln lassen.
Aber ganz von vorne ...
Ich war gerade mal drei Jahre alt, als diese Leute mich von zu Hause mitnahmen. Und mit diesen Leuten meine ich eine Gruppe höchst ausgebildeter Genforscher und Ärzte, die sich seit Jahren mit der Heilung einer schweren Herzkrankheit befasste, die schon tausenden Menschen das Leben gekostet hatte. Und nun wollten diese - inzwischen größere Gruppe dieser speziellen Art von Forschern - ein Heilmittel gegen die Krankheit, die sich AHID: Akute Herzinsuffizienz Diagnostik nannte, erschaffen und damit zur Rettung der Menschen beitragen, die davon betroffen waren.
Und warum sie mich mitgenommen hatten, als ich noch so klein war ... weil ich ebenfalls diese Krankheit besaß, die bis dahin aber noch nicht behandelt wurde, da es noch keine Heilmöglichkeit gab. Bis jetzt. Es gab ein künstliches Herz, das das alte, nicht funktionierende, ersetzen und damit den Menschen weiterleben lassen sollte.
Da diese Entdeckung erst vor kurzem gemacht wurde, gab es noch nicht viele Menschen die ein solches „Spenderherz" bekamen. Einer von ihnen war ich. Mein Herz war, als ich klein war ziemlich schwach und meine Eltern wussten nicht mehr was sie machen sollten. Ich hatte Schwächeanfälle, Kreislaufprobleme oder verlor das Bewusstsein. Irgendwann reichte es den Ärzten. Da diese Krankheit häufig bei Kindern auftrat und sie schon zahlreiche Kinderleben wegen AHID aufgeben mussten, wollten sie etwas dagegen unternehmen. Da dies irgendwann staatlich angeordnet und somit Beschluss der Regierung war, wurden irgendwann alle Kinder mit AHID von zuhause weggenommen und in eine Klinik gebracht.
So oder so ... Ich saß hier mittlerweile seit 14 Jahren fest.
Wir durften insgesamt zwei Stunden nach draußen. Durften uns unterhalten und ein bisschen herumalbern. Aber nach diesen zwei Stunden kam jeder wieder in seine eigene Kabine, dann gab es pünktlich um sechs Uhr Abendessen. Am nächsten Tag dann um acht Uhr Frühstück und um 12 Mittagessen. Ihr könnt euch ja vorstellen, dass man da dann irgendwann durchdreht. Also wenn ihr mich fragt, glich dieses Leben eher einer Gefangenschaft als dem eines Teenagers.
Und wenn man so viel Zeit in seinem Zimmer verbrachte und so viel Zeit zum Nachdenken hatte, fragte man sich natürlich, wie das Leben da draußen so ohne einen war ... Denn AHID hatte zur Folge, dass der Patient im Krankenhaus bleiben musste, weil es sonst ein zu hohes Risiko für Herzversagen gab, wenn es nicht vollzeitig unter Beobachtung stände. So sagten sie es jedenfalls. Mittlerweile glaubte ich das schon lange nicht mehr.
Schon wieder saß ich in meinem Zimmer, grübelte über dies und jenes nach und kritzelte dabei gedankenverloren in meinem Block herum. Wie war wohl die Welt da draußen? Immerhin hatte ich mein ganzes Leben lang nichts anderes gesehen als diese Anlage. Und an die Zeit davor hatte ich keinerlei Erinnerungen. Doch manchmal träumte ich. Von meinem früheren Leben. Wie es hätte sein können. Dann erschien vor meinem inneren Auge meine Mutter. Sie war so schön, so wunderschön und sah mich einfach nur an. So wie mich nie jemand angesehen hatte. So wie mich nie jemand geliebt hatte. Und dann war der Traum auch schon wieder vorbei und ich wachte auf und merkte, dass ich wieder ganz allein war auf dieser Welt.
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Run away
Teen FictionSechs Freunde. Und alle wollen mal raus in die Welt und etwas erleben. Raus aus dem Loch, an das sie schon jahrelang gebunden sind. Allerdings hat diese Entscheidung fatale Folgen und die seltene Krankheit AHID lässt das Leben für einen Manchen zum...