Ab heute für immer

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„Hier gibt es noch eine Künstlerin, die sehr gerne Klavier spielt. Lea, du hast dir ebenfalls einen Song ausgesucht." Mein Blick schnellte zu der jungen Frau neben mir, die sich nervös auf die Unterlippe biss. Ich war so gespannt auf ihren Song. Würde sie sich tatsächlich den einen aussuchen? „Ich hatte so große Probleme, mir einen deiner Songs auszusuchen, es ist mir wirklich von allen am schwersten gefallen, denn ich hätte gerne jeden gecovert. Und doch gab es einen, der mich so berührt hat, von der ersten Sekunde an, ich fang schon an zu heulen, wenn ich nur drüber spreche. Ich würde gerne Walk in your shoes singen." Mein Herz setzte aus. Sie würde es singen. Lea würde diesen Song für mich singen. Ich spürte, wie ein Kloß in meinem Hals wuchs und eine einzelne Träne meinen Augenwinkel verließ. "Ganz ehrlich, ich habe mir insgeheim gewünscht, dass wenn einer den Song singt, du das bist." „Echt? Oh Gott, ich kann nicht drüber reden, ich wein schon!" Lea lachte und strich ihr über die Schulter. „Nicht weinen." „Sagt er und hat selber Tränen in den Augen!", erwiderte sie und strich sich eine Träne weg. Während ich die Geschichte zu dem Song erzählte, spürte ich die ganze Zeit Leas Blick auf mir, aber ich konnte sie nicht anschauen. Ich wusste nicht, wie sie es schaffte, aber jedes ihrer Lieder trieb mir Tränen in die Augen. Und sie selbst war mir in den letzten Wochen so wichtig geworden. Als wir erfahren hatten, dass wir beide bei Sing meinen Song dabei sein würden, hatten wir uns schon ein paar Mal in Berlin getroffen und uns sofort verstanden. Und doch war da irgendwie mehr. Lea ließ mich so frei fühlen wie schon lange nicht mehr und ihre bloße Anwesenheit löste ein langes verlorengeglaubtes Kribbeln in mir aus. „Dann lass uns ins Video schauen", kündigte Michael Patrick an und ich atmete tief durch. Erste Zerreißprobe. Leas Hand griff nach meiner und ich nahm sie dankbar an, während ich versuchte, die tausend Schmetterlinge in meinem Magen zu ignorieren, die losflatterten, als sie beruhigend mit ihrem Daumen über meinen Handrücken strich. Das Video ließ bereits alle Dämme in mir einstürzen. Es brach alles aus mir hinaus, all die Gefühle und ich nahm wahr, dass Lea sich hinter mich setzte und mich in ihre Arme schloss. Wie lange hatte ich mich in einer Umarmung nicht mehr so sicher gefühlt? Ich genoss jede Sekunde und sie lenkte mich vom Video ab, was vielleicht auch ganz gut war. „Dann sind wir jetzt gespannt auf deine Version, Lea.", sagte Michael Patrick nach dem Ende des Videos und Lea stand nervös auf. „Okay gut..." Sie trank noch einen Schluck und wandte sich dann nochmal mir zu: „Darf ich dich nochmal umarmen?" Nichts lieber als das. „Unbedingt!" Ich schloss sie in meine Arme und atmete ihren Duft ein. Sie roch nach Vanille und Tannenholz und ich hätte sie am liebsten nie mehr losgelassen. Dann löste sie sich aber von mir und ging zu dem Klavier auf der Bühne. „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert. Lea singt von Nico Santos Walk in your shoes." Die ersten Töne ertönten und dann erfüllte nur noch Leas klare, helle Stimme die Umgebung. Ihre Worte, die eigentlich meine waren, trafen mich direkt ins Herz. Tränen verließen meine Augen und ich verlor mich in dem Song. Schon lange hatte mich niemand mehr so berührt. „While you're forever young...", endete Lea und ich strich mir die Tränen weg, bevor ich aufstand und sie in meine Arme schloss. „Danke, Lea. Du hast mich so berührt. Danke.", flüsterte ich in ihr Ohr und vergrub mein Gesicht an ihrer Schulter. Sie strich mir über den Rücken und die Zeit schien stillzustehen. Irgendwann räusperte ich mich und sagte: „Ich habe vor der Show noch gesagt, ich werde nicht heulen." Alle lachten und ich zog Lea näher an mich. Ihr Arm lag immer noch um meine Hüfte und meinetwegen konnte das auch noch für den Rest des Abends so bleiben. Die anderen beglückwünschten Lea, umarmten sie und mich und doch waren wie zwei Magneten, die sich immer wieder anzogen.

Später am Abend saßen wir nachdenklich am Lagerfeuer. Wie gestern bereits nach Max Abend saßen Lea und ich nebeneinander, auf meiner anderen Seite saß Mo und neben Lea Michael Patrick. Während Lea ins Innere der Villa ging, um sich noch etwas zu trinken zu holen, verabschiedeten sich Jan und Max bereits, da sie noch telefonieren wollten. Ich stand ebenfalls auf, um mir auch noch ein Glas Wein zu holen und stieß in der Küche auf Lea. „Ich werde als Alkoholikerin nachhause fliegen, wenn das so weiter geht.", lachte sie und ich nickte grinsend. Sie wollte sich schon zum Gehen wenden, aber ich hielt sie am Handgelenk fest. „Ich wollte dir nochmal danke sagen, für diese wunderschöne Version. Ich bin absolut ehrlich, niemand hätte das besser hinbekommen." Ihre Wangen erröteten leicht und sie antwortete: „Danke. Das ist mir am wichtigsten, dass es dir gefällt." „Das hat es." Ich umarmte sie nochmal, konnte nicht anders. Wir verließen die Küche wieder mit neuen Getränken und stießen am Feuer nur noch auf Ilse und Mo. „Michael Patrick ist auch schon hoch", meinte Max und ich nickte, während ich mich setzte. Das Feuer knisterte und wir unterhielten uns noch eine halbe Stunde, bis schließlich nur noch Lea und ich am Feuer saßen. „Oh Gott, ich bin noch so aufgedreht", sagte ich und lachte. „Ich auch, ich war so nervös, das ist alles irgendwie noch nicht weg." Sie schüttelte den Kopf. „Warst du schonmal nachts am Meer?", fragte ich und Lea verneinte. „Hast du Lust?" „Jetzt?" Sie sah mich überrascht an. „Nachts ist das Meer am schönsten", sagte ich und lächelte. „Gib mir fünf Minuten, ich hole eben meine Jacke." Sie lief ins Innere der Villa und kam kurz darauf in einem Pullover zurück. Wir leuchteten uns den Weg zum Strand mit meiner Handytaschenlampe und standen dann schweigend an der Wasserkante. Das Meerwasser umspielte sanft meine Füße und ich betrachtete unauffällig die junge Frau neben mir. Ihre Haare wehten im leichten Wind und ihr Blick hatte sich in der Ferne verloren. „Verrückt oder?" Sie drehte sich zu mir. „Wir kennen uns alle erst so kurz und es kommt mir vor wie Jahre." „Geht mir genauso.", erwiderte ich leise und lächelte. Lea trat einen Schritt auf mich zu und sagte: „Danke, dass du mir das gezeigt hast. Strand bei Nacht ist wirklich am schönsten." „Besonders mit dir." Das hatte ich laut gesagt. Verdammt. „Meinst du das ernst?", fragte Lea vorsichtig. Nachdenken, Santos. Jetzt kannst du noch zurück. Ich nickte. Natürlich tat ich das. Und dann küsste ich Lea und es fühlte sich wie Schweben an. Frei und glücklich.

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