„Das Essen kannst du hier abstellen!"Gespannt folgte ich Noemi, der Gastgeberin, und Delia, deren kindlich-naive Art sich mit ihrem großen, kräftigen Körperbau zu widersprechen schien, in den Partyraum, wo schon buntes Treiben herrschte.
Es war ein verregneter Donnerstag Mitte Mai. Nach dem Unterricht waren die meisten von uns gemeinsam zur Partylocation gefahren. Da jeder Gast eine Kleinigkeit fürs Buffet mitbringen sollte, hatte ich Bananenmuffins gebacken.
Ich sah mich in dem Raum um: er hatte eine Holzdecke und es gab eine Bar. Das Ganze wirkte rustikal-gemütlich. Die unbekannten Gäste unterhielten sich und tranken Bier.
Behutsam setzte ich das Tablett mit den Muffins auf dem bereits üppig gedeckten Buffettisch ab. Gerade als ich die Alufolie abwickelte, tauchte Martha auf und platzierte ihre Käse-Schinken-Muffins zwischen einer Vier-Jahreszeiten-Torte, ein paar anderen Muffins und den glutenfreien Hirse-Karotten-Talern von Greta, einem Mädchen mit schulterlangen, blonden Locken und einem breiten Grinsen.
Martha war recht klein, besaß jedoch definitiv die größte Persönlichkeit und den wirksamsten Killerblick von allen. Ihre Haare waren kurz geschnitten und seit Anfang des Schuljahres lila getönt. Sie trug T-Shirt und Sweatjacke, Jeans und Sneaker und weder Schmuck noch Make-up – so wie üblich und genauso wie ich eigentlich auch. Doch im Gegensatz zu meinem Schlammbraun waren Marthas Augen von stechend heller Farbe und so durchdringend, dass man direkt Gänsehaut bekam, wenn sie einen ansah.
„Du hast so viele gemacht, ich nur so ein paar...", meinte sie schmunzelnd beim Anblick meiner achtundzwanzig Muffins.
Zwar wusste ich nicht viel über Martha - nur, dass sie Bücher und Katzen mochte, Sherlock und den elften Doctor aus Doctor Who abfeierte und mir aus unerklärlichen Gründen erlaubt hatte, den Netflix-Account ihres Vaters mitzubenutzen – jedenfalls freute ich mich, sie zu sehen.
Meine beste Freundin Luna hatte ebenfalls kurze Haare, trug nerdige Kapuzenpullis und T-Shirts, Hosen mit vielen Taschen (eine Vorliebe, die auch auf mich übergegangen war) und eine Brille. Durch Luna kannte ich Doctor Who, Star Trek und Herr der Ringe. Ihre Interessen ähnelten denen von Martha (Luna las zum Beispiel auch sehr viel), daher sah ich die beiden auch öfter mal miteinander quatschen - besonders im Unterricht - privat unternahmen sie allerdings nichts gemeinsam, soweit ich wusste.
Vielleicht ist sie ja ganz nett, wenn man sie besser kennt.
„Wollte Luna nicht kommen?", fragte Martha, als hätte sie meine Gedanken gelesen.
„Ja, das wollte sie", teilte ich ihr mit, "aber sie hat mir vorhin geschrieben, dass etwas kurzfristig dazwischengekommen ist – ein Familiending."Nachdem die Frage geklärt war, holte ich die Geburtstagskarte für Noemi aus meinem Rucksack in der Umkleide. Diese war gerade vollbeschäftigt mit ihren zahlreichen Gästen. Ich bewunderte sie für ihren so guten Umgang mit Menschen.
Gerade als ich sie ansprechen wollte, ergriff Noemi das Wort:
„Okay Leute, ich würde sagen, wir machen eine Vorstellrunde, damit jeder mal seinen Namen sagt, denn es kennen sich ja nicht alle."
Timing.
„Sollen wir auch sagen, wie alt wir sind und was unsere Hobbys sind?", kam aus der Menge.
„Nein, Name reicht. Also ich bin die Noemi. Und machen wir doch mal weiter mit... dem Mädchen da."
Sie deutete auf Fanni, die einen Bananenmuffin in der Hand hielt und sich mit halb vollem Mund vorstellte:
„Ich bin die Fanni und ich esse gerne."
Ein Grinsen machte sich auf ihrem sommersprossigen Gesicht breit.
Eine der Gäste warf begeistert ein:
„Dieses Mädchen ist mir sympathisch!"
Lachen.
Sie musste sich als Nächste vorstellen.Nachdem Nala an der Reihe gewesen war (ein schlankes Mädchen aus der Parallelklasse mit kurzen, dunkelbrauen Haaren und sanften, braunen Augen), meinte Noemi, dass es schlauer wäre, die Runde im Uhrzeigersinn fortzuführen. Martha war als Nächste dran und stellte sich – wie zu erwarten war – nur knapp mit ihrem Namen vor, dann ging es weiter, bis sich alle vorgestellt hatten. Bei mir fragten mehrere Gäste noch einige Male nach, weil sie meinen Namen nicht verstanden hatten. Ein paar meiner Klassenkameradinnen halfen nach.
Anschließend erklärte Noemi die Party offiziell für eröffnet.