☆Light - 13☆

461 38 6
                                    

Stephen sah gedankenverloren auf die große Uhr, die über der Wohnzimmertür hing. Folgte wie in Trance dem tickenden Sekundenzeiger und zuckte immer wieder zusammen, als seine Augen drohten, ihn mit in den Schlaf zu reißen.
Er hatte Jenna ins Bett gebracht und sie mit dem Nötigsten versorgt. Um sich schließlich selbst auf das Sofa zu setzen, in der Hoffnung auf andere Gedanken zu kommen. Natürlich, wie sollte es auch anders sein, vergebens. Er versuchte das Geschehene logisch in seinem Kopf zu wiederholen, doch so richtig gelingen sollte es ihm nicht.
Geplagt durch Vorwürfe machte der Doktor in dieser Nacht kein Auge zu und erwachte erst aus seiner Trance, nachdem er leise Schritte wahrgenommen hatte. Fragend sah er auf, als er in Jennas graublaue Augen blickte, die vor lauter Sorge ihr sonst so schönes Funkeln verloren hatten.

"Stephen, es.", winselte die Bändigerin den Tränen nah, bis der stechende Schmerz in ihrer Brust die junge Frau zum Schweigen brachte. Angestrengt biss sie ihre Zähne zusammen und verkrampfte in einer unnatürlichen Position. Sofort stand Stephen auf und kam auf sie zu gelaufen."Es tut mir leid.", sprach Jenna quälend langsam und versuchte sich nichts anmerken zu lassen."Hey, es ist alles gut, ja!" Beherzt, dennoch behutsam umfasste Stephen seine Freundin und leitete sie langsam zum Sofa. Vorsichtig legte sich Jenna in Stephens Arm und hörte dem Takt seines Herzens zu. Liebevoll streichelte er ihr einzelne Haarsträhnen aus dem Gesicht, damit er sie besser sehen konnte.
"Wenn einer Schuld hat, dann bin das wohl ich!" Ruhig ruhte sein Arm um ihren Körper.
"Es tut mir leid, dass ich nicht bei dir war. Aber jetzt musst du mir sagen, wer dir das angetan hat?", sprach der Doktor vorsichtig und tief atmete Jenna aus, kniff ihre Augen zu und erinnerte sich zurück. Sofort hatte sie die Person vor Augen.
"Es war die Dämonin, die damals das Kamar Taj angegriffen hat. Sie hat mich gewürgt und dann wurde alles schwarz.", fuhr Jenna ruhig fort. Dabei sah sie auf ihre Hände und erwähnte erst mal nicht, dass ihre Bändigungskräfte in dem Moment nicht funktioniert hatten.

Langsam, jedoch unter Schmerzen, richtete sie sich auf, um Stephen besser in die Augen sehen zu können. Seine Augen waren kraftlos und markante Augenringe hatten sich auf seinem blassen Gesicht gebildet. Liebevoll streichelte Jenna über Stephens Locke, die sich immer wieder einen Weg auf seinem Gesicht bahnte.
"Es ist dumm gelaufen, wir hätten uns nicht streiten sollen." Sanft fing Jenna an zu lächeln und auch Stephen musste schmunzeln. Verdammt liebte er diese Frau. Behutsam presste er seine Lippen auf die ihre und beiden durchfuhr ein wunderschönes Gefühl der Vertrautheit. Schneller als gewollt musste Jenna sich jedoch ihren Schmerzen hingeben und verkrampfte wieder. Sie presste ihre Hand auf die Brust, doch selbst das Atmen fiel ihr schwer. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht mit ihr. Als würde eine innere Kraft sie zerreißen wollen und jedes Mal, wenn die Bändigerin ihre Augen schloss, sah sie diese Gestalt. Ihr Geist warnte sie vor etwas. Sie konnte es nicht erkennen. Nicht einmal deuten. Doch wusste Jenna, dass dies schlimmer und böser war als alles andere zuvor. Hilflos und schwach war sie dem Ganzen nicht gewachsen und hing wie ein Häufchen Elend in Stephens Armen. Spürte das ihre Kraft zu schwinden versuchte.

Stephen hatte schon mit dem Gedanken gespielt, er hätte es eigentlich direkt tun müssen. Er hätte die eine Person aufsuchen müssen. Aber er wusste nicht, wie sie reagieren würde, doch bei dem Anblick seiner Freundin fasste Stephen einen Entschluss. Es ging nicht um ihn, es ging um Jenna und sie bräuchte jetzt professionelle Hilfe. Entschlossen stand er auf, formte ein Portal und nahm seine schwache Freundin in den Arm. Er spürte, wie die Kraft aus Jennas Körper drang und beschleunigte seine Schritte. Er trat durch das Portal und öffnete beherzt die Tür aus der Besenkammer hinaus.

Der typische Krankenhausgeruch weckte in Stephen alte Erinnerungen. Vor einigen Jahren war er derjenige, der verletzt über den langen Flur gestolpert war und auf die Hilfe von Christine Palmer gehofft hatte. Lange hatte er sie nicht mehr gesehen, hatte auch nicht mehr das Bedürfnis, sie zu sehen. Immerhin hatten beide mit dem Kapitel abgeschlossen. Das, was mal zwischen ihnen war, ist vorbei und trotzdem wusste Stephen, dass auf Christine verlass war.
Von Weitem konnte er sie bereits sehen und als würde sie es ahnen, sah sie neugierig auf. Ihre Augen weiteten sich, als Christine ihren alten Freund auf sich zu laufen sah.
"Stephen?" Schnell kam die junge Ärztin ihm entgegen und widmete sich direkt Jenna zu.
"Christine, bitte sie brauch Hilfe." Stephens Stimme zitterte vor Sorge. "Schwester, ein Bett sofort!" Eilig kamen mehrere Pfleger auf die beiden zu gelaufen und vorsichtig legte Stephen seine Freundin in das bereitgestellte Bett. Es ging alles so schnell, dass er nicht einmal bemerkte, wie Jenna weggeschoben wurde. Ein Stück lief er neben ihr her. Bis mehrere Schwestern ihm deuteten, dass er nicht weiter gehen durfte. Verwirrt drehte Stephen sich im Kreis. Fasste sich immer wieder mit seinen stark zitternden Händen in die Haare und sackte schließlich erschöpft auf einen der Wartezimmerstühle zusammen. Seine Hände krallten sich in seine schwarzgrauen Haare und zitternd stützte er seine Ellbogen auf die Knie. Sekunden, Minuten, vielleicht sogar Stunden vergingen, bis der Doktor zusammenzuckte und in Christines vertraute Augen sah. Sanft ruhte ihre Hand auf Stephens Schulter und als sie diesen erfolgreich geweckt hatte, nahm sie diese eilig zurück und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Langsam setzte sie sich in den Stuhl neben ihm und würdigte ihm verlegen keinen Blick.

"Der jungen Frau geht es so weit ganz gut. Wir haben ihren Kreislauf stabilisiert, doch im Augenblick schläft sie.", erklärte die junge Ärztin ruhig.
"Danke, Christine. Ich weiß gar nicht, was ich ohne dich hätte machen sollen. Ich mein. Ach, ich weiß auch nicht." Müde fuhr Stephen sich mit der Hand durchs Gesicht.
"Schon gut. Doch daran gewöhnen werde ich mich trotzdem nicht.", schmunzelte Christine, bis ihr Blick ernster wurde. "Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich jemals wiedersehen werde.", sprach die junge Frau erstaunlich gelassen. "Ja, ich habe es mir auch anders vorgestellt.", schmunzelte Stephen schwach und sah von ihr ab. Er spürte, wie sie ihn musterte. Dabei fingen seine Finger stärker an zu zittern und eilig verschränkte er die Hände vor seinem Körper. Er wollte nicht, dass sie seine Hände so sah. Sanft zog sie jedoch an seinem Arm, nahm seine Hand und drückte diese leicht. "Es ist trotzdem schön, dich zu sehen. Aber deine Sekte tut dir nicht gut. Deine Haare werden immer grauer.", kicherte Christine und auch Stephen fing an zu lächeln. "Das habe ich gekonnt überhört."
Für einen Moment sahen die beiden sich an, als eine Pflegerin um die Ecke gelaufen kam. "Dr. Palmer. Die namenlose Patientin ist aufgewacht."
"Danke Jessica!" Beherzt sprang Christine auf und drehte sich zu Stephen um. "Na komm oder willst du den ganzen Tag hier sitzen bleiben?" Stumm lief Stephen Christine  hinterher.

Light (Dr.Strange FF - Buch 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt