Ein gleißend heller Ball am wolkenlosen Himmel. Ich kurbelte das Fenster runter und nahm meine Sonnenbrille ab. Abgase und die gestressten Rufe anderer Fahrer lagen in der Luft. „Mach das Fenster zu! Es stinkt!“ rief Lana von der Rückbank. Seufzend schob ich mich wieder auf den Sitz und kurbelte das Fenster hoch. Ich setzte Sonnenbrille und Sonnenhut wieder auf und legte meine Füße auf das Armaturenbrett. Die Sonne wärmte angenehm meine Haut. „Entspann dich doch mal, Lana.“ Rief ich über das Radiogeplänker zu ihr nach hinten. „Wir haben Sommer, die Sonne scheint, keine Wolken in Sicht und abgesehen davon, dass wir hier erst mal festsitzen, ist es wirklich schön.“ Entgegnete ich lachend. Lana schnaubte. „Echt toll.“ Samantha neben mir grinste und stellte die Musik lauter. „Entspannt euch, Leute. Wir kommen schon rechtzeitig an.“
Das dauerte dann allerdings noch ein bisschen. Genau drei Stunden und vierundfünfzig Minuten. Natürlich nutze das Lana wieder dazu rumzunörgeln. Fast hätte ich am Ende auch noch schlechte Laune bekommen, aber auch nur fast. Heute würde ich nicht so schnell runtergezogen werden. Endlich den blöden Abschluss in der Tasche und dann hatte Samantha auch noch ein Auto von ihren Eltern geschenkt bekommen. Das schrie doch förmlich nach Urlaub mit den besten Freundinnen.
Dösig lag ich im Gras und beobachtete durch meine Sonnenbrille die wenigen Schäfchenwolken am blauen Himmel. Nach ein paar Minuten kam Samantha zu mir und schlug vor, mit dem Grillen anzufangen. Ich stand auf und wir gingen zu unserem Zelt. Lana hatte schon den Grill aufgebaut und eine Picknickdecke ein paar Meter daneben ausgebreitet. Ich half Lana beim Grillen, während Samantha Teller, Besteck, Becher und Salat herausholte.
Als es dämmerte lagen wir im Gras und redeten. Es war schön, wieder mit den beiden etwas zusammen zu machen, auch wenn Lana ständig etwas zu meckern fand und Samantha schnell zickig wurde. Aber das machte mir nichts. Ich war ja auch nicht perfekt.
Nachdem die Sonne die Kronen der Bäume im nahen Wald orange, rot und gelb verfärbt hatte, kamen der Mond und die Sterne zum Vorschein. Die Schatten wurden länger und alle nachtaktiven Tiere kamen aus ihren Verstecken. Zuerst stand Lana auf und räumte den Grill und das Geschirr weg, dann stand ich auch auf und faltete die Decke zusammen. Nachdem wir uns im nahen Waschhaus die Zähne geputzt hatten, legten wir uns in unsere Schlafsäcke und schalteten die kleine Lampe im Zelt aus. „Gute Nacht.“ murmelte ich.
Ein kleines, schwaches Licht tanzte über mir. Es drehte sich und verschwand, nur um kurze Zeit später wieder zu erscheinen. Ich setzte mich auf. Silbernes Mondlicht flutete durch den offenen Zelteingang. Ich kroch müde zwischen den anderen Schlafsäcken durch und rutschte auf etwas aus. Der Schlafsack, auf den ich fiel, war leer. Verwundert tastete ich den anderen ab. Der war auch leer. Deutlich wacher sah ich aus dem Zelt in die Dunkelheit. Ich versuchte meine Panik zu unterdrücken, aber ich spürte schon wie meine Hände unkontrolliert, wie kleine Schlangen, zu zucken begannen und mein Herz schneller schlug. Ich holte tief Luft und holte mein Handy heraus. Zuerst Samanthas Nummer. Ihr Handy war aus. Dann Lanas. Ich hörte es im Schlafsack leise brummen. Wütend legte ich auf.
Ich versuchte zehn Minuten ruhig zu warten. Nach fünf sprang ich auf, schnappte mir meine Taschenlampe und mein Handy und ging zuerst langsam um unser Zelt herum. Der kalte Wind strich um meine Knöchel und ich hatte das Gefühl, jemand würde direkt neben stehen. War da ein zweiter Atem? Oder ein Schritt der nicht unisono mit meinem war? Schnell drehte ich mich im Kreis und leuchtete meine Umgebung ab. Das Blut dröhnte laut in meinen Ohren, so dass ich nicht anderes hören konnte. Ich zwang mich über den Platz zu gehen.
Außer ein paar vereinzelten Zelten sah ich nichts. Bald sah ich fast nur Bäume. Mein Herz hämmerte gegen meine Rippen und ich hatte Angst, keine Luft mehr zu bekommen. Wo war jetzt der verdammte Weg? Hektisch leuchtete ich den Boden ab… und taumelte dann nach Atem ringen zurück. Schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen, langsam, ganz weit entfernt, merkte ich, wie ich mich gegen einen Baum lehnte, nach Atem rang und dann wieder die Taschenlampe hob. Wieso fiel es mir auf einmal wieder so leicht zu atmen? Der Lichtstrahl traf etwas Glänzendes Schwarzes. Es reflektierte leicht das Licht. Dann sah ich ihr Gesicht. Es lag in einer dunklen Blutlache, ihr braunes Haar war fast schwarz von ihrem eigenen Blut und diese wunderschönen braunen Augen sahen mich blind an. Jemand packte mich. Ich schrie und erstickte dann an meinem eigenen Schrei. Außer dem Rausche in meinem eigenen Kopf und meinem eigenen panischen Atem hörte ich nichts, ich spürte nur einen stechenden Schmerz an meiner Seite und das zitternde Pochen, das sich immer weiter in meine Beine und den Bauch hinauf arbeitete. Verzweifelt wand ich mich aus dem kalten Griff und fiel auf den Boden. Auf einmal führte ich mich seltsam leicht und frei. Das Pochen wurde betäubt, als kleine schwarze Punkte vor mir tanzend. Sie wischten einfach den Schmerz weg und ich griff gierig nach den seltsamen Punkten, die immer mehr wurden und mein Sichtfeld langsam verdunkelten.
