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Ich bereue es seit mein Wecker geklingelt hat, mich freiwillig für die drei Uhr-Schicht gemeldet zu haben.

Ich arbeite neben meinem Studium auch als Barista in einem Coffeeshop in der Nähe des Campus, und natürlich habe ich mir genau den ausgesucht, der sechzehn Stunden am Tag geöffnet hat. Und so stehe ich jetzt, am drittletzten Ferientag morgens um drei hinter dem Tresen und muss zu den übermüdeten Studenten auch noch nett sein.

Sonst fällt mir das nicht schwer, aber so früh morgens? Ich habe nicht einschlafen können, dabei hatte ich extra vor, um neun im Bett zu liegen. Stattdessen habe ich bis um elf wachgelegen und somit nur drei Stunden Schlaf. Gut, dass der Kaffee für mich kostenlos ist.

Momentan bin ich allein, und bisher sind alle Bestellungen to go gewesen. Die letzte Kundin hat vor zehn Minuten den Laden verlassen und so ist es noch schwieriger, wach zu bleiben. Die Musik, die hier jeden Tag rauf und runter läuft, hilft da auch nicht sonderlich.

Ding.

Ich richte mich auf, sobald ich die Klingel an der Tür höre und der Junge, der den Laden betritt, lässt ein großes Fragezeichen in mir aufploppen. Er ist definitiv kein Student, aber um den Campus herum wohnen zu neunundneunzig Prozent nur Studenten. Er sieht auch nicht aus, als müsste er arbeiten, schließlich ist es fast vier Uhr morgens und er so verschlafen, dass er mehr schwankt als läuft.

Aber, und das sage ich voller Überzeugung, er ist der hübscheste Mensch, den ich je in meinem Leben gesehen habe. Und das, obwohl er pandaartige Augenringe hat und sein weißes Shirt echt zerknittert ist. Auch seine Haare sind unordentlich, aber das macht ihn eigentlich noch am ehesten attraktiv von den Dingen, die auf Schlafdefizit zurückzuführen sind.

"Guten Morgen! Was möchtest du bestellen?" Er hat den Tresen erreicht und sieht mich einen Moment an, als müsste er sich erinnern, was ihn hierhergeführt hat.

"Dich kenne ich nicht", sagt er schlussendlich. Ich brauche eine Sekunde, um über seine Stimme und die Überrumpelung hinwegzukommen.

"Das ist meine erste Frühschicht." Ich sehe ihn abwartend an. Er nickt leicht, als hätte er nicht zugehört, aber in seinem Zustand wundert mich das nicht.

"Schwarz. Nein. Mit Zucker. Einem oder zwei Löffeln."

"Ich brauche eine eindeutige Bestellung." Mein Lächeln ist nicht mehr so schmerzhaft gefälscht und wider Erwarten finde ich sein Verhalten nicht nervig, sondern ausgesprochen... süß.

"Eineinhalb. Eigentlich will ich gar keinen Zucker. Aber der ist immer so bitter, euer Kaffee..."

"Ich kann dir eine Tüte dazulegen und du entscheidest das selbst."

"Nee. Doch. Nein. Ach, mach einfach einen Löffel."

In mich hineingrinsend wende ich mich nach dem standardmäßigen "Kommt sofort~" ab und mache ihm seinen Kaffee.

"Studierst du?"

Ich werfe ihm über meine Schulter einen Blick zu. Er hat sich gegen den Tresen gelehnt, als fiele er sonst um. "Ja. Und was machst du?"

"Buchhilfe. Nee, so heißt das nicht. Ich helfe in einem Buchladen aus. Und bin scheiternder Musiker."

"Scheiternd?", hake ich nach. Er grinst schwach.

"Mhm. Es kommt einfach nichts Gutes dabei raus. Naja, gut ist es vielleicht schon. Aber nicht ausreichend. Hab vielleicht fünf Fans oder so."

"Wieso gibst du nicht auf?" Ich lege meinen Kopf schief und mustere ihn, während ich den Becher in meinen Händen schließe.

"Weil mir das Spaß macht. Und ich mich, leider, nicht um meinen Unterhalt sorgen muss."

"Deine Eltern?" Er nickt. "Sei doch froh, so kannst du dich aufs Komponieren konzentrieren."

"Ich hätte das schon längst aufgegeben, wenn ich nicht so viel Langeweile hätte. Dann wäre ich jetzt was Anständiges." Er wühlt in seiner Tasche nach Geld. "Klar macht's Spaß, aber... Erfüllend. Erfüllend ist es wirklich nicht."

"Ich finde es gut, dass du deine Leidenschaft nicht aufgibst." Ich lächle ihn an, und er hält mir das Geld hin, sieht auf und starrt mich einfach nur an. Ich grinse und rechne ab. Ganz schön müde, hm?

"Jeno."

Ich halte inne und sehe auf. "Was?"

"Du bist Jaemin." Er deutet auf mein Namensschild. "Ich bin Jeno." Er lächelt ganz leicht, und es brennt sich geradezu in mein Gedächtnis ein.

"Ich wünsche dir einen schönen Tag, Jeno."

"Gute Nacht", murmelt er und verlässt den Laden. Ich kann nicht anders als zu schmunzeln.

Da ich den ganzen Tag an ihn denke, ist es plötzlich viel leichter, nicht einzuschlafen.

20 04 10

yeonggam ✦✦ nomin ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt