Kapitel 1: Streichholzflamme

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In die Finsternis hinein drang eine Wärme. Als läge man am Lagerfeuer, oder sitze ganz gemütlich am Kamin in einer kalten Winternacht. Wie im Traum konnte sie unter der Hand das weiche Fell einer Katze spüren, die imaginär auf ihrem Schoß lag und sich schnurrend von ihr den Rücken streicheln ließ. Die Stimmen in ihrem Kopf mussten dem samtigen Miauen ihrer verstorbenen Katze weichen, die sie Zeit ihres Lebens begleitet hatte. Hinter ihren Augäpfeln sammelten sich die Tränen, drückten mit all ihrer Masse dagegen, bis sich einige hindurch quetschen konnten. Für sie fühlte es sich fast so an, als müssten ihr die Augen aus dem Kopf springen. Es wurde immer wärmer, bis es fast heiß wurde. Vor ihren geschlossenen Augen flackerte es. Nur mit Mühe schaffte sie es, sich aus den Tiefen ihres Bewusstseins zurück zu kämpfen, sodass sie die Augen öffnen konnte. In wenig erfreulicher Erwartung des Anblickes der Blut verschmierten Badewanne im Badezimmer der Wohnung, wo sie mit ihren Eltern lebte, schlug sie mit zitternden Augenlidern die Augen auf. Feuer. Überall um sie herum war Feuer. Brennende Balken, durch die sich die Flammen wie Würmer hindurch fraßen, hingen schräg von der Decke, versperrten den Weg wie umgestürzte Bäume im Wald. Nirgends konnte sie Fenster oder Türen sehen. Alles wirkte wie ein unendlicher, in Flammen stehender Raum - wie die Hölle. Schwarze Rauchschwaden waberten um ihre Beine herum, krochen wie fettes Ungeziefer über den Boden. Wo auch immer sie war, es war nicht die so vertraute Wohnung, nicht einmal mehr das Mehrfamilienhaus. Sie hatte diesen Ort noch nie in ihrem Leben betreten. Und wie um alles in der Welt war sie hergekommen? So hatte sie doch gerade eben noch blutend und das Bewusstsein verlierend in der meistens nur als Dusche genutzten Badewanne gesessen. Und das hier war ganz sicher auch kein Krankenhaus. Hilflos und der Verzweiflung schon ziemlich nahe wand sie sich in alle Richtungen, rief in den undurchdringlichen Rauch hinein. "Hallo?! Ist hier jemand?" Nur ihr Echo grüßte sie zurück. Sie rief noch einmal, schrie weiter, immer lauter. Felsenfest davon überzeugt, irgendjemand müsse sie doch hören, irgendwann müssten doch einmal die Feuerwehrmänner aufkreuzen, die sie dann weitest gehend unverletzt wieder hier heraus bringen würden. Aber schnell wurde klar, es würde niemand kommen. Bald war sie heißer, die Stimme nur noch ein schmerzhaftes Kratzen im Rachen. Der Rauch kratzte sie im Hals. Wie lange dauerte es wohl, bis sie diesmal das Bewusstsein verlieren würde? Wie elendig würde sie jetzt dahingehen müssen? An Rauchvergiftungen starb es sich nicht schön, hatte sie gehört. Ob es sehr weh tun würde? Beim Gedanken daran, dass sie hier nun ihr Ende finden würde, dort wo sie vielleicht niemals wieder jemand finden würde, sah sie auf ihre Handgelenke. Dort floß in pochenden, blauend Adern das Blut. Der Anblick verwirrte sie kurz, hatte sie sich doch versucht die Pulsadern durch zu schneiden und jetzt lagen sie unversehrt unter verblassenden Narben unter ihrer vor Ruß schwarzen Haut. Schnell musste die erste Verwirrung Wut und Zorn weichen; auf die Welt; auf die Idioten, die sie hier her geschafft hatten; auf ihre Eltern, die mal wieder früher als angekündigt zurück gekommen waren und sie deswegen gerade noch so bei Bewusstsein gefunden hatten - Wut auf sich selbst. Ja, regelrechter Hass auf sich selbst überrollte sie. Nie lief etwas nach Plan, nichts funktionierte so, wie sie sich es überlegt hatte. Sie konnte einfach nichts richtig machen; ihre Eltern konnte sie nie zufrieden stimmen und in der Schule bekam sie auch nichts auf die Reihe. Wahrscheinlich hatten sich ihre Eltern etwas völlig anderes erhofft, als sie feststellten, dass ihre Mutter schwanger war. Die Wut, die das Blut in ihr zum kochen gebracht hatte, flachte ab und wandelte sich in Trauer und Verzweiflung. Ihre Beine sackten ein, sie sank in die Knie - so wie immer, wenn sie diese Gefühle überfielen und in Besitz nahmen. Hier in dieser brennenden Hölle auf Erden würde sie sterben. Und man würde sie einfach vergessen. Hilflos kauerte sie sich zusammen, zog die Beine an die Brust und ließ sich von den Rauchschwaden einhüllen. Doch es sollte hier noch nicht vorbei sein...  Unbemerkt kam ein Schatten aus den Flammen. Jemand hatte sie gehört! Jemand kam, um sie zu retten! In dem Moment, als sie voller Hoffnung aufspringen wollte, um auf sich aufmerksam zu machen, erstarrte sie. Vor ihr stand ein Mädchen voller Ruß und Asche, in abgetragenen Klamotten und an ihrem Hosenbund geknotet hing ein Schwert. Die ungestümen und wahrscheinlich auch ziemlich verfilzten Haare waren in einem Zopf zusammengebunden. Mit abschätzigen Blicken sah sie auf sie herab. 

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 10, 2020 ⏰

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