Die Tränen des Universum

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Sie brach erneut in Tränen aus.

"Nimm es!", sie schluchzte und hielt mir das Fläschchen entgegen.
"Nimm es und geh!", wiederholte sie mit gebrochener Stimme, nachdem ich nicht reagierte.

Mit zitternden Händen griff ich nach dem Fläschchen. Es war leichter als ich dachte, fast schon als wäre es leer; dabei enthielt es doch eine ganze Galaxie.

Sie stieß mich Richtung Hintertür, doch ich konnte noch nicht gehen.
Sie schluchzte ein weiteres Mal und ihre riesigen Flügel begannen zu zittern. Tränen rannen ihr nun frei die zarten Wangen hinab und tausende kleine Sterne lösten sich aus den Rinnsalen, während einige Haarsträhnen in ihrem Gesicht klebten. Die Galaxien, welche normalerweise in ihren massiven, dunklen Flügeln wie Diamanten strahlten, blitzten nur noch matt unter den fast schwarzen Federn hervor.

Beim Anblick der gebrochenen Göttin stiegen mir selbst die Tränen in die Augen.

Ich machte einen Schritt auf sie zu, doch mir brach das Herz, als sie zusammenzuckte und einen Schritt zurücktrat.
Ich versuchte es ein weiteres Mal und sie warf sich in meine Arme.
Die Zeit schien stehen zu bleiben, als wir uns gegenseitig in den Armen lagen.

Ich wollte sie nicht verlassen und noch weniger wollte ich sie verletzen.

Ein Klopfen riss uns beide zurück in die Realität.
Als es ein weiteres Mal klopfte, riss sie sich von mir los und ging zur Hintertür.

Ich ging ihr nach und bevor sie die Tür öffnete, drückte sie noch ein letztes Mal ihre zarten, rosa Lippen auf die meinen.

"Vidar wir wissen, dass du zu Hause bist. Jetzt mach die Tür auf, bevor ich es selbst tue."

Noch ehe ich einen klaren Gedanken fassen konnte, stand ich allein in der kühlen Nachtluft. Es war dunkler als sonst und ungewöhnlich still.
Aus dem Haus drangen die Stimmen ihrer Geschwister und ich erstarrte einen kurzen Moment, bevor ich mich unter das Fenster abduckte.

Durch die Stille der Nacht hallte der Streit im inneren des Hauses und ich konnte mich nicht von meinem Platz lösen.

Ich wusste, dass ihre Schwester und ihr Bruder unsere Beziehung nicht guthießen, doch was ich nun hörte, hatte ich mir im Traum nicht denken können.

"Er benutzt dich nur. Er will doch nur deine Stellung und Macht bekommen.", redete eine männliche Stimme auf meine Göttin ein.

Danach erklang die Stimme ihrer Schwester: "Er isoliert dich komplett von uns, wahrscheinlich sollst du nur noch auf ihn hören und anderen keinen Glauben mehr schenken."

"Ihr lügt! Warum könnt ihr mir mein Glück nur nicht gönnen?", die traurige Stimme meines Sterns war kaum auszumachen.

Ich hatte das Gefühl das Glas mit der Galaxie in meinen Händen erwärmte sich.

Drinnen nahm ihre Schwester das Wort wieder an sich: "Du hast kaum noch Zeit für mich und bist schweigsamer als ein Grab. Verdammt noch mal Vidar, wir haben im letzten Jahre nicht mal richtig miteinander gesprochen. Wir machen uns doch nur Sorgen um dich."

"Du bist krank geworden, Vidar. Schau dich doch mal an du siehst aus wie eine Leiche und übergibst dich jeden Morgen.", fügte ihr Bruder hinzu.

Ich erstarrte. Warum hatte ich nicht bemerkt, dass es ihr so schlecht ging? Warum hatte sie es mir nicht gesagt? Vertraut sie mir nicht mehr?

Die leise Stimme meiner Göttin holte mich wieder in die Gegenwart: "Ihr ..*schluchzt*..ihr habt doch keine Ahnung . Ich liebe ihn und egal was ihr sagt, ihr könnt meine Meinung nicht ändern. UND JETZT RAUS HIER.", zum Ende hin schrie sie und ich, vor dem Fenster, zuckte zusammen. So hatte ich sie noch nie erlebt.

In meiner Gegenwart war sie immer die gefühlvolle und umsorgende Göttin.

Ihre Geschwister ließ die Sache jedoch ziemlich kalt.
Sie hatten das Haus nicht verlassen und Taipa begann wieder zu sprechen: "Das kann doch nicht dein Ernst sein. Ich bin deine Schwester, dein gottverdammter Zwilling. Du kannst mir nicht vormachen, dass es dir gut geht oder er dir nicht schadet."

Es herrschte Stille und meine Sternschnuppe wollte schon beginnen sie wieder anzuschreien, als sie weiterredete: "Hat er dir etwas gestohlen? In deinem Regal fehlt ein Glas mit einer Galaxie. Hat er dich gezwungen es ihm zu geben?"

Die zarte Stimme meines Engels erklang: "Ich habe sie freigegeben."

Sie klang, als wäre die gesamte Trauer des Universums in ihr vereint.

Ihr Bruder startete erneut einen Versuch sie zu überzeugen, dass ich das Übelste der Welt sei: "Was hat er gegen dich in der Hand? Warum verteidigst du ihn so erbittert?"

Meine Göttin schluchzte erneut auf. Ihre Traurigkeit versetzte mir ein Stich in meinem Herzen und auch das Glass veränderte wieder seine Temperatur.

"Ihr wisst nicht was ihr da sagt. Ihr seid so verblendet, dass ihr die Wahrheit nicht seht."

Es wurde still in dem Haus und ich fürchtete das sie mein pochendes Herz hören könnten.

Ihre Schwester klang verzweifelt als sie ihren Namen rief, doch mein Stern schrie nur wieder: "HAUT ENDLICH AB! LASST MICH IN RUHE. NUR WEIL IHR MEINE GESCHWISTER SEID MUSS ICH NICHT AUF EUCH HÖREN. Ihr habt keine Ahnung wie es mir geht, also geht jetzt endlich." Sie wurde immer leiser und als ich durch das Fenster sah, sah ich das sie auf den Boden gesunken war.

Sie sah aus als würde das Gewicht des Universums auf ihren Schultern ruhen.

Als sie schließlich wieder etwas sagte verließ sie nur ein schwaches Flüstern: "Ich bin schwanger. "

Die Tränen des UniversumsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt