Es war ein schwüler Mittwoch im Juli, an dem ich mit meiner Cousine Laura und meiner besten Freundin Pauline in unserem Gruppenchat schrieb. Wir verabredeten uns zu einem Mädchenabend in der Hütte im Wald, die Paulines Eltern gehörte.
Auch wenn sie es nicht gerne hörte, aber Paulines Familie war reich. Der Vater war ein angesehener Anwalt und die Mutter war Professorin an der circa 12 Kilometer entfernten Universität.
Lauras Familie war so ziemlich das Gegenteil. Ihr Vater arbeitete auf das Diakonat hin und ihre Mutter war Küsterin in der Kirche in unserem Dorf.
Wir machten den folgenden Donnerstagabend aus, um in der Hütte zu übernachten. Da wir Sommerferien hatten, musste niemand früh aufstehen. Ich musste noch einige Schulaufgaben erledigen, daher lag ich mein Smartphone weg und versuchte mich auf Politik-Wirtschaft zu konzentrieren. Die Hausarbeit sollte mindestens zwei Seiten lang werden und ich hatte gerade erst die Überschrift gewählt. "Jens Spahn – lief 2020 etwas falsch?" Es gab kaum ein Fach, das ich so hasste, wie Politik-Wirtschaft. Nun ja, ich hasste den Lehrer vielleicht mehr, als das Fach an sich, aber das änderte auch nichts an der Hausarbeit. Als ich so in meine Wut-Gedanken gegen meinen Politik Lehrer versunken war, klopfte es an meiner Zimmertür. Ich schreckte um und in der Tür stand meine kleine Schwester, die mich durch ihr Brille mit ihren blauen Augen musterte und mir sagte, dass Abendessen fertig sei. Noch immer in Gedanken klappte ich meinen Laptop zu und streckte mich. Beim Abendessen musste ich mir, wie so oft, anhören, dass ich etwas netter sein könnte, wenn ich nicht allein bleiben will und dass ich meine Geschwister nicht so anfahren sollte. Dabei wollte ich nur, dass meine kleine Schwester auch mal den Tisch mit abräumen hilft und nicht immer einfach gehen soll. Schließlich war sie mittlerweile elf Jahre alt und konnte sehr wohl mehr helfen. Nach dem wir den Tisch abgeräumt hatten – ohne meine kleine Schwester – setzte ich mich erneut an meine Hausarbeit. Als der Bildschirm um 21 Uhr, nach mehrfachem schreiben und löschen, immer noch leer war, schlug ich den Laptop zu und legte mich auf mein Bett. Irgendwann mitten in der Nacht, wachte ich plötzlich auf. Mein Digitaler Wecker zeigte 03:48 Uhr an. Erschöpft vom schlafen und noch ein bisschen schlaftrunken ging ich ins Badezimmer, um mir die Zähne zu putzen und wieder ins Bett zu können.
Der nächste Morgen begann, wie immer, mit meinem Wecker. Aber dieser sonnige Donnerstag war anders, denn heute konnte ich mich endlich wieder bei meinen Freundinnen über meine Familie auskotzen. Bevor ich zum Frühstück ging, überlegte ich ,was ich bis zum Abend noch alles besorgen musste. Sonderlich lang war die Liste nicht. Es waren nur eine Kiste Radler und Knabberkram. Währenddessen musterte ich mich im Spiegel. Meine kurzen, rot gefärbten Haare standen in alle Richtungen ab und meine braunen Augen blinzelten mich verschlafen an. Als meine Haare glatt gestrichen waren, zog ich mir eine schwarze Leggings und ein rotes, oversized T-Shirt, mit einem Prozentzeichen darauf, an. Nach dem Frühstück, putzte ich mir die Zähne und fuhr mit meinem Mofa los. Im Supermarkt war nicht viel los, also konnte ich schnell wieder nach Hause.
Den Rest des Tages versuchte ich die Hausarbeit zu schreiben. Um 18 Uhr hätte ich los gemusst und bis 17:30 Uhr war ich irgendwie mit der Hausarbeit fertig geworden. Also hatte ich sogar noch etwas Zeit, um meine Tasche zu packen. Mein Vater brachte mich, mit dem Auto, zum Wald. Dort warteten Laura und Pauline schon auf mich, denn ich war, wie in letzter Zeit häufiger, ein paar Minuten zu spät.
Pauline war etwas größer als ich und strahlte sehr viel Kompetenz aus. Dennoch wirkte sie mir ihren schulterlangen, Kastanienbraunen Haaren sehr sympathisch. Sie trug eine dunkelblaue Jogginghose und ein rosa Shirt, auf dem in neongrün GIRLS stand.
Laura hatte ebenfalls lange braune Haare, die sie jedoch in einen Pferdeschwanz gebunden hatte. Auch sie trug eine Jogginghose, die aber schwarz war, und einen dunkelroten Kapuzenpulli, den sie offensichtlich von ihrem Freund Jonas geklaut hatte. Laura war die einzige aus unserer Gruppe, die seit zwei Jahren in einer glücklichen Beziehung war. Pauline und ich waren eher die Single Typen. Aber wir hatten nie Probleme damit.
Ich entschuldigte mich bei ihnen und wir gingen los in Richtung Hütte. Auf dem Weg, der sehr uneben und eher ein Trampelpfad war, kam uns ein ehemaliger Lehrer entgegen, der aber, aus unbekanntem Grund, die schule verließ. Mehr oder weniger freundlich grüßten wir und gingen schnell weiter. Es war sehr unangenehm gerade ihn zu treffen, denn ich war vor drei Jahren in den verknallt und bereute es mittlerweile. An der Hütte angekommen, rollten wir unsere Schlafsäcke vor dem Kamin aus und während ich versuchte, das Feuer an zubekommen, rief Laura bei unserem Lieblingspizzadienst an und bestellte das Übliche: drei große Pizza Margarita. Da wir mitten im Wald waren, dauerte es immer etwas länger bis die Pizza da war, also vertrieben wir uns die Zeit indem wir die leere Radler Kiste, durch die neue, volle Kiste austauschten. Jede nahm sich ein Radler und wir setzten uns aufs Sofa. Nach 45 Minuten klopfte es an der Tür und unser erster Gedanke war: "Perfekt! Die Pizza ist da!" Laura sprang vom Sofa auf, strauchelte kurz und rannte dann zur Tür. Sie war sehr sportlich und war mit mir in einem Karate-Verein. Als die Tür aufging, hörte man nur einen dumpfen Schlag. Pauline und ich fuhren herum und sahen Laura zu Boden sinken. Hinter ihr stand der Lehrer aus dem Wald. Er sah noch seltsamer aus, als sowieso schon. In seiner rechten Hand hielt er einen Stock, an dem nun Lauras Blut klebte. Pauline und ich flohen in das Schlafzimmer und versuchten das Fenster auf zubekommen. Ich stand an der Tür, um ihn notfalls mir Karate abzuwehren. Als er näher kam, konnte ich nur einen Tritt setzten,der die Nase traf, bevor er mich zu Boden schlug und auf Pauline zuging. Bevor ich bewusstlos wurde, sah ich, wie er Pauline eine Kette um den Hals legte und sie würgte. Ich sah wie das Leben aus ihren Augen verschwand. Dann wurde es schwarz vor meinen Augen.
Als ich aufwachte, lag ich in meinem Bett und ich hoffte, dass alles nur ein böser Alptraum war. Ich ging die Treppe herunter und ging in die Küche. Um nicht seltsam zu wirken, fragte ich nicht, ob Pauline tot war, sondern lediglich, ob sie sich gemeldet hätte. Meine Mutter sah mich, entgeistert an und sagte leise: "Pauline ist seit einem Jahr tot. Sie ist erstickt." Alles fiel von mir und ich war wie in einem Tunnel. "Sie ist aber nicht erstickt. Sie wurde von dem Lehrer getötet, den wir im Wald getroffen haben.", sagte ich mit zittriger Stimme. Meine Mutter schüttelte den Kopf. Weinend sank ich in mich zusammen. Es war Freitag. Heute Abend hatte ich Karate Training. Wenn Laura da war, musste ich sie fragen, was geschehen war. Oder wenigstens ob Pauline wirklich tot war. Als ich beim Training ankam, stand Laura schon in der Halle. Ich ging aufgeregt auf sie zu und als ich ihr gegenüber stand, fragte ich sie leise: "Pauline lebt noch. Oder?" Sie schüttelte nur den Kopf. "Aber wir wissen beide, dass sie nicht erstickt ist. Sie wurde getötet von....", sie lies mich nicht ausreden. Stattdessen räusperte sie sich sehr laut und nickte mit ihrem Kopf in die Richtung hinter mir. Als ich mich umdrehte sah ich ihn, mit geschwollener, roter Nase und einem Blick, der förmlich schrie, dass er uns alle umbringen will. Laura und ich waren alleine in der Halle und so langsam fragte ich mich, wo zum Teufel unsere Trainerin und die anderen blieben. Plötzlich rannte er auf uns zu und bevor ich reagieren konnte, spürte ich einen heftigen Schlag auf meinen Kopf und wieder wurde alles schwarz. Aber das Schwarz war anders. Er hatte das vollendet, was er in der Nacht im Wald begonnen hatte. Alle drei hatte er nun getötet, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Wieso er das tat, wusste niemand, aber als unsere Körper, nach einigen Jahren, gefunden wurden, gab es keine Fingerabdrücke und es war, als hätte er nie existiert.

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Die Hütte im Wald
AdventureDie Protagonistin und ihre zwei Freunde wollen eine Nacht in einer Hütte im Wald verbringen, doch alles kommt anders.