Während ich so tat, als würde ich das beigefügte Periodensystem durchgehen, überlegte ich, wie ich am Besten still und heimlich das Klassenzimmer verlassen konnte. Ich wollte nicht hier sein und noch weitere achtundvierzig Minuten, wie es mir meine goldene Casio-Uhr verriet, nichts tuend dasitzen, während meine Klassenkameraden gekonnt die Prüfungsfragen beantworten. Ich konnte hören wie jemand hinter mir etwas mit seinem Kugelschreiber durchstrich. Na gut. Scheinbar doch nicht allzu gekonnt. Ich persönlich hatte bereits nach dem ersten Durchlesen der Fragen den Versuch die Chemieprüfung überhaupt zu bestehen aufgegeben und hatte nichts geschrieben bis auf meinen Namen. Nichtmal das genaue Datum wusste ich, so fehlte auch dies unbeantwortet auf dem Prüfungsblatt. Seit Wochen wusste ich nicht mehr welchen Tag wir haben. Tag und Nacht verschmolz und nur die Schule unterbrach mich. Vorsichtig nahm ich die Blick von dem Papier und schaute mich im Klassenzimmer um. Mein Blick wanderte durch den grauen, kahlen Klassenraum und blieb bei Alice, meiner besten Freundin, welche rechts schräg drei Plätze vor mir saß hängen. Sie kaute nachdenklich an der Verschlusskappe ihres Kugelschreibers während sie mit hochgezogenen Augenbrauen angestrengt aufs Papier starrte. Ich grinste, da sie wie immer ihrer schlechten Gewohnheit nachging. Seit ich denken konnte, kaute sie schon unbewusst auf ihren Stiften rum. Sie strich sich ihre blonden lange Haare hinters Ohr und setzte ihren zerkauten Kulli wieder auf das Papier an. Ich ließ meinen Blick weiterstreifen und blieb diesmal an Herr Johnson hängen. Mein uralter Chemielehrer hatte seine kurzen Beine lässig auf dem Lehrer pult liegen und las in einem dickem braunen Roman, welchen Titel ich auf der Entfernung leider nicht entziffern konnte. Er schien so vertieft zu sein, dass er sicherlich nicht mal mitbekommen würde, wenn ich einfach das Klassenzimmer verlassen hätte. Zu gerne würde ich einen Versuch wagen. Doch die Vernunft hielt mich leider zurück. Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr und sah, dass lediglich klägliche zehn Minuten vergangen waren. Gelangweilt las ich mir nochmals die Prüfungsfragen durch in der Hoffnung sie hätten ihren Schwierigkeitsgrad geändert und musste enttäuscht feststellen, dass sie eben dies nicht getan haben. Wäre aber auch verwunderlich gewesen. Ich widmete mich wieder meinem Umfeld und ließ meinen Blick erneut durch das Zimmer streifen. Bis auf einem unscheinbaren Jungen aus der ersten Reihe schienen alle außer mir noch am Schreiben zu sein. Ich nahm ihn zum ersten Mal richtig wahr. Er war recht klein für einen Jungen und außerdem recht dünn. Er hatte blonde Locken, welche von Hinten rechts gewöhnungsbedürftig aussahen. Mir fiel auf, dass ich nicht mal seinen Namen wusste. Er war vor ein paar Monaten neu in die Klasse gekommen und war recht unsichtbar geblieben. Ob er eigentlich Freunde hatte? Ich wusste es nicht. War mir eigentlich auch recht egal. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass ich angestarrt wurde. Langsam drehte ich meinen Kopf in die Richtung des Starreres und blickte direkt in die müden, hellblauen Augen von Luke. Er schien ebenfalls fertig mit seiner Prüfung zu sein. Herausfordernd grinste er mich an und ich erwiderte das Lächeln. Luke war ein recht guter Freund, da uns eine Vorliebe verband. Die Vorliebe fürs Computerspielen. Wir tauschten uns gelegentlich aus und waren in dem Thema oft einer Meinung, doch ansonsten gab es nicht viel worüber wir uns unterhielten. Er war eigentlich ein sehr ruhiger und gelassener Mensch, doch sobald er in Computerspielen zu Unrecht starb, sollte man Abstand nehmen. Wenn wir gelegentlich zusammen spielten und nebenbei uns am Headset unterhielten, war ich des Öfteren genötigt die Lautstärke gewaltig runterzudrehen, da ich sonst Angst habe frühzeitig mein Gehör zu verlieren. Luke tippte fragend an sein Handgelenk und ich antwortete mit Handzeichen, dass die Stunde noch weitere siebzehn Minuten lang war. Genervt verdrehte er die Augen. Ich konnte ihm nur zu stimmen.
Nach gefühlten Ewigkeiten endete diese Stunde, wie es zu erwarten war dann doch. Erleichtert packte ich meine Schulsachen zusammen und schwang mir im Gehen meine schwarze Eastpak-Tasche über die linke Schulter und verließ hastig das Klassenzimmer. Ich beeilte mich in die Schulcafeteria, welche bereits brechend voll von meinen Mitschülern war. Suchend blickte ich mich um, bis ich Alice winkend in der Mitte der Schlange zur Essensausgabe fand. Ich grinste ihr zu, schnappte mir ein Tablett aus dem Geschirrwagen und machte mich auf dem Weg zu ihr. Nicht zur Begeisterung einiger Mitschüler weiter hinten in der Reihe, welche mir mit Blicken deuteten, dass ich mich hintenanstellen sollte. Ich ignorierte sie und begrüßte Alice stattdessen.
,,Und was gibt es heute?"
,,Irgendeine Gemüsesuppe mit Brot. Sieht meiner Meinung nach aber mehr wie etwas aus meinem Magen aus"
Als wir endlich an der Reihe waren, konnte ich Alice nur Recht geben. Eine ungenießbar-aussehende dickflüssige Suppe, in der ich nur mit Mühe Stücke Broccoli und Kartoffeln ausmachen konnte und dazu zwei lappige Brotscheiben. Mein Magen knurrte enttäuscht. Das Schulessen hatte auch schon bessere Tage gesehen. Freundlich bedankten wir uns bei der Cafeteriadame und bahnten uns den Weg durch den Saal zu unserem Stammtisch. Dort warteten bereits Sam und Lou, welche sich angeregt unterhielten. Beim Näherkommen erkannte ich, dass das Gespräch sich um einen gescheiterten Flirtversuch von Sam handelte. Ich nickte den beiden kurz zu, als ich mich neben Alice an den Tisch setzte, welche direkt ins Gespräch einstieg. Ich schaltete ab und probierte das unappetitliche Gericht ohne Würgen runter zubekommen.
,,Oder nicht, Cell?", fragte Lou. Ich musste ihr mit Blicken gestehen, dass ich nicht zugehört hatte und sah sie fragend an.
,,Da ich nun deine volle Aufmerksamkeit habe, liebe Cella Adams", fuhr sie grinsend fort ,,wollte ich dich fragen, ob du eigentlich wieder spielst?"
Ich nickte erwischt: ,,Ja, seit ein paar Wochen bin ich wieder dabei. Weshalb?"
,,Du siehst nämlich echt fertig aus und für Chemie hast du scheinbar ja auch nicht mehr geübt so schnell wie du fertig warst.", beantwortete Alice die Frage.
Schuldbewusst zuckte ich mit meinen Schultern und gab mich wieder meinen Gedanken hin.
Der Schultag schlenderte provozierend langsam dahin und ich war mehr als froh, als ich endlich die dunkelbraune altmodische Haustür meines Heimes aufschließen konnte. Meinen Schulranzen warf ich in die Ecke des Flurs und wanderte in die Küche, wo ich mich direkt auf die Suche nach etwas Essbaren begab. Ich fand Reste von der gestrigen Pizza, legte sie auf einen Teller und nahm sie mit in mein Zimmer. Ich startete meinen Rechner und aß die Pizza während mein Computer im Ladebildschirm verharrte. Mein Handy vibrierte und ich entdeckte eine Nachricht von Alice:
Hey Cell!
Wir wollen heute Abend gegen 19:00 Uhr ins Kino und den neuen Blockbuster von Quentin Tarantino sehen. Eventuell danach noch in ein Cafe oder eine Bar gehen. Haben wir gemeinsam länger nicht mehr gemacht. Würde mich freuen, wenn du ebenfalls mitkommst. Melde dich!
-Alice
Nach kurzen Überlegen, dass sie sehr wohl Recht hatte, sagte ich ihr zu. Wir hatten seit Wochen nicht mehr was zu viert gemacht. Ein entspannter Mädchenabend wird mir ja nicht schaden. Und sonst war es ja auch immer lustig. Früher waren wir täglich zusammen gewesen und haben gemeinsam jedes Wochenende Filme geschaut oder waren Shoppen. Das ist lange her. Wir verstanden uns noch immer prächtig, aber seit Seven war es nie mehr wie früher gewesen. Irgendwo schade.
Erfreut bemerkte ich, dass mein Rechner fertig hochgefahren ist und klickte voller Vorfreude auf das rot-schwarz geschwungene S, welches das einzige Icon auf meinem Desktop war. Seven tauchte in schwarzer Schrift auf dem oberen Teil des Bildschirms auf und darunter die Felder fürs Log-In. Geübt tippte ich meine Zugangsdaten ein und klickte auf Enter. Ich wurde wie gewohnt direkt ins Home-Menü des Spiels geschickt. Ich checkte meine neusten Nachrichten und wollte gerade auf "Play" drücken, als ich entdeckte, dass Luke online war. Schnell lud ich ihn in eine Sprach-Konferenz ein, welche er auch nach wenigen Sekunden bereits betritt.
,,Hey Cella. Alles klar bei dir?"
,,Natürlich. Danke der Nachfrage. Wie lief Chemie eigentlich bei dir? Bei mir war es persönlich nicht ganz so geil."
,,Ja, war auch nicht gerade meine beste Prüfung, aber was solls. Hier was ich dir noch sagen wollte. Es gibt Gerüchte, dass es bald einen zweiten Teil von Seven geben soll. Sind wohl total in der Testphase. Ich weiß aber nicht ganz. Die Information kann möglicherweise auch nur trash sein. Aber cool wäre es trotzdem"
,,Ja, apropos. Sollen wir nicht eine Runde spielen?", fragte ich und lud ihn zum Multiplayer ein.
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Seven
Научная фантастика"Seven" ist neu. "Seven" ist nervenaufreibend. "Seven" ist unvergleichbar. "Seven" ist der neue große Hype unter der computersüchtigen, weit unterschätzen und verachteten Jugend von heute. Der ältere Teil der Gesellschaft ist enttäuscht von den Juge...