chap 1'

1.2K 77 31
                                    


Irgendwas brummte. Und das störte mich. Gewaltig. Vor allem, weil ich noch schlief. Beziehungsweise geschlafen habe. Ich richtete mich mit den Armen bei der Couch stützend auf. In meinem Kopf schien auch alles grundlos zu brummen. Kein Wunder, immerhin wurde ich an einem Sonntag um 08:34 geweckt, wie sich nach Herumsuchen nach dem Unruhestifter herausstellte.

Das irgendwas stellte sich als das aufmerksamgeile Handy meines Bruders heraus.
Die Intromusik von Dragon Ball wurde nahezu dröhnend abgespielt und es vibrierte zugleich.

Find the dragonballs, look out for 'em all!

Der Anrufer war mir jetzt schon unsympathisch. Auch wenn ich mein soziales Leben nicht auf Vorurteilen aufbaue. Generell waren mir alle Lebewesen unsympathisch, die nichts Besseres zu tun hatten, als Sonntagmorgens die Ohren anderer schadenfroh zu vergewaltigen.

Ich hatte gut geschlafen. Unheimlich gut für meine Verhältnisse sogar. Sogar mit einem meiner bis zu dem Zeitpunkt friedlichsten Träume, stellte ich im Nachhinein fest. Auch wenn man sich, laut diesem sagenhaften Internet, an nur noch höchstens 10% nach dem Aufwachen an den Inhalt erinnern konnte, glaubte ich dennoch, mich an jedes einzelne Detail zu erinnern. Obwohl, doch nicht. Aber es ging auf jeden Fall um Dutzende lachende Welpen mit Babyköpfen, die nacheinander vom Eiffelturm sprangen. Im Nachhinein ist es doch irgendwie traurig, dass ich das als einen friedlichen Traum empfand.

Ich stöhnte auf. Und nein, nicht, weil ich einen Orgasmus, noch Kater oder sonst was hatte. Es war eher wegen der Tatsache, dass ich nach brutalem Aufwecken nicht mehr einschlafen konnte. Generell nicht. Und das werde ich auch nie können oder erlernen. Ich verfluchte die Person. Und um ehrlich zu sein auch ein klitzekleines bisschen meinen Bruder. Immerhin hatte er ja sein auf laut gestelltes Handy direkt vor meiner Nase auf dem Sofatisch liegen lassen. So ein Dummkopf.

Okay, ich nehme das zurück. Er ist ja immerhin mein liebster Bruder von 1 Brüdern.

Vorsichtig lehnte ich mich mit dem Oberkörper zum besagten Sofatisch, weil es mir diese besagt unbekannte Misset das Aufstehen nicht wert war. Das durch die Vorhänge strahlende Sonnenlicht blendete die Anzeige des Anrufers, sodass ich selbst blinzelnd nichts erkennen konnte, weshalb ich einfach nur wieder stöhnend abhob.

"Für wen hältst du dich, dass du dir anscheinend erlaubst, um zu einer solch inhumanen Uhrzeit irgendjemandem auch nur sowas in der Richtung antun zu können?", brachte ich überraschenderweise auf Anhieb ohne ähs und ähms heraus. Und das an einem öfters genannten Sonntagmorgen um 08:35. Ja, es verstrich genau eine Minute, als ich mich zum Aufstehen bemühte.

Ich freute mich schon auf die wohlverdiente Rache an meinem Bruder. Die hatte er sich beachtlich verdient, nachdem diese Misset innehielt und sich kurz räusperte.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ich nach diesem Telefonat noch weiterschlafen hätte können, lag bei -9000.
gg.

"Ja, hallo erstmal", meldete sich ein Wal mit Raucherstimme auf Speed, "bin ich hier richtig? Also bei Ardian Bora?"

Ich war so kurz vor einem heftigen Lachkick. Ohne Witz, auch wenn mich sowas wie die Misset mit der Stimme, die glatt von einem 60-Jährigen ohne Lunge hätte kommen können, hier ehrlich gesagt gar nicht mehr hätte überraschen sollen. Immerhin ging es ja um den Freundeskreis meines Bruders, der ja einen etwas gewöhnungsbedürftigen Job hatte. Ich glaubte kaum, dass jeder auf diesem Planeten einen einigermaßen erfolgreichen YouTuber in der Familie hatte und wenn, dann bestimmt keinen Ardy. Der war ja ohnehin ein Spezialfall für sich. Und das war jetzt kein Kompliment.

"Nein, sorry. Bei seiner Sekretärin. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?", wenn er schon den Drang hatte Leute zu quälen, durfte ich wohl motzen. Und zwar richtig. Zumindest das war mir der Wal schuldig.

"Ich würde gerne Ihren Arbeitgeber sprechen, falls das in irgendeiner Hinsicht möglich wäre.", meinte er äußerst höflich und rubbelte höchstwahrscheinlich an seinem Schnauzbart. Ich hatte ja immer noch keine Ahnung, wer zum Hundedünnschiss das war. Wollte ich auch nicht.

"Unter welchem Namen? Und jetzt sofort? Ich glaube mein Boss hat um diese Uhrzeit was Besseres zu tun, glaube ich zu wissen.", das was Besseres betonte ich mit leisem Zischen. Ihr kennt das bestimmt. Wie in den Seifenopern das Schnalzen der Tusse, wenn diese an der Affäre ihres Ex-Ehemanns vorbei stolziert. Auch wenn sich das jetzt wie ein kindliches Rollenspiel anhörte, hätte ich im Vergleich zu dieser Konversation sogar rohen Ingwer gegessen, um einfach nur wieder einschlafen zu können. Ich mochte keinen Ingwer. Nicht mal annähernd. Und wenn ich ihn auch nur freiwillig berührte, dann hieß das was.

"Tjarks. T wie Tumor, J wie Jucktmichnicht, A wie Anus, R wie Rumpelstilzchen, K wie Kokosnusspalme und S wie Sahnesteif. Und ich würde gerne mit ihm über seinen Umzug und Köln reden.", also Humor hatte der Junge schon mal. Sarcsm - on. Und für alle Sarkasmusphobiker: Er hatte natürlich keinen Humor.

Ich seufzte. Ardy und ich planten, von hier, München, nach Köln umzuziehen. Und das kotzte mich so richtig an. Allein schon von der Tatsache, dass ich irgendwann den ganzen Bullshit hier einpacken musste, bekam ich Würgereiz. Aber statt noch länger hier zu bleiben, ging ich lieber kotzen.

"Er kann ja leider aus wichtigeren Gründen wie Schlaf nicht diese äußerst wichtige Besprechung hier mit Ihnen führen, sollte ich ihm etwas von Ihnen ausrichten, Misses Djarksch?", langsam wurde das dezent lächerlich. Aber genau so sah ich aus, als ob ich jetzt die Klügere von uns beiden wäre und nachgeben würde.

"Na gut, richten Sie ihm bitte von mir, Mister Djarksch, aus, dass seine Zimmer schon fertig hergerichtet wurden und er mit seiner Schwester jeder Zeit kommen kann. Auf nicht-Wiederhören!", bevor ich ihm noch etwas wie was zum-? oder als ob! an den Kopf werfen konnte, tutete es.

Ein gewisser Djarksch hatte etwas mit Köln und Umzug zu tun.
Interessant.
Sehr sogar.
So interessant, dass ich dafür sogar freiwillig meinen Schlaf hingeschmissen hätte.
Nicht.

Ich rannte.

"VERDAMMT, Ardyzzle Borazzle! Was hast du für Missets als Freunde, die dich an einem Sonntag vor 14 Uhr anrufen?!", motzte ich lautstark, nachdem ich sofort in sein Zimmer gestürmt war und ihm seine heissgeliebte Wolldecke weggerissen hatte. Auch wenn er sie gar nicht benutzte, sondern nur auf ihr lag, glich sie seiner Meinung nach einem Heiligtum. Verständlich. Wie mir mein Schlaf. Mein nicht vorhandener Schlaf.

Ich will gar nicht wissen, wie viele Wörter ich in dieses Kapitel gepackt habe, die auch nur ansatzweise mit Schlaf zu tun haben.

"Ich meine, sie werden wohl wissen, dass du so ein Spast bist, der mal bis mindestens 17 Uhr weiterpennt?", merkt man, dass ich mich so dermaßen künstlich über jede Fliege aufregen konnte? Und wenn seine Freunde die Fliege darstellten, dann war Ardy der Elefant der Elefanten.

Eine nichtwissende beziehungsweise nebenstehende Person hätte meinen können, dass ich durchaus zickig/unhöflich/empfindlich oder sonst was rüberkam. Mir doch egal. Es ging um meinen Schlaf.

Hi. Ich bin Lucy.

sheeshWo Geschichten leben. Entdecke jetzt