My Lucifer is Lonely

Die meisten Menschen haben sogenannte Guardian Angels. Das sind Engel, die ihnen von Geburt an zugeteilt werden und sie vor allem beschützen, wie der Name es unschwer zu erkennen gibt.

Man kann seine Beschützer nicht sehen, nur spüren. Doch wenn man in einen Spiegel sieht und hinter sich schaut, so kann man einen Art schattigen Umriss ihres Aussehens erkennen. Der Guardian ist nur für seinen Schützling sichtbar, niemand anderes kann ihn sehen oder spüren. Ob die Guardians sich untereinander sehen können ist eine Frage, auf die bis jetzt noch niemand eine Antwort gefunden hat. Eventuell handelt es sich um einen Familienstreit zwischen den hellen Geschöpfen und ihren dunklen Geschwistern. Die Guardians scheinen nicht gerne darüber zu reden.

In dieser Welt bist du eine Ausnahme. Eine Rarität unter deinesgleichen. Du hast keinen Engel an deiner Seite. Du hast einen Dämonen. Du hast Namjoon.

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Seit dem Tag deiner Geburt schwirrt seine dunkle Präsenz ständig um dich herum und hüllt dich tagtäglich in seine Wogen aus schwarzem Schutz.

Traditionell werden Kindern ihre Guardians mit 6 Jahren gezeigt. Und als der Tag für dich gekommen war, konntest du die Anwesenheit deines Guardians so stark spüren, dass es schon fast elektrisierend war.

Du erinnerst dich noch lebhaft daran. Bevor du ihn zum ersten Mal gesehen hast, hat er dich an deinem Geburtstag bereits dreimal davor bewahrt, in deinem Übermut von der Rutsche zu fallen. Du warst mehr als nur bereit, und mehr als nur nervös, deinen Guardian zu sehen. Bisher hattest du immer nur seine sanfte Stimme hören können, die dich immer ermahnte und dir wohlwollend zuraunte, aus dem ungreifbaren Nichts heraus. Aus ihr hast du bereits entnehmen können, dass es sich um einen Jungen ungefähr in deinem Alter handelt. Die Berührungen, die du bisher spüren konntest, waren vorsichtig und flüchtig gewesen. Es war, als hätte er Angst, dich zu verletzen.

Bis heute hat sich an seinen zarten Berührungen nichts geändert.

Mit einem tiefen Atemzug und rasendem Herzen hast du den Spiegel ergriffen, während deine gesamte Familie dich mit erwartungsvollen Augen anstarrte. Dein Vater dokumentierte den Prozess auf seiner Videokamera. Jedes Jahr an deinem Geburtstag schaut ihr euch dieses Video an.

Eine in schwarz gehüllte Gestalt starrte dich aus dem kleinen Spiegel heraus an. Hörner stachen unter der dunkeln Kapuze, die er über sein Gesicht gezogen hatte, hervor. Dieses Wesen sah nicht aus wie die weißen, blonden und gütigen Engel, von denen dir dein Leben lang berichtet wurde. Eine seltsame dunkelrote Aura umgab es. Du warst kurz davor zu schreien, doch als es seine Kapuze abzog und ein Junge deines Alters dich durch den Spiegel hindurch anstarrte, verstummtest du. Er schenkte dir ein warmes Lächeln und zwei Grübchen bildeten sich in seinen kindlich runden Wangen. Die erwartenden Blicke deiner Familie holten dich zurück in die Realität und du hast deine Verwunderung mit lauten Freudenschreien überspielt. Lachend bist du umher gerannt und schließlich in dein Zimmer gegangen mit der Ausrede, so viel Zeit mit deinem Guardian wie möglich verbringen zu wollen.

In deinem Zimmer hattest du dich skeptisch zwischen deine Spielzeuge geworfen und den Spiegel wieder zur Hand genommen.

Die etwas schüchterne Mine deines Guardians lächelte dir entgegen. Du hast den Spiegel leicht angewinkelt, um ihn von Kopf bis Fuß zu betrachten.

Er war gänzlich in eine schwarze Robe gehüllt; dreckige nackte Füße guckten unter dem Rand des Kleidungsstücks hervor. Sein Gesicht war für das eines Kindes scharf geschnitten und die Augen hatten einen roten Ton.

Durch den Spiegel konntest du sehen, wie er seine kleine Hand vorsichtig nach dir ausstreckte und langsam auf deiner schmalen Schulter ablegte. Die Berührung fühlte sich warm und vertraut an.