Die glockenhelle Kinderstimme des Mädchens erklang, wir sollten doch endlich zusammenspielen. Nun erschien mir die Vorstellung, der Tag könne noch schlimmer werden unmöglich. Ich, ich ein Hamster sollte mit dieser verrückten Meersau spielen?! So eine Beleidigung! Wusste dieses Gör denn nicht, dass Meerschweine und Hamster wirklich gar keine Themen haben worüber sie miteinander sprechen können, außer vielleicht ihren Zähnen, aber im Grunde stellt nicht mal das ein gutes Thema dar. Mit ihm spielen, was dachte sie, wie alt ich bin? Ein paar Monate, aber sicher nicht, dass ich bereits ein ausgewachsener Hamster bin? Mal abgesehen davon, dass wir Hamster, außer in der Paarungszeit, in der wir gern als Familie leben, unseren Alltag lieber allein bestreiten. Das Hamsterleben ist wirklich zum auf den Mond schießen. Nach einer scheinbar unendlichen Tortur im Garten, durfte ich endlich auf seinen Schreibtisch zurückkehren und die Ruhe genießen. Ein Geschenk des Himmels. Leider ist nichts für immer, denn er kehrte zurück, das ist kein Problem, denn wie gesagt mag er mich und ich kann ihn auch recht gut leiden, verursacht er nicht gerade einen solchen Krach, doch er war nicht allein. An seiner Seite ein Mädchen seines Alters. Wo hatte er sie nur gefunden? Sie setzten sich auf sein Bett und sprachen, soweit so gut. Dabei kann ich zwar nicht schlafen, aber zumindest interessanten Worten lauschen. Irgendwann begannen sie mir unerklärliche Dinge zu tun. Ich wollte das nicht unbedingt sehen. Warum quälte man einen Hamster nur so sehr, wie mich? Glücklicherweise erblickte mich das Mädchen, bevor sie auf die Idee kommen konnten, sich fortzupflanzen. Unglücklicherweise fand sie mich süß und bat darum mit mir zu kuscheln. Mit fremden dahergelaufenen Mädchen wünschte ich aber beim besten Willen nicht zu kuscheln. Das wusste er. Zum ersten Mal an diesem Tag ein Lichtblick, schließlich verbot er es ihr. Ein Lichtblick für mich, nicht für ihn. Das Mädchen verzog wütend das hübsche Gesicht, warf ihm irgendeine Anschuldigung gegen den Kopf und stürmte aus seinem Käfig. Wäre mir dies doch nur auch vergönnt, ist es aber nicht, weil ich ein Hamster bin. Naja, ihm gefiel ihre Flucht nicht so gut, weshalb er, ohne noch einen weiteren Blick auf meine Niedlichkeit zu werfen, von dannen stürmte, sicherlich dem Mädchen hinterher. Nun hatte ich zwar meine Ruhe, ein schlechtes Gewissen aber auch. Nichts, aber auch gar nichts kann man richtig machen! Schlaf fand ich unter diesen Umständen selbstverständlich auch nicht. Dieser Tag wurde einfach nicht besser.
Nun sitze ich in meinemHamsterrad, den Blick aus dem Fenster hinaus in die Dunkelheit gerichtet.Einmal dort hinaus, ein Traum, der sich nie erfüllen wird. Wie lebten sie wohl,die Hamster da draußen? Befanden sich einige meiner Verwandten unter ihnen, dieich nie getroffen hatte? In einem gleichbleibenden Rhythmus laufe ich in meinemRad. Es existiert in diesem Rad keine Veränderung, es ist immer wieder das Gleiche,jeden Abend. Die meisten Menschen hassen dieses Geräusch, was mein rhythmischerSchritt verursacht. Übernachtet ein Kumpel oder sein Mädchen bei ihm, gebieteter mir nachts still zu sein, nicht dass ich mich immer daranhalten würde, aber...Doch ich weiß, er liebt dieses Geräusch, es schaukelt ihn in den Schlaf, wieein Wiegenlied ein kleines Kind. Oh, er steigt gerade noch einmal aus dem Bettund setzt sich zu mir, ganz still und lächelt. Er sieht mir zu, ich gucke malzurück. „Klagen," flüstert er. „Klagen, können wir beide gut, du und ich. Weißtdu, mein kleiner? Wir sind beide nie zufrieden, nie. Aber jetzt, wo ich dichsehe, da kann ich mich überhaupt nicht beklagen."
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Mein Hamster-Leben
HumorUnser alltäglicher Tagesablauf ist eigentlich nicht besonders amüsant (vor allem während dem Lockdown)- außer aus der Sicht eines anderen. Wer hätte gedacht, dass die Sicht eines Hamsters auf unseren Alltag so unterhaltsam sein kann?